Schwarzwald-Baar – Die Region erstrahlt in den Google-Farben zum Neujahrsempfang. Mit einem pfiffigen Farbkonzept leuchtete am Donnerstagabend die Industrie- und Handelskammer den Weg aus in das neue Jahr. Gemeinsam soll es losgehen, forderte die neue IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos-Boyd die 2100 Gäste in der Messehalle auf. Stargast des Abends war Frederik G. Pferdt. Er leitet bei Google die Bereiche Innovation und Kreativität.

- Gaby Hauptmanns Liebeserklärung: Ja, die Schriftstellerin ist ein Kind der Region und sie hatte die Herzen der Zuhörer schon gewonnen, als sie in roten Stiefeln und schwarzem Kleid auf der Bühne loslegte: "Alle reden von Berlin, London, New York – und ich? Ich komme aus Trossingen." Ab diesem Satz kuschelten sich die Gäste des Abends, Unternehmer, Führungspersönlichkeiten, behaglich ins Gestühl. Die Autorin hatte alles drin: Den Vater, der zum Schaffen zum Hohner ging, Picknick auf dem Klippeneck, die Sauschwänzlebahn. Aber sie hatte auch eine Mahnung in ihr Plädoyer gepackt: Es gebe so unzählig viele, attraktive Unternehmen in der Region – "bloß manchmal hat man den Eindruck, dass man das gar nicht so genau weiß. Fehlt die Außenwerbung?" Ein Herr mit klassisch kariertem Schal nicht dazu. Da durfte sich Gaby Hauptmann auch mal im Manuskript verblättern – der Beifall war ihr sicher. Der Bühnenhintergrund leuchtete herzerwärmend in Google-Rot.
- Premiere der Präsidentin: Birgit Hakenjos-Boyd verzichtete auf Kinkerlitzchen, auch optisch. Seidenbluse mit dunklem Hosenanzug. Dazu sprach sie ruhig, klar und einprägsam, als hätte sie das schon immer gemacht, vor so vielen Unternehmer-Kollegen aufzutreten. Ihre Rede war geschickt gespickt mit Botschaften. Europa? "Wir sind ganz stark auf die Stabilität der EU angewiesen." Silicon Valley, Sitz von Google, Apple und anderen: "Eine Quelle der Inspiration." Akzentuiert selbstbewusst die Einblendung als visualisierter Teil ihrer Worte: Ein Bild von Youtube. Daneben ein Bild von Siedle. Beide Fotos versehen mit den Gründungsjahren, was klar machte: Siedle hat 300 Jahre mehr an Erfahrung. Gebe es also Unterschiede bei Risikofreude, Gründergeist, Innovationstempo? Die Einblendung im Hintergrund der Rednerin gibt schon einen Teil der Antwort: "Beste Qualität, made in Germany. " Und: "Das ist unser Anspruch und dafür bewundert uns die ganze Welt", sagte sie mit leiser Stimme. Und, Grüße nach Kalifornien, "genau davon kann sich auch das Silicon Valley eine Scheibe abschneiden". Natürlich könne von den US-Digitalisten hierzulande dazugelernt werden: Scheitern sei "nicht immer schlecht, sofern man schnell dazulernt". Hinzulernen könnten hiesige Unternehmen von den Amerikanern beim Thema der Unternehmenskultur: "Fehler tolerieren, Gründern feiern, neue Wege gehen", unterstrich sie. Am Ende ihrer Rede gab es noch eine Einblendung. Das Wort Gemeinsam. Als Gruß aus dem Schwarzwald, in Googlefarben abgebildet. Die Botschaft? "Black Forest, Baar und Heuberg müssen noch stärker zusammenarbeiten", um noch erfolgreicher in die Zukunft schauen zu können. Sich nur die Zukunft ausmalen, das genüge nicht. Sie müsse gestaltet werden, forderte die Präsidentin unter Applaus abschließend ein.
- Der Google-Botschafter: Auf den Spaß mit den Turnschuhen hat Frederik G. Pferdt an diesem Abend verzichtet. Jackett und ein Hemd mit Mao-Kragen, etwas googelig über die Hose hängend, aber sonst sehr konzentriert im Auftritt. Eine Ansprache mit oft gefalteten Händen und auch hier etwas Warmherziges zum Start: „Keine 600 Meter von hier habe ich meine ersten Schlittschuh-Schritte in der Eishalle gemacht“, erinnert sich der Kreativ-Chef. Aus der anfänglich erhofften Eishockeykarriere sei aber nichts geworden. Dafür habe er nun “jeden Tag das Gefühl, in einem Raumschiff zu sitzen, das unglaublich schnell Richtung Zukunft fliegt.“ Zukunft müsse exponentiell gedacht werden, einfach die Vergangenheit nach vorne zu projizieren, sei verkehrt weil zu langsam. Er ermunterte, in Was-wäre-wenn-Fragen zu denken. Autos die fliegen können wären schön. Und genau das habe nun ein Münchner Start-Up als Prototyp auf den Weg gebracht. „Geht das auch mit der Hoffnung auf saubere Energie“, fragte er ins Publikum. Tesla stelle sich dieser Herausforderung, hob er hervor. Oder alle Sprachen sprechen können? Der Google-Übersetzer habe 30 Sprachen abgespeichert. Er warb für eine Kultur der Offenheit, gerade bei Innovationen sei Transparenz entscheidend, andere Menschen einbinden schaffe Vertrauen. Er warb für eine veränderte Denkweise. Das „Ja aber“ sei in unserer Sprache sehr präsent. Mit „Ja und“ schaffe man es hingegen, "neue Ideen positiv zu sehen, Dinge willkommen zu heißen und tatsächlich ein Risiko einzugehen". Die Unternehmer im Saal lud er ein, beim nächsten Meeting das Ja aber durch ein Ja und zu ersetzen: Grinsen im Saal, manche schauten sich um: Wollte da jemand gerade ein Ja aber sagen? Innovative Menschen spürten die Sicherheit, wirklich ein Risiko eingehen zu können, dies habe Google in den letzten drei Jahren untersucht. Es käme also darauf an, wie Teams kommunizierten, wie Inklusion gelebt werde und wie jedem Individuum eine gleichberechtigte Stimme gegeben werden könne. Psychologische Sicherheit nennt Pferdt das, Mitarbeiter müssten sich am Arbeitsplatz sicher fühlen vor Bloßstellung, Zurückweisung oder gar Strafe.
- Die schönste Geste des Abends: Auch der Google-Manager Frederik G. Pferdt schloss seinen Vortrag mit dem selben Begriff wie die IHK-Präsidentin: Gemeinsam. Nur so lasse sich Zukunft schaffen, Herausforderungen lösen. Und, vielleicht adressiert an den US-Präsidenten: "Brücken bauen, keine Mauern", appellierte er. Doch diese Aufforderung war gleichzeitig auch Pferdts Botschaft an jeden einzelnen Unternehmer an diesem Abend in der Messehalle. Zukunftsvisionen wurden im Saal alsdann auf Papier gemalt, als kleine Flieger segelten die Zukunft durch den Saal – alles ganz leicht.
Empfang geschrumpft
Die IHK feierte dieses Jahr mit 2100 statt 2300 Gästen. Aufgefallen ist der kleinere Saal kaum jemanden. "Wir wollten einfach mal etwas Neues ausprobieren", sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Albiez dazu. Die Region in Bewegung, auch wenn es nur in den anderen Saal ist? Ja, so könne man das sehen, lachte Albiez. Die rauschende Party der Führungsspitze der Region gelang auch 2019 ausgelassen. Sogar eine Sitztribüne war dieses Jahr aufgebaut, das Podium war dicht belagert von Kuschelfreunden. Das Fest dauerte bis gegen Mitternacht. Nicht länger. Am Morgen muss man ja schließlich zum Schaffen. (tri)