Als das Amtsgericht in Villingen von 1986 bis 1989 drei Jahre lang umfassend restauriert wurde, da haben die Bauleute nicht nur einen Aufzug und ein neues Treppenhaus eingebaut. Die Restauratoren haben auch die alten Parkett- und Sandsteinböden, ebenso verborgene Wandmalereien im großen Sitzungssaal sowie den Großteil der baulichen Originalsubstanz aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bewahrt und freigelegt.

Ein Prunkstück in der Niederen Straße
Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude präsentiert sich seither als bauhistorisches Prunkstück im Reigen des Innenstadt-Ensembles.
Doch in wenigen Jahren, so ist es geplant, soll im mächtigen Sandsteinbau an der Niederen Straße 94 die Ära von mehr als 160 Jahren der Strafgerichtsbarkeit ein für allemal enden. Das Amtsgericht, es soll umziehen, in einen modernen, noch zu errichtenden Neubau. Dieser soll ein paar Meter weiter, am Ufer der Brigach, entstehen: Auf dem alten Tonhallengelände.
Doch was wird dann, so fragt sich mancher Bürger, aus dem inhaltslos gewordenen imposanten Gebäude aus großherzoglich badischen Zeiten? Und was geschieht mit dem räumlichen Sahnestück dieser Immobilie, dem repräsentativen Schwurgerichtssaal im ersten Obergeschoss?
Hauptnutzer wird das Arbeitsgericht VS
Eine dieser zentralen Fragen scheint bereits geklärt: Der künftige Hauptnutzer des Gerichtsgebäudes wird, wenn die Straf- und Zivilkammern des Amtsgerichts ausgezogen sein werden, das Arbeitsgericht von Villingen-Schwenningen.
Dieses Arbeitsgericht, das Streitfragen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schlichtet und richtet, ist bislang am Hoptbühl 7/1 in einem Nebengebäude des Landratsamtes in Villingen eingemietet.

Der Direktor des Arbeitsgerichts VS ist Richter Carsten Teschner, der seinen Sitz in der Außenstelle in Radolfzell hat. Er verortet den Umzug seiner fünf Kammern in die Niedere Straße derzeit allerdings nur als ein fernes Ereignis am Horizont. „Wir haben unseren Mietvertrag am Hoptbühl vor kurzem bis ins Jahr 2028 verlängert“, berichtet er.
Umzug wohl erst in fünf Jahren
Die Verantwortlichen rechnen also damit, dass das Arbeitsgericht frühestens in rund fünf Jahren in die Niedere Straße umziehen wird. Wenn die Mitarbeiter des Amtsgericht in den Neubau umgezogen sein werden, soll das leerstehende historische Gerichtsgebäude erst einmal auf die Bedürfnisse der neuen Nutzer umgebaut und die Gebäude-Außenhülle saniert werden.

Bis dahin soll auch final geklärt sein, welche weiteren Justizeinrichtungen darin untergebracht werden. „Wir als Arbeitsgericht werden das Gebäude allein nicht füllen können“, sagt Direktor Carsten Teschner. Denn das Arbeitsgericht ist klein, hat ungefähr 15 Mitarbeiter.
Der große Saal wird nicht gebraucht
Und der große Schwurgerichtssaal? „So etwas brauchen wir in der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht“, sagt Teschner. Der Saal sei für die Arbeitsgerichtsverfahren, die gemeinhin im kleinen Rahmen ablaufen, viel zu groß. Während im Schwurgerichtssaal die Strafrichter auf einem Podest über den Angeklagten thronen und richten, „begegnen wir uns eher auf Augenhöhe“, verdeutlicht Teschner die Unterschiede.
Auf baulicher Seite für das Amtsgericht Villingen-Schwenningen zuständig ist die Hochbaubehörde „Vermögen und Bau“ des Landes Baden-Württemberg mit der Außenstelle Konstanz. Dort weiß man Näheres.
Bewährungshilfe soll einziehen
Dessen Leiter Thomas Steier stellt klar: Wenn das Amtsgericht VS in einigen Jahren in den geplanten Neubau an der Brigach umgezogen sein wird, komme im historischen Gebäude in der Niederen Straße nur eine „reine Justiznutzung“ in Frage. Die bisherigen Überlegungen dazu: Neben dem Arbeitsgerichts soll auch die Bewährungshilfe einziehen. Diese ist bisher in Räumen am Niederen Tor 3 untergebracht.
Erste Ideen für den Sitzungssaal
Und was passiert mit dem historischen und denkmalgeschützten Schwurgerichtssaal? Hier ist bisher angedacht, so Steier, dass er künftig allen Dienststellen des Landes Baden-Württemberg, die im Raum Villingen-Schwenningen angesiedelt sind, für Veranstaltungen wie zum Beispiel Personalversammlungen zur Verfügung gestellt werden kann. „Auch Gerichtsverhandlungen werden weiterhin möglich sein“, betont Steier.

Was den Neubau des Amtsgerichts angeht, läuft die Planung derzeit auf vollen Touren. „Unser Ziel ist es, das Projekt im Staatshaushalt 2025/26 unterzubringen“, sagt Andreas Zmuda, der Verwaltungsleiter des Amtsgerichts VS. Ein noch langer Weg mit vielen Unabwägbarkeiten.
Probebohrungen auf dem Baugrund
Aktuell aber gibt es in den nächsten Tagen bereits was zu sehen, sofern das Wetter mitspielt. In der letzten Aprilwoche sollen auf dem alten Tonhallengelände Probebohrungen stattfinden. Das Land will die Beschaffenheit des Baugrunds erkunden und auf mögliche Altlasten untersuchen.