Hühner halten Cindy Krischel und Alexander Peters aus Deißlingen-Lauffen schon lange. Nun ist die Schar um drei etwas zerzauste Exemplare gewachsen. Eines haben die beiden wegen seines ziemlich nackten Kopfes Kojak getauft. Das Ehepaar möchte den Tieren einen schönen Lebensabend zu ermöglichen.
Die Tiere stammen aus einer Hühnerfarm im Westerwald. Die Lauffener haben es von einem Verein, der regelmäßig ausgelaugte Legehennen vor dem Schlachthof rettet.
Sogar trinken will gelernt sein
Die drei Hühner durften ihre erste Nacht im Wohnzimmer der Familie verbringen und am nächsten Morgen im Garten zum ersten Mal auf einer Wiese herumlaufen. Dass man Gras auch fressen kann, das lernten sie schnell. Allerdings erst, als die neuen Halter ihnen die Halme vor den Schnabel hielten.
Auch das Trinken war eine Herausforderung: Normalerweise schöpfen Hühner das Wasser mit dem Schnabel und lassen es dann in den Hals rinnen. Die drei ehemaligen Legebatterie-Insassinnen kannten diese Technik zunächst nicht.
Aber sie haben sie inzwischen bei den alteingesessenen Kolleginnen gelernt. Von denen leben sie noch durch einen Zaun getrennt. Sehen können sie sich aber, schließlich sollen die Vögel sich kennenlernen.
Eier legen im Akkord
Alexander Peters hat für die drei Neuankömmlinge den Isolationsstall umgebaut, in dem sonst kranke Hühner von den anderen getrennt untergebracht werden. Der bekam sogar noch eine Wärmedämmung, denn richtige Winterkälte kannten die Legehennen bislang ja noch nicht.
Und nun werden sie allmählich an das Futter gewöhnt, das die anderen Hühner der Familie Krischel-Peters bekommen. Für sie wird es noch mit Kalk aufgepeppt, wie Cindy Krischel erzählt. „Sie legen immer noch jeden Tag ein Ei, darauf ist diese Rasse gezüchtet.“ Und dafür brauchen sie eben mehr Kalk als die anderen.
Folgen der Qualzucht
Für die Tiere bedeutet diese enorme Anstrengung, dass keine Zeit zum Regenerieren bleibt. Und deswegen werden sie nach einem bis anderthalb Jahren aussortiert und geschlachtet.
1400 Hühner waren es, die der Verein aus dem Großstall im Westerwald holte und an Tierfreunde verteilte.
Nach ihrer Befreiung wurden sie, erzählt Cindy Krischel, zunächst von einem Tierarzt untersucht, denn manche der Hühner sind so krank, dass sie ganz spezielle Pflege brauchen.
Danach wurden sie an 300 Adoptiv-Familien verteilt, und für drei ging es nach Lauffen. Wo sie nun einen angenehmen Lebensabend genießen dürfen – und gerne auch weiterhin Eier legen, wenn auch nicht mehr so viele wie bisher.
Hühner haben beruhigende Wirkung
Erfahrung mit Hühnern haben Cindy Krischel und Alex Peters schon lange. Schon vor vier Jahren kamen die ersten zu ihnen, „ich finde, Hühner haben etwas Beruhigendes.“
Auch die Nachbarin hält Hühner, davon zog eines rüber in den Garten der beiden. Und dann brachte ihr Sohn eines Tages Küken mit, die sie im Rahmen eines Schulprojekts im Wohnzimmer großzogen. Aber nur eine Zeitlang, dann stank es allen zu sehr, und so zog ein Teil des jungen Federviehs in den Garten um, ein weiterer Teil zu Freunden.
Neben den Hühnern leben bei Familie Krischel-Peters auch zwei Hunde, einer davon ist ebenfalls ein Adoptiv-Tier, und demnächst möglicherweise auch ein paar Igel.
Zudem gehört auch ein Esel zur Familie, allerdings eher indirekt. Den hat Alex seiner Frau geschenkt, aber in Form einer Patenschaft. Für ihn wäre der Garten in Lauffen dann doch zu klein. Und die Arbeit wäre für zwei berufstätige Eltern und den studierenden Sohn wirklich zu viel. Darum lebt der Esel auf einem Gnadenhof bei Engen, wo seine Patin ihn regelmäßig besucht und gern auch mal im Stall beim Ausmisten hilft.
Wie sinnvoll ist Hühner retten?
An der Frage, wie sinnvoll es ist, Tiere vor dem Schlachthof zu retten, scheiden sich die Geister. Margit Obergfell, die mit ihrer Familie auf dem Heiligenhof zwischen Deißlingen und Niedereschach selbst Hühner hält, findet es jedenfalls richtig gut. „Wir freuen uns immer wieder, wenn Leute den Hühnern ein schönes Zuhause geben.“
Auf dem Biolandhof leben 340 Hühner. „Und die machen einen tollen Job“, findet Margit Obergfell. Alle zwei Tage legten sie ein Ei, aber nach zwei Jahren werde das eben weniger. Da ein Hof wirtschaftlich arbeiten müsse, werden die Hühner dann normalerweise auch geschlachtet.
Tierfreunde sind oft zu blauäugig
„Das tut uns sehr weh“, sagt Obergfell, die parallel als Tierarzthelferin bei Attila Remete in Deißlingen arbeitet. Darum sei es für ihre Familie besonders schön, wenn es Menschen gibt, die die Hühner übernehmen und ihnen einen schönen Lebensabend bereiten. Allerdings habe sie auch schon erlebt, dass manche Leute dabei sehr blauäugig seien, sowohl was die Haltung der Tiere als auch die Gesetzeslage anbelange, unter anderem mit Blick auf die Impfpflicht.
Mensch und Tier lernen voneinander
Wer Hühner halten möchte, muss also einiges wissen. „Durch das Kennenlernen des zauberhaften Wesens von Hühnern, ihres Verhaltensreichtums und ihrer ansteckenden Lebensfreude wird in vielen Menschen Empathie, Verständnis und Zuneigung geweckt“, schreibt der Verein Rettet das Huhn.
Und die Hühner wiederum lernen von den Menschen ganz Huhn zu sein. So wie Kojak von Alexander Peters und Cindy Krischel.