14 179 Stimmen für Jürgen Roth. 10 375 für Jörg Röber. Der Sieg des Kandidaten der Christdemokraten bedeutet für das Oberzentrum eine politische Zäsur. Nach 16 Jahren mit dem 60-jährigen Sozialdemokraten Rupert Kubon an der Verwaltungsspitze kommt jetzt der 55 Jahre alte, bisherige Tuninger Bürgermeister am 1. Januar auf den Chefsessel des Oberzentrums. Die Herausforderung für Jürgen Roth in Zahlen: Von 2900 Tuninger Einwohnern auf 85 000 in Villingen-Schwenningen.

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Politisch beginnt jetzt die Zeit des Übergangs, der manchen, wie schon Sonntagabend ersichtlich wurde, schwer zu fallen scheint. Und am 31. Dezember muss Rupert Kubon das Rathausbüro aufgeräumt haben, am 1. Januar hat Jürgen Roth startklar zu sein. VS hat glasklar einen Wechsel gewählt und genau diese Botschaft hat Kontur, weil vor allem das Schwenninger Wahlergebnis einen langen Schatten auf die letzten Verwaltungsjahre wirft. Dass ein Villinger mit CDU-Parteibuch und klarer christdemokratischer Haltung in Schwenningen derart punktet, spricht Bände. 61,4 Prozent holt Roth in den 19 Schwenninger Wahlbezirken, fast nur halb so viel holt Jörg Röber mit 33 Prozent dort. Ein politischer Erdrutsch, der mit Rupert Kubon heimgeht und der Jörg Röber entscheidend gehemmt hat.

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Wie konnte Jürgen Roth in Schwenningen so deutlich abräumen? Der CDU vor allem ist dort gelungen, mit engagierten und bekannten Personen in bestimmten Stadtgebieten Positionen zu besetzen. Im Neckarstadtteil beispielsweise graust es vielen vor der Inbetriebnahme der neuen Stadthalle mit nur wenigen Stellplätzen. Und die Dauerbaustelle in der Innenstadt rund um den Marktplatz hat nicht nur die dort ansässigen Händler samt Kundschaft massiv verärgert. Das hat auch jeden Rad- und Autofahrer geprägt, der hier eine Durchfahrt suchte. Zuletzt: Die Planungsphase für das neue Schwenninger Einkaufszentrum war nicht nur von Pech geprägt. Erst die Stadtbibliothek dem neuen Einkaufstempel als Mieter zuzusprechen und dann festzustellen, dass ein Abriss des benachbarten Bibliotheksgebäudes nicht machbar ist, hat dem Vertrauen in die Strategie-Sicherheit der Stadtverwaltung geschadet.

Zum Wahlverlierer. Kein Zweifel: Röber hat das Format eines Oberbürgermeisters. Aber eben ausgerechnet dort nicht, wo er bislang als Oberbürgermeister-Referent tätig war, nämlich eng an der Seite von Rupert Kubon. So gesehen ist das Resultat der OB-Wahl von Villingen-Schwenningen auch ein Zeichen. Gegen ein Weiter so im Rathaus.

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Jörg Röber konnte sich auch mit seinen plakativ unterstrichenen 38 Jahren nicht gegen den 55-jährigen Roth durchsetzen. „Ich bin jung und agil“ hatte der OB-Referent in großen Buchstaben betont – und sich damit nicht durchgesetzt. Was eigentlich die nächste Überraschung dieses Wahlergebnisses ist. Oder auch nicht. Die Lust der VS-Bürger auf ein Experiment mit einem Referatsleiter, der bislang kein großes Amt führen durfte, war erkennbar nicht vorhanden. VS hat mit Jürgen Roth Verlässlichkeit gewählt, er kann Bürgermeister, wie er von Tuningen aus auch auf Kreisebene bewiesen hat. Mit dem Wahlergebnis vom 21. Oktober einher geht der intensive Wunsch der Wähler, dass jetzt die Stadt in Ordnung gebracht wird: Straßen, Kindergärten, Schulen. Dass dafür acht Jahre ausreichend sein können, hat Roth immer wieder zurückgewiesen, der Sanierungsstau sei zu enorm. Betont hat er auch, dass er das in einer möglichen zweiten Amtsperiode zu vollenden gedenkt.

Dem Resultat von Sonntag wohnt eine weitere Botschaft inne. Sie war im Wahlkampf nur hauchzart zu erkennen, die Absender hatten sich wie Gentleman zurückgehalten. Es geht um die VS-Wirtschaft. Dass Roth sich mit vielen Firmen-Bossen aus V und S bestens versteht, hat aber auch zu den Ergebnissen geführt, die am Sonntag die Tabellenspalten füllten. Vor allem in Schwenningen. Infrastruktur, Digitalisierung heißen hier die Stichworte. Dass die Ursprünge des Gewerbevereins Oberzentrum in der Motivation begründet lagen, eine Art außerparlamentarischer Opposition zur Verwaltungsspitze aufzubauen, ist ein Punkt. Dass Rupert Kubon führende Köpfe des Gewerbevereins bis zuletzt bewusst geschnitten hat, ist ein weiterer Fakt. Dieser Wahltag war somit ein Zahltag.

Und nun, VS? Wer im Wahlkampf zugehört hat, dem konnte auch auffallen, wie problemlos die Bewerber ums Amt ihre Versprechungen formulieren konnten. Ein Kinderspiel in Zeiten der proppenvollen öffentlichen Kassen und bei Gewerbesteuereinnahmen wie in VS mit zuletzt über 40 Millionen Euro im Jahr. Damit lassen sich ein paar Schulen sanieren. So einfach wie jetzt war das kommunale Geldausgeben selten in Villingen-Schwenningen. Die Jahre der Hochkonjunktur sind politisch erst einmal einfach zu bewerkstelligen: Geboten ist eigentlich, mit den enormen Einnahmen Rücklagen für schlechtere Jahre zu bilden. Das wird für VS wohl die falsche Vorgehensweise sein. Millionen, die nun etwa bei der Gewerbesteuer eingenommen werden, müssen reinvestiert werden – in eine bessere Stadt.

Ob VS gut auf Kurs sein wird, wird sich somit – zusammengefasst – in den nächsten vier Jahren vor allem an zwei Faktoren für jedermann ablesen lassen: Sind die Jahre des Hauens und Stechens vorbei und vereinen sich die Lager hinter der großen Aufgabe, die Stadt weiter zusammenzuführen, ein Weg, den Rupert Kubon erfolgreich begonnen hat und nicht vollenden wollte in einer dritten Amtszeit? Und: Wie bewährt sich das Rathaus unter neuer Leitung in den Zeiten, in denen der Gürtel enger geschnallt werden muss. Stützen die Amtsleiter den neuen Verwaltungs-Chef oder verliert sich OB Roth im Geflecht interner Hakeleien? Um vor allem das Letztere auszuschließen, erwarten viele vom neuen Bürgermeister strukturelle Veränderungen und damit auch entscheidende Verschiebungen personeller Verantwortlichkeiten in den Rathäusern.

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