Die Demonstration ist seit Freitag auch durch das Verwaltungsgericht verboten und es herrscht in Villingen auch das Versammlungsverbot.“ Jürgen Roth wird sehr kategorisch, wenn er auf den 9. Mai angesprochen wird. Auch der VS-Oberbürgermeister befürchtet, dass es am Sonntag in Villingen nicht wie an einem entspannten, sonnigen Muttertagsnachmittag in der Fußgängerzone zugehen wird.
Für den 9. Mai war eine „Großdemonstration mit Kundgebung und Aufzug“ angekündigt. Der Anmelder stammt aus einem Dorf von außerhalb des Landkreises Schwarzwald-Baar. Für Behörden ist der Mann nach Informationen dieser Redaktion ansprechbar, ansonsten ist sein Name nicht existent, auch nicht im Internet. Und seit diese Zeitung die Pläne enthüllt hat und fortwährend darüber berichtet, was sich hier zusammenbraut, wird in den Kreisen derer, die am Sonntag angeblich „für ihre Grundrechte, für ihre Kinder“ in Villingen auf die Straße wollen, spekuliert, wer diese Redaktion eigentlich informieren könnte. Panisch hat die Gruppierung zum Freitag eine ihrer Plattformen geschlossen.
Man bleibt in diesen Kreisen offenbar gerne im Verborgenen, zieht anonym auf die Straße und versteckt die wahren Absichten hinter scheinheilig anmutenden Parolen wie das Hochhalten der Grundrechte. Jetzt hat die Gruppe eine Art Stellungnahme in ihren Foren herumgereicht – und diese Erklärung macht einiges klar. Da heißt es unter anderem am Donnerstag, nachdem das Verwaltungsgericht das Demoverbot des Landratsamtes bekräftigt hat: „Versammelt Euch und setzt ein Zeichen für unsere Zukunft und Freiheit“, und, in Großbuchstaben: „Keiner kann uns das Demonstrieren verbieten.“
Von Anspruch und Wirklichkeit
Was sind Querdenker? Die in Villingen auftretende Gruppe, die zu Teilen auch im Frühjahr mit einem Autokorso am Freitagabend in Erscheinung getreten ist, hat seit der Enthüllung der Großdemonstrations-Pläne auf ihren Internetplattformen erklärt, man lasse sich nicht derart kategorisieren, es gehe um Freiheit und immer wieder um Kinder und Grundrechte, so wird betont.
Dass Teile der Gruppierung im April zu Fuß einen Demozug durch Villingen abhielen, haben viele schon wieder vergessen, obwohl dort unsägliche Vergleiche zum Dritten Reich gezogen wurden. In Villingen und Umgebung artikulierten sich hinterher etliche Bürger in Leserbriefen über solche Einordnungen. Kindergärten seien kein Konzentrationslager, hieß es damals unter anderem auf einem Plakat, als sich die Demonstrierenden gegen eine Maskenpflicht für die Kleinsten artikulierten.
Und nun also das: „Keiner kann uns das Demonstrieren verbieten.“ Der Satz sagt alles. Vor allem die Wahrheit. Hier wird das querdenkerische Treiben wie zur Beschau offengelegt, die meisten bemerken dies nicht einmal. Aber: Querdenker betreiben die Destabilisierung des Staates, stellen seine Institutionen in Frage, zum Beispiel die Polizei. Oder wie hier das Gericht, das Landratsamt, die Stadtverwaltung Villingen-Schwenningen. Alle haben das Demonstrationsverbot für Sonntag in Villingen eingeleitet und bekräftigt. Und nun kommen die Querdenker trotzdem und bekunden, so, als sei das selbstverständlich, das Demonstrieren dürfte ihnen nicht verboten werden. Solche Bekundungen sind mit der Grund, weshalb weite Teile der Bewegung mittlerweile deutschlandweit durch den Verfassungsschutz beobachtet werden.

Das Villinger Demonstrationsverbot für den 9. Mai, die längst erfolgte Verhängung von einem Versammlungsverbot, all das schützt die Grundrechte dieser Gesellschaft. Zum Beispiel das auf körperliche Unversehrtheit, indem Ansteckungsgefahren durch das Bilden großer Gruppen oder durch das Nichttragen von Masken verhindert werden. Und die Querdenker wollen sich das Demonstrieren nicht verbieten lassen und für die Grundrechte eintreten.
Dieses scheinbar wirre Vorgehen erklären manche mit Unbedarftheit der Agierenden. Deutschlandweit hat das Ganze jedoch System und nur ein Ziel: Das Land, ganze Regionen, eine Stadt zu verunsichern und letztendlich das Staatssyste aufzuweichen.
Grablichter am Gericht
Am Amtsgericht Villingen wurden am vergangenen Wochenende Grablichter auf die Eingangstreppe gestellt. Der Direktor der Einrichtung hat den anonym erfolgten Aufbau still entfernen lassen. Die für Villingen aktive Demogruppe teilt ein Foto davon stolz auf ihren Plattformen. Kurt Gött: „Das Aufstellen von Grablichtern ist ja nicht direkt strafbar.“ Der Justizchef ordnet die Aktion, die an vielen weiteren Gerichten in Südbaden parallel stattfand, so ein: „Es sollte kundgetan werden, hier würden die Grundrechte zu Grabe getragen.“
Seit einer Extrem-Eskalation einer Großdemonstration in Stuttgart im April haben die Querdenker keine Chance mehr vor den Gerichten. Die Kommunen verbieten die Aufmärsche unisono und faktisch erfolgreich. Die Querdenker sind dennoch vor Wochen in Stuttgart aufmarschiert, und genau dies wird für diesen Sonntag auch in Villingen erwartet. „Wir sind auf alles vorbereitet“, heißt es entschlossen von Polizeisprecher Uwe Vincon.

Das Datum des 9. Mai gilt vielen kundigen Beobachtern für Villingen nicht als zufällig ausgewählt. Es ist der 100. Geburtstag der Widerstandskämpferin Sophie Scholl, die im Dritten Reich vom Staat hingerichtet wurde. Querdenker und andere staatszersetzend Interessierte schmücken sich heute gerne mit solchen Anlehnungsversuchen und wollen selbst als Opfer des Staates verstanden werden. Das Ganze ist schäbiger Vorsatz. Tatsächlich versuchen diese Gruppierungen, den Staat auf dem bewusst platzierten Schafott organisatorisch zu enthaupten durch das gezielte Infragestellen und Attackieren seiner herausragenden Schutzfunktionen wie Behörden, Polizei und Justiz.
Die Einsatzleiterin
In Villingen werden am Samstag ein Großaufgebot der Polizei und Behördenmitarbeiter die Stadtgesellschaft schützen. Das Zentrum wird schon ab Vormittag kontrolliert. Eigentümer von City-Immobilien sorgen sich um ihre Immobilien. Nach Informationen des SÜDKURIER ist zumindest eine Gegenaktion am Latschari-Platz genehmigt. Die Omas gegen rechts werden das Stadtzentrum ab der Mittagszeit besetzen. Dazu ist eine besondere Aktion vorbereitet worden, heißt es aus Aktivenkreisen. Eine Polizistin wird diesen Einsatz leiten. Sophie Scholl hätte sich an der Seite dieser Beamtin gestellt und zu all denen, die am Sonntag gezwungenermaßen einen Bogen um die Villinger Innenstadt machen werden und den Muttertags-Spaziergang mit einem frühsommerlichen Eis in der Hand lieber stressfrei in Schwenningen genießen.