Ernst Reiser sieht seine schlimmsten Vorahnungen bestätigt. „Jetzt ist die Katze aus dem Sack“, entfährt es dem streitbaren Landwirt aus Nordstetten. Eine der Zu- und Abfahrtsstraßen der neuen Querspange der Bundesstraße 523 soll quer durch Nordstetten führen. Der langjährige Stadt- und Kreisrat der Freien Wähler ist entschlossen, alles ihm Mögliche dem Vorhaben in den Weg zu stellen.
Plötzlich ist die Straße durch Nordstetten ein Thema
Reiser kocht innerlich, er versucht, ruhig zu bleiben. Eine der Zufahrten zu Querspange soll auch an seinem Haus vorbeiführen. Vor Jahren wären ihm noch Pläne vorgelegt worden, in denen eine Anbindung der Querspange durch Nordstetten kein Thema gewesen sei. „Warum ist das jetzt nun doch in die Planungen aufgenommen worden“, schimpft er.

Zum Beweis rollt er einen großen Plan aus und zeigt den Punkt auf der Karte. Tatsächlich ist hier nur eine Brückenlösung zu erkennen, auf der die neue Trasse vom Mönchsee zum Neuen Markt geführt werden soll. Von einer Zu- und Abfahrt bei Nordstetten ist keine Spur zu erkennen.
Beschlossen ist noch nichts – oder doch?
Genau das wird nun aber nach Angaben des Regierungspräsidiums, wo das Projekt geplant wird, in Erwägung gezogen. Verkehrszählungen und Hochrechnungen werden vom Straßenbauamt als Argumente angeführt. Offiziell heißt es von dort, beschlossen sei noch nichts. Reiser schießt dazu nur verächtlich einen Blick über den Tisch.
Was den Nordstettener so in Wallung versetzt, ist das Gefühl, ausgetrickst zu werden. Und was sagt Obereschach? Ortsvorsteher Klaus Martin beton gerne die Positionierung des Ortschaftsrates. „Wir möchten in Obereschach entweder zwei Anbindungspunkte an die Querspange oder gar keine.“
Obereschach will zwei oder nichts
Eine der beiden Strecken, wie sie in Obereschach gewünscht werden, ist die Route über die Landesstraße 178, die Verlängerung aus Villingen über die Oberschacher Straße also. „Dass die zweite Anknüpfung nichts geworden ist, dafür kann ich ja nichts“, sagt Martin weiter. Eine Bewertung der jetzt vom Regierungspräsidium in die Planungen aufgenommene Strecke durch Nordstetten will der Obereschacher nicht treffen.

Reiser attackiert Martin in der Angelegenheit heftig. Der Landwirt aus Nordstetten kreuzte im Jahr 2021 schon auf dem Obereschacher Fußballplatz auf, um dort mit Verantwortlichen zu den Ortschaftsrats-Entscheidungen zur Querspangen-Anbindung zu streiten.
Ortsvorsteher Martin ist gut vernetzt
Klaus Martin (CDU) hat in Obereschach im Gegensatz zu Nordstetten einen Vorteil in Gestalt eines Ortschaftsrats. Und: Der langjährige CDU-Vorsitzende von VS ist auch politisch vernetzt, spielte zuletzt bei der parteiinternen Kandidatenauswahl für den OB-Posten eine unübersehbare Rolle.

Reiser hat aber auf politisches Klein-Klein noch nie Lust gehabt. Eine Auszeichnung vom Land Baden-Württemberg zum Ende seines Wirkens als Stadt- und Kreisrat lehnte er ab.
Dass die Kreisstraße 5709, wie die Route durch Nordstetten offiziell heißt, nun aus seiner Sicht „zum Autobahnzubringer gemacht wird“, bestätigt bei ihm alle seine Einschätzungen über politisches Handeln.
Reiser und wo aus seiner Sicht zur Straße entschieden wird
Reisers neue Mission ist klar. Er will das Projekt des von ihm so benannten Autobahnzubringers durch Nordstetten stoppen. „Über diese Straße wird nicht im Rathaus von Villingen-Schwenningen entschieden. Über diese Straße wird auch nicht im Landratsamt Schwarzwald-Baar und auch nicht im Regierungspräsidium Freiburg entschieden. Über diese Straße wird vor Gericht entschieden werden“, postuliert er. Im Klartext: Ernst Reiser wird vor Gericht ziehen.
In Reisers Handlungsfähigkeit sollte sich niemand täuschen. Die Familie konnte vor einigen Jahren große Flächen für gewerbliche Nutzungen im Gewann der Salzgrube veräußern.
Wie die Salzgrube ins Abseits geraten ist
Die Salzgrube spielte bis zuletzt eine Rolle bei den Anbindungs-Überlegungen in VS. Ausgeknipst wurde das Thema dann schließlich von der Verwaltungsspitze, als klar wurde, dass die Stadt eine hier früher in Debatten in Erwägung gezogene Zu- und Abfahrt auf die Querspange selbst bezahlen müsste. Klaus Martin betont dazu jetzt im Frühjahr sicherheitshalber: „Ich kann damit nichts dafür, dass diese Variante vom Tisch ist.“

Ernst Reiser versteht es nicht, dass die Salzgrube als Anbindung zur Querspange vom Tisch sein soll. Er argumentiert: „Eine Erschließungsstraße zwischen den einzelnen Grundstücken für Firmen muss hier ja ohnehin gebaut werden. Das restliche Stück bis zur geplanten Querspange beträgt vielleicht nicht 600 Meter.“
Als der Rat das Rathaus in Schwenningen stoppte
In Schwenningen holte sich die Stadtverwaltung zuletzt mit einer solchen Kurzstrecke eine blutige Nase. Der Gemeinderat ließ das Rathaus auflaufen, als klar wurde, dass neu gebaute 500 Meter Schwenninger Strecke aus dem Industriegebiet auf die Bundesstraße plus Zu- und Abfahrten mindestens knapp über zehn Millionen Euro kosten würden – zulasten der Stadtkasse. Der Rat stellte sich mehrheitlich gegen das Thema, aus Kostengründen.
Solche Probleme sind bei der Anbindung zur neuen Querspange bislang nicht in Sicht. Die beiden Routen, welche das Regierungspräsidium nun als Anbindung zur Querspange prüfen will, sind als Straße bereits vorhanden. Die Zu- und Abfahrt müsste dann der Bund finanzieren.
Ernst Reiser setzt aber auch hier bereits mit Kritik an. Die Straße durch Nordstetten sei zwar vorhanden, aber sie könne nicht einfach ohne Weiteres mit solchen Plänen überzogen werden, meint er. Die Tragfähigkeit des Bauwerks sei wohl für dauerhaften Schwerverkehr auf die Autobahn zu gering und: „Die Straße ist mit fünf Metern Breite auch zu eng.“
Über welches relevante Thema derzeit geschwiegen wird
Grundsätzlich betrifft die Planungs-Überlegung des Regierungs-Präsidiums nach Reisers Auffassung „das Wohngebiet Nordstetten. Anderswo werden um Wohngebiete Ortsumfahrungen gebaut und bei uns kommt ein Autobahnzubringer mitten in den Ort“, protestiert er. „Welcher vernünftige Mensch kann so etwas fordern“, schreibt er in einem Protestbrief über sechs Seiten an Behörden und Verfahrensbeteiligte.
Mit keinem Wort erwähnt wird derzeit die Finanzlage der öffentlichen Kassen. belastet durch die Coronakrise und die Flüchtlingsströme aus der Ukraine. Der Bau der Querspange war vor fünf Jahren mit 25 Millionen Euro geschätzt beziffert worden. Angesichts der auch schon 2020 und 2021 erfolgten markten Preissteigerungen im Baugewerbe gehen Experten heute von einer möglichen Verdoppelung des Preises für die Querspange an Villingen vorbei aus.