Vor mehr als 100 Jahren wurden die Vorrechte und Titel des deutschen Adels abgeschafft. Juristisch gibt es seit Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung 1919 keinen deutschen Adelsstand mehr.
Zweierlei blieben jedoch: Die Adelsfamilien durften ihre Titel als Bestandteil ihrer bürgerlichen Namen und auch das „von“ behalten.
Es gibt keine Prinzessinnen mehr
In Deutschland gibt es also keine Prinzen und Prinzessinnen oder Fürsten und Fürstinnen mehr. Es gibt lediglich Personen, die einen solchen Zusatz als Teil ihres Nachnamens tragen.
Wer den Namens-Zusatz erhält und Oberhaupt der Familie wird, das legen viele Adelsfamilien noch heute in sogenannten Hausgesetzen fest. Das schreibt die Hamburger Wirtschaftskanzlei Rose & Partner auf ihrer Website.
Die Hausgesetze unterliegen in Deutschland zwar den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das BGB sieht für Adlige keine Sonderrechte vor – demnach richtet sich die Erbfolge nach der familiären Beziehung zum Erblasser.
Und dennoch hat sich die Tradition, dass der älteste Sohn das Haupterbe inklusive der Titel übernimmt, in vielen Familien erhalten. Geregelt wird das etwa über Erbverträge und Verzichtserklärungen. Auch im Haus Hohenzollern und im Haus Fürstenberg scheint man an alten Traditionen festzuhalten.
Keine Kommentierung zum Thema
Bedeckt hält sich die Donaueschinger Fürstenfamilie Fürstenberg. „Die Themen, die Sie ansprechen, sind in den Familiengesetzen und Testamenten des Hauses geregelt. Diese internen Regelungen spiegeln die historische Verantwortung und die Werte wider, die unser Haus seit Generationen prägen. Aus diesem Grund sehen wir davon ab, diese Themen öffentlich zu kommentieren oder Interviews dazu zu geben“, antwortet eine Sprecherin auf eine Anfrage dieser Zeitung.

Familienoberhaupt Christian Fürst zu Fürstenberg äußerte sich kürzlich allerdings in einem Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. Es habe Tradition, dass der älteste Sohn das Unternehmen verantworte und den Titel erbe, sagte demnach Fürst zu Fürstenberg.
„Das Unternehmen, die Häuser, die Schlösser, die Ländereien bleiben somit immer in einer Hand. Denn wenn man das immer zwischen allen aufteilt, ist irgendwann nichts mehr da“, wird der Chef des Hauses Fürstenberg zitiert.
Fürst zu Fürstenberg erklärte in dem Interview weiter: Wenn jemand ausschließlich Mädchen bekomme, dann sei es im Haus Fürstenberg – geprägt vom Testament seines Großvaters und im Sinne der Hausgesetze – momentan Tradition, dass das Erbe an den ältesten Sohn des Bruders gehe.
Und wenn dieser keine Söhne habe, gehe es an den ältesten Sohn des Cousins. Erst sein Sohn Tassilo könne „wieder selbst entscheiden“ und beispielsweise auch die älteste Tochter als Erbin festlegen, so der Vater von vier Kindern.
Standesgemäße Hochzeit erforderlich?
Interessant außerdem: Während der aktuelle Chef des Hauses Fürstenberg in dem Interview angibt, selbst nicht standesgemäß verheiratet zu sein, gab es im Haus Hohenzollern in der Vergangenheit einen Erbstreit genau wegen dieses Themas.
In einem Interview äußerte sich Georg Friedrich Prinz von Preußen, der selbst standesgemäß verheiratet ist, 2017 gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“. Auf die Frage, ob solche Hausgesetze antiquiert seien, sagte er: „Wir haben gerade in der Familie zusammengesessen und darüber geredet, ob und wie man das nicht auf zeitgemäßere Beine stellen kann. Wir schauen, wie es andere befreundete Häuser machen. Hauptziel soll sein, dass die Familie zusammenhält.“
Amtierender Chef der brandenburg-preußischen Linie des Hauses Hohenzollern ist Georg Friedrich Prinz von Preußen. Der Hausherr der Burg Hohenzollern in Bisingen ist der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers und preußischen Königs Wilhelm II. Wenn es in Deutschland noch die Monarchie gäbe, wäre Prinz von Preußen wohl Deutschlands Kaiser.
Hausgesetze vom Bundesverfassungsgericht kassiert
Das Hausgesetz der Hohenzollern sah früher die Weitergabe von Erbe und Titel an den jeweils ältesten männlichen Nachkomme vor – allerdings nur, wenn dieser aus einer ebenbürtigen Ehe stammte und selbst nicht unebenbürtig verheiratet war.
Das Bundesverfassungsgericht erklärte dieses Vorgehen 2004 jedoch als unvereinbar mit dem Grundgesetz und erklärte die Hausgesetze der brandenburg-preußischen Hohenzollern für gegenstandslos.
Wie regeln die brandenburg-preußischen Hohenzollern seitdem ihre Nachfolge? Wird das Hausgesetz durch Verzichtserklärungen und andere juristische Möglichkeiten dennoch weiter beachtet?
Georg Friedrich Prinz von Preußen und seine Frau haben vier Kinder – drei Jungen und ein Mädchen. Wer auf Georg Friedrich als Familienoberhaupt folgt, ist nicht bekannt. Eine Anfrage dieser Zeitung zum Thema blieb unbeantwortet.
„Zeitgemäß sei der Bezug auf das Hausgesetz natürlich nicht“, erklärt auch Michael Hartmann. Er ist Soziologe und gilt als einer der renommiertesten Eliteforscher Deutschlands.
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Hohenzollerischen Hausgesetzes 2004 unterscheide sich das Vorgehen adliger Familien mit Blick auf die Weitergabe materieller Besitztümer allerdings nicht mehr im Vergleich zum Vorgehen vieler industrieller oder bürgerlicher Familien, so Hartmann. „Da gibt es häufig Auseinandersetzungen darüber, wer wie viel erbt.“
Titelweitergabe ohne gesellschaftliche Relevanz
Einen Unterschied zu bürgerlichen Familien sieht Hartmann bei der Weitergabe der Titel. Da diese Titel im Grunde aber „ohne rechtliche Bedeutung“ seien, spiele das Vorgehen der adligen Familien für die Gesamtgesellschaft keine Rolle, meint Hartmann. Wenn etwa Frauen bei Titeln benachteiligt würden, sei das zwar ungerecht.
Da es sich um „interne Vereinbarungen innerhalb der deutschen Adelshäuser“ handle, könne aber nicht geklagt oder anders gegen die inoffiziellen Absprachen vorgegangen werden.
Ferner sei es in der Theorie ein Leichtes, die Regeln zu ändern, führt der Soziologe aus. Die Adelsfamilien seien alle in Verbänden organisiert und könnten sich dort einfach absprechen, die Titel zukünftig anders weiterzugeben.