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Voraussichtlich nach den Sommerferien ab September könnten die ersten „Stolpersteine„ in Villingen-Schwenningen durch den Künstler und Erfinder der Aktion, Gunter Demnig verlegt werden. In einer ersten Verlegungsaktion sollen 27 oder 28 Steine verlegt werden. Rund zwei Jahre später ist eine zweite Verlegung mit einer ähnlichen Anzahl von Stolpersteinen vorgesehen. Das erklärte der Vorsitzende des Vereins „Pro Stolpersteine„, Friedrich Engelke.

 

Erleichterung

Nach der im dritten Anlauf positiven Entscheidung des Gemeinderates vom Mittwochabend, die Verlegung der Stolpersteine zum Gedenken an Villinger und Schwenninger Juden sowie andere in der Stadt von den Nazis verfolgten Menschen zuzulassen, machte sich bei Engelke vor allem das Gefühl der Erleichterung breit, wie er im Gespräch mit dem SÜDKURIER sagte. Hinzu gekommen sei „eine leichte Freude, sich nicht mehr für die Stadt schämen zu müssen“, so Engelke mit Hinweis auf die zweimalige Ablehnung des Stolperstein-Antrags in 2004 und 2013.

Der Fahrplan

Wie geht es nun weiter? Die Stolpersteine werden stets von Gunter Demnig (72), der diese Gedenkform entwickelt hat, selbst verlegt. Der Künstler aus Köln ist offenbar ein halbes Jahr ausgebucht. In den Sommerferien aber will der Verein „Pro Stolpersteine„ die Aktion nicht durchführen. „Es wird also wohl September werden“, schätzt der Vereinsvorsitzende. Der genaue Termin muss noch festgelegt werden. In einer ersten Verlegungsaktion sollen nach jetzigem Stand 27 oder 28 Erinnerungssteine verlegt werden, davon die meisten in Villingen, fünf bis sechs in Schwenningen. In erster Linie handelt es sich dabei um Schicksale jüdischer Mitbürger, aber auch einiger Politiker und Euthanasie-Opfer.

Genehmigungs-Komission

Damit alles seine Ordnung hat, wird die Stadt gemeinsam mit dem Verein „Pro Stolpersteine„ eine Art Genehmigungs-Kommission aus Fachleuten bilden, die dafür Sorge trägt, dass die Verlegung historisch, rechtlich und fachlich einwandfrei erfolgt. Engelke bezeichnet die bisherige Zusammenarbeit mit der Stadt und dem OB als hervorragend. Die meisten Steine sollen im öffentlichen Verkehrsraum der Kommune verlegt wurden. Unter anderem wird die Stadt alle Hausbesitzer anschreiben, sie über die geplante Verlegung der Steine vor ihren Häusern informieren und ihnen einen Widerspruchsrecht einräumen. Fast alle Hausbesitzer, die bislang vom Verein informell befragt wurden, haben laut Engelke zugestimmt, viele mit Nachdruck. Bekannt ist ihm lediglich der Fall eines Hausbesitzers, der Widerspruch einlegen will. Dieser argumentiert laut Engelke, dass bei einer solchen Verlegung immer etwas hängen bleibe am Hausbesitzer. Diese pauschale Vermutung werde wohl von der Stadt nicht als Widerspruchsgrund akzeptiert, schätzt Engelke.

Wünsche der Angehörigen

Selbstverständlich ist es aber so, dass der Verein Einwände und Ablehnung von Hinterbliebenen und Nachfahren respektieren wird, die keine „Stolpersteine„ für ihre Angehörigen wünschen. Die Nachfahren der Sinti und Roma, die einst als Landfahrer unterwegs waren, wünschten zumeist keine Gedenksteine, verdeutlicht Engelke. Auch bei den Angehörigen von Euthanasie-Opfern oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgter Menschen gebe es nur wenige, die Stolpersteine wünschten. Das Thema sei heikel. Und bei der Opfergruppe der Zwangsarbeiter, die im Krieg nach VS verschleppt wurden, mache eine Verlegung der Steine ohnehin keinen Sinn.

Kleine Fläche

Engelke geht davon aus, dass insgesamt etwas mehr als 50 dieser Steine in Villingen-Schwenningen verlegt werden. „Wir machen das mit viel Bedacht“, stellt er fest. 50 Steine mit einer Oberfläche von zehn auf zehn Zentimeter seien eine sehr kleine Fläche von insgesamt einem halben Quadratmeter. Eine überschaubare Aktion also. Eine zweite Verlegungsaktion soll bis in rund zwei Jahren stattfinden. Bis dahin ist noch viel Recherche-Arbeit erforderlich. Der Schwerpunkt wird dann in Schwenningen liegen mit dem Fokus auf dem Schicksal von Menschen, die aus religiösen und politischen Gründen verfolgt wurden. Die Kosten von rund 120 bis 130 Euro pro Stein werden allesamt über private Patenschaften finanziert.

Gedenkstätte

Da viele der Opfer nicht mit einem Gedenkstein geehrt werden, aber ihre vom Verein mühsam recherchierten Schicksale nicht einfach dem Vergessen anheim gestellt werden sollen, schlägt der Verein „Pro Stolpersteine„ vor, auf dem Schwenninger Waldfriedhof eine kleine Gedenkstätte einzurichten. Dies könnte in Form eines Lesepultes erfolgen, auf dem ein überdimensionierter Aktenordner liegt. Darin könnten Angehörige die Lebensdaten ihrer Vorfahren finden sowie einen Hinweis, wo sie mehr über deren Schicksal erfahren können. Die künftige Arbeit des Vereins, so vermutet Engelke, wird sich nach Verlegung der Steine vor allem auf deren Pflege und Erneuerung konzentrieren.