Die Nachricht, dass das Traditionsunternehmen J.G.Weisser 108 Beschäftigte entlässt, hat die St. Georgener Wirtschaft kurz vor Beginn der Sommerferien hart getroffen. Betriebsratsvorsitzender Martin Bauerfeind teilt mit, wie die Stimmung in der Belegschaft ist, wie viele das Angebot annehmen, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Und wie viele Beschäftigte künftig überhaupt noch bei J.G. Weisser arbeiten.

„Die Stimmung der Belegschaft ist schon längere Zeit angeschlagen, der Ungewissheit über die Zukunft geschuldet“, teilt Martin Bauerfeind auf SÜDKURIER-Nachfrage mit. Es sei schon einmal angekündigt worden, dass ein Personalabbau von mindestens 80 Beschäftigten der zum damaligen Zeitpunkt noch 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig sei.

„Dass es jetzt einen Abbau in dieser Größenordnung, innerhalb einer Woche gibt, kam jedoch überraschend für alle“, sagt Bauerfeind, der die Situation unter den Beschäftigten als „verständliche Schockstarre“ beschreibt.

Demnach bleiben nach dieser Entlassungswelle nur noch 163 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei dem Maschinenhersteller beschäftigt.

Martin Bauerfeind ist Betriebsratsvorsitzender bei der Firma J.G. Weisser.
Martin Bauerfeind ist Betriebsratsvorsitzender bei der Firma J.G. Weisser. | Bild: privat

Wie der Betriebsratsvorsitzende weiter mitteilt, sei den von der Entlassung betroffenen Kolleginnen und Kollegen ein Angebot unterbreitet worden, „sofern die persönlichen Voraussetzungen gegeben sind, zum 1. August in die Transfergesellschaft Mypegasus zu wechseln.“

Bauerfeind schätzt, dass etwa 80 Prozent der Betroffenen die Transferlösung in Anspruch nehmen werden. „Die genaue Zahl muss sich noch zeigen, da ja nicht alle Betroffenen in die Transfergesellschaft wechseln können.“

Auf die Ausbildung haben die Maßnahmen laut Bauerfeind bislang keine Auswirkungen.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat und den Generalbevollmächtigten, die das Unternehmen, das seine Insolvenz in Eigenverantwortung durchführt, beraten, beschreibt Bauerfeind als „in Ordnung. Klar sind die Sichtweisen des Betriebsrats andere als die der Generalbevollmächtigten.“ Am Ende hätten aber beide Seiten das gleiche Ziel. „Es geht doch nur noch um den Erhalt, beziehungsweise die Fortführung von J.G. Weisser.“

Ein jahrelanges Auf und Ab

Die Hiobsbotschaft von den 108 Kündigungen ist ein weiteres Kapitel in dem seit Jahren währenden Auf und Ab des St. Georgener Traditionsunternehmens.

Zuerst ist J.G. Weisser im Mai 2020 aufgrund eines Konjunktureinbruchs im Automobil- und Maschinensektor zu Beginn der Corona-Pandemie in die Krise geraten. Damals wurde angekündigt, 130 Arbeitsplätze abbauen zu müssen.

Im August 2020 konnte das Unternehmen mitteilen, auf den Stellenabbau verzichten zu können. Im Gegenzug verzichteten die Beschäftigten auf Urlaubsgeld, tarifliche Zuschläge sowie die Hälfte ihres Weihnachtsgeldes. Zudem wurde bis Ende 2020 Kurzarbeit angemeldet.

Im November 2020 dann der nächste Paukenschlag. J.G. Weisser kündigte an, nun doch 110 Stellen abbauen zu müssen. Der Stellenabbau lief überwiegend über vorgezogene Renteneintritte und einen Sozialplan.

Im Sommer 2021 dann ein Lichtblick. Der US-amerikanische Hardinge-Konzern, selbst Anbieter von hochpräzisen und multifunktionalen Drehzentren und Drehmaschinen, übernahm das St. Georgener Traditionsunternehmen, um damit sein Portfolio in diesem Bereich zu erweitern. Alle zu diesem Zeitpunkt noch rund 400 Mitarbeiter wurden seinerzeit übernommen.

Drei Jahre lang durchschnaufen

Drei Jahre schwamm J.G. Weisser wieder in ruhigeren Gewässern, bis das Unternehmen im September vergangenen Jahres erneut Schlagzeilen machte. J.G. Weisser musste Insolvenz anmelden.

Grund war, dass der Hardinge-Konzern selbst in finanzielle Schieflage geriet und eine Sicherstellung der Finanzen für das St. Georgener Unternehmen somit nicht mehr gegeben war. Schon wieder mussten die zu dem Zeitpunkt 340 Mitarbeiter um ihre Jobs bangen.

Das Amtsgericht stimmte einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zu. Die Firma konnte zudem weiter produzieren.

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In der Folge wurde von Seiten des Unternehmens, beziehungsweise der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei, mehrfach betont, dass die Suche nach Investoren läuft und man zuversichtlich sei, in Kürze eine Lösung zu finden.

Dies ist bis heute offensichtlich nicht gelungen. Doch die Verantwortlichen verbreiten noch immer Zuversicht, dass eine Übernahme gelingen könne.