Wenn es stressig wird, läuft Samuel Irion zur Hochform auf, sagt er. Braten, schneiden, rühren und anrichten, während der Bondrucker eine Bestellungen nach der anderen ausspuckt: Er hat gelernt, unter Hochdruck zu arbeiten. Schließlich hat er im Donaueschinger Öschberghof eine Ausbildung zum Koch absolviert.

Alle Rädchen müssen funktionieren

Wer in der Gastronomie arbeitet, lernt schnell, dass hier alle Rädchen perfekt ineinander greifen müssen. „Dann kommt am Ende auch was richtig Geiles dabei heraus“, sagt der 30-Jährige.

Ein Essen soll sich wie heimkommen anfühlen

Essen hat in Samuel Irions Leben – auch sein Vater ist Koch – schon immer eine wichtige Rolle gespielt. „Es gibt Gerichte, die fühlen sich wie heimkommen an“, sagt er. „Die Lasagne meiner Mama zum Beispiel. Oder der Eintopf von meinem Papa.“ Jungen Menschen genau jenes Gefühl des Heimkommens vermitteln, ist mittlerweile Teil seines Berufs. Dafür steht er allerdings nicht mehr in einer Großküche: Samuel Irion ist Sozialarbeiter.

Samuel Irion liebt seine Arbeit als Sozialarbeiter. „Wenn ein Angstkind einen guten Tag hat, etwas klappt, was sonst nicht klappt: ...
Samuel Irion liebt seine Arbeit als Sozialarbeiter. „Wenn ein Angstkind einen guten Tag hat, etwas klappt, was sonst nicht klappt: Das macht meinen Tag“, sagt der 30-Jährige. | Bild: Göbel, Nathalie

Nach seiner Ausbildung und einem weiteren Jahr in der Gastronomie hat Samuel Irion Soziale Arbeit studiert. Heute arbeitet er bei der Jugendhilfeeinrichtung Switch, die als Träger unter anderem Schulbegleitung und Schulsozialarbeit im Kreis anbietet und die vor Kurzem in St. Georgen eine neue Jugendhilfestation eröffnet hat.

Bei Switch unterstützt Samuel Irion als Schulbegleiter verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, die im sozialen oder emotionalen Bereich Schwierigkeiten haben. Etwa, wenn bei ihnen eine Störung aus dem Autismus-Spektrum diagnostiziert wurde.

Wenn die Sinneseindrücke überhand nehmen

Damit diese Kinder bestenfalls in einer Regelschule bleiben können, werden sie von Schulbegleitern wie Samuel Irion unterstützt. Er sitzt mit im Klassenzimmer, unterstützt bei Bedarf, kontrolliert, ob Hefteinträge ordentlich gemacht werden vermittelt, wenn es Probleme mit Lehrern oder Mitschülern gibt. Gerade bei Kindern mit Autismus sei der Unterricht weniger das Problem: „Sie brauchen eher Unterstützung in den Pausen, weil da zu viele Sinneseindrücke auf sie einprasseln.“

Sein Herz schlägt für beide Berufe

Vom Koch zum Sozialarbeiter – ein krasser Wechsel. Samuel Irion liebt beide Berufe. Trotzdem habe er sich nach seinen ersten Erfahrungen als angestellter Koch nach der Ausbildung nicht vorstellen können, so weiter zu arbeiten. Ein eigenes, kleines Restaurant – vielleicht sei das irgendwann eine Option, sagt er. Doch aktuell komme das nicht in Frage.

Privatleben muss oft hintenan stehen

„Wenn deine Freunde am Wochenende ausgehen, kommst du um 23 Uhr vom Teildienst nach Hause. Egal, ob Ostern oder Weihnachten: du arbeitest“, sagt er. Da helfe auch ein freier Tag am Montag oder Mittwoch nicht. Vor allem, wenn die Partnerin, so wie bei ihm, von Montag bis Freitag arbeitet und am Wochenende frei hat. Daher sei relativ schnell die Entscheidung gefallen, sich auf einen neuen Berufsweg einzulassen, in einem Bereich, der ihn auch schon immer fasziniert hat.

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Als Sozialarbeiter kann Samuel Irion nun beide Leidenschaften miteinander verbinden: Die Liebe zum Kochen und die Begeisterung für Arbeit mit Menschen. Er ist nicht nur Schulbegleiter, sondern sorgt in der Jugendhilfestation auch jeden Tag dafür, dass die jungen Gäste ein warmes Mittagessen bekommen. So oft wie möglich bezieht er sie dabei ein. Am Ende gibt es für die Jugendlichen oft bis dato unbekannte Erfolgserlebnisse: Etwa, wenn die Muffins schön aufgehen oder wenn die Crêpes so gut schmecken wie auf dem Weihnachtsmarkt.

„Essen ist so viel mehr als nur Energieaufnahme.“
Samuel Irion, Koch und Sozialarbeiter

Zugleich vermittelt das gemeinsame Kochen den jungen Menschen Lebenspraxis. Viele wüssten nicht, wie man Nudeln kocht oder einen Salat zubereitet, sagt Samuel Irion. Zum Einkaufen würden Kinder oft nicht mitgenommen, auf eine gemeinsame Zubereitung der Mahlzeiten werde in Familien oft kein Wert gelegt. Das ist sehr schade, findet der Sozialarbeiter: „Essen ist so viel mehr als nur Energieaufnahme.“

Bewährungshilfe und Heilpädagogik

Zu Beginn seines Studiums habe er sich gar nicht unbedingt vorstellen können, mit Kindern zu arbeiten, erinnert sich Samuel Irion. Die Praxisphasen seines Studiums absolvierte er unter anderem in der Bewährungshilfe. Dann kam der Praxiseinsatz in einer heilpädagogischen Einrichtung für Kinder und Jugendliche, die vom Jugendamt aus ihren Familien genommen wurden. „Da habe ich gemerkt, dass ich einen ganz guten Draht zu ihnen aufbauen kann“, sagt Samuel Irion.

Froh über jeden Schulabschluss

Dieser Draht: Er hilft bei der täglichen Arbeit. Auch wenn es mitunter hart ist und sich die Erfolgserlebnisse nicht immer so einstellen, wie man es sich wünschen würde. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Schwächsten oft durchs Raster fallen“, sagt Samuel Irion. Wenn von zehn betreuten Kindern nur eines den Hauptschulabschluss schaffe, sei das schon alle Mühen wert. „Das erfüllt mich am Ende des Tages mehr, als wenn es Tisch 37 geschmeckt hat.“

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