In den Jahren 2004 und 2013 hat der VS-Gemeinderat mehrheitlich gegen die Stolpersteine gestimmt. 2020 nun der Umkehrschwung. 24 Jastimmen, 14 Neinstimmen, eine Enthaltung. Die Bahn ist frei für die Form des Erinnerns mit einer golden schimmernden Metallplatte in Pflastersteingröße vor einzelnen Häusern. Wer die Aufschrift der im Boden verankerten Steine lesen will, die an schlimme Schicksale verfolgter Menschen durch das Naziregime erinnert, muss seinen Kopf nach unten neigen, wie eine Geste der Demut.
Die Frage, weshalb in VS erneut über das Projekt debattiert und entschieden wurde, erhebt sich. Beantworten lässt sich das mit dem nach der Kommunalwahl 2019 neu zusammengesetzten Gemeinderat – und durchaus auch mit dem Umstand, dass die CDU hier in VS stark an Stimmen verloren, Grüne und FDP stark zugelegt haben. So gesehen ist das Abstimmungsergebnis 2020 zu den Stolpersteinen in der Folge der Ratswahlen im Jahr 2019 ganz einfach auch ein Ausdruck des mehrheitlichen Bürgerwillens dieser Stadt.
Das Votum vom Mittwoch, 29. Januar 2020, ist aber viel mehr. Es ist Ausdruck eines Aufbegehrens von Bürgerkreisen, die nicht mehr in einer Stadt leben wollten, die sich gegen das Erinnern an Gräueltaten zur Nazizeit zu stellen schien. Dass die Stolperstein-Gegner ganz einfach – und in der Sache völlig nachvollziehbar – überwiegend ganz einfach eine andere Form des Erinnerns wünschten, etwa mit einer Stele, ging zumindest beim überregionalen Blick auf Villingen-Schwenningen vielfach unter: Bürger und Verwaltung mussten sich auf Reisen nicht selten kritischen Fragen stellen. Dass VS nicht die einzige deutsche Stadt war, die sich bislang mit Stolpersteinen zurückgehalten hatte, wurde dabei gerne übersehen.
Schon bei der Abstimmung 2013 kam der Eindruck auf, dass es seinerzeit im Oberzentrum auch darum gegangen sein könnte, das vom damaligen OB Rupert Kubon (SPD) unterstützte Stolperstein-Vorhaben scheitern zu lassen. Wie 2020 der Oberbürgermeister votieren könnte, blieb lange geheim. Am Mittwoch stand es dann auf der Anzeigetafel. Jürgen Roth (CDU) hatte für die Stolpersteine gestimmt und damit den Antrag der zuletzt oft als politische Konkurrenz empfundenen Fraktionen von Grünen, SPD und FDP unterstützt.
Und nun? Jetzt muss die Stadtverwaltung den Ratsbeschluss im Oberzentrum umsetzen. Villingen-Schwenningen wird damit Teil der europaweiten Stolperstein-Installation mit aktuell über 75 000 Erinnerungssteinen. In der Stadt selbst kommt es nun auf echte Demokraten an, die Abstimm-Ergebnisse akzeptieren. Vielleicht kann dieser Prozess ja auch damit besonders gut gelingen, indem zusätzlich eine früher oft gewünschte Gedenk-Tafel an einem würdigen Ort platziert wird.