Vorsichtiges Aufatmen der Einzelhändler, die aufgrund einiger Lockerungen der Corona-Verordnung nach nahezu fünf Wochen Lockdown erstmals wieder öffnen durften. Insbesondere Buchläden und Boutiquen mit einer Verkaufsfläche von unter 800 Quadratmetern dürfen seit Montag unter bestimmten Auflagen wieder Kunden empfangen. Der SÜDKURIER hat sich umgehört, wie Händler und Kunden mit der neuen Situation umgehen. Was auffiel: Der große Ansturm blieb noch aus. Und: Die Kunden verhielten sich äußerst diszipliniert.

Montagmorgen, 11 Uhr. In der Villinger Innenstadt herrscht geschäftiges Treiben. Allein oder maximal zu zwei eilen Passanten durch die Straßen um ihre Besorgungen zu erledigen. Einige wenige tragen eine Mund-Nasenschutzmaske. In der Osiander-Buchhandlung in der Rietstraße waren die Kunden mit Sicherheitsabstand vor der Kasse. Mit dem vorschriftsmäßigen Sicherheitspaket mit Plexiglasscheibe an der Kasse, Abstandsmarkierungen, Mundschutz für die Mitarbeiter, Desinfektionsmittel und dem Blick darauf, dass sich maximal 30 Kunden gleichzeitig in der Buchhandlung aufhalten, hoffe man die Herausforderung gut meistern zu können. „Wir sind alle happy und aufgeregt“, beschreibt Filialleiterin Ulrike Eppel die Stimmung. Der Kontakt zu den Kunden haben ihr und den Mitarbeitern in den vergangenen Wochen gefehlt. „Die Kunden wollen zu uns in den Laden kommen, stöbern und schmökern und Bücher in der Hand halten“, erklärt sie. Das bestätigt Kundin Cornelia Böttcher aus Schwenningen, die sich mit neuem Lesestoff eindeckte. „Wenn man schon nirgends hingehen kann, muss man wenigstens ein gutes Buch zur Hand haben.“ Was sie bedauert ist, dass sie ihre Enkel derzeit nicht sehen kann.
Vor der Buchhaltestelle in der Brunnenstraße hat sich eine kleine Schlange gebildet. Nur jeweils ein Kunde darf sich im Laden von Sabine Hauser aufhalten. Ob man das Geschäft betreten kann ist am geöffneten oder geschlossenen Gittertor zu erkennen. „Wir haben in den vergangenen Tagen viel umgeräumt, damit wir den notwendigen Sicherheitsabstand gewährleisten können“, so Hauser. Neben Büchern gibt es in der Buchhaltestelle auch „Nasenschonerle“ und „Göschleverstecker“, die die Inhaberin und eine Freundin als Mund- und Nasenschutz genäht haben.
Mund- und Nasenschutzmasken genäht hat auch Elke Schucker von der Stoffgalerie. „Ich habe viel auf Bestellung genäht und bin froh, dass ich mein Geschäft jetzt wieder öffnen kann.“
In der Modeboutique Fitzroy erwartete Linda Hackenjos die Kunden mit gemischten Gefühlen. „Es ist eine komische Situation, so auf Abstand zu gehen.“ Die Unsicherheit ist auch bei den Kunden zu spüren. „Keiner weiß, wie er sich richtig verhalten soll.“
Yvonne Schaumann von Schilling Wäsche und mehr in der Oberen Straße war froh, ihr Geschäft wieder öffnen zu können. „Viel länger hält ein kleines Unternehmen das auch nicht aus“, sagt sie, die ihr Geschäft ebenfalls mit Abstandsmarkierungen und Plexiglaswand sowie Desinfektionsmittel ausgestattet hat.
Zwar freut sich auch Doreen Walke vom Benetton-Store, dass sie ihr Geschäft wieder öffnen darf. „Meine Kunden haben mir in den vergangenen Wochen die Treue gehalten und mich toll unterstützt. Natürlich mit Einkäufen übers Internet, aber auch mit netten Worte per Mail oder am Telefon.“ Zwar freue sie sich, dass sie nun ihr Geschäft wieder öffnen darf. Dennoch ist sie auch kritisch, ob Lockerungen nicht möglicherweise zwei Wochen zu früh gekommen sind.
Froh, wenigstens wieder ein kleines Stücken Dolce Vita in die Innenstadt bringen zu können, zeigte sich Cesare Gianotti vom Eiscafé Zampolli. Noch am Morgen war er mit Markierungsarbeiten und dem Herrichten eines sicherheitskonformen Warteschlangensystems beschäftigt. „Das ist eine Riesenerleichterung für uns. Auch wenn wir nur einen kleinen Teil unseres Angebots präsentieren können“, sagt der Eiscafébesitzer. Immerhin 80 Prozent des Eissortiments konnte er anbieten. Die erste Kundschaft ließ auch nicht lange auf sich warten.