Sieben Tage Urlaub in einem Vier-Sterne-Hotel auf Fuerteventura im Doppelzimmer mit All Inclusive gibt es derzeit bei vielen Anbietern bereits ab etwa 400 Euro. Und eine Reise dorthin ist möglich – denn: Die Kanaren werden laut Auswärtigem Amt seit dem 24. Oktober nicht mehr als Risikogebiet eingestuft.
Das herauszubekommen ist aber nicht einfach. Auf der Seite des Auswärtigen Amts werden lediglich die Länder aufgelistet, die als Risikogebiet eingestuft werden. Das bemängelt Peter Finke. Er gehört der Geschäftsführung des Reisebüros Bühler an, das Standorte auch in Villingen, Schwenningen, St. Georgen, Schramberg, Rottweil, Bad Dürrheim, Donaueschingen und Furtwangen hat.
„Für 76 Staaten gilt, dass sie nicht als Risikogebiete eingestuft werden. Dazu gehören die Kanaren, aber auch beispielsweise die Seychellen. Offen kommuniziert wird das aber nicht“, sagt Finke im SÜDKURIER-Gespräch. Er wünscht sich, dass das geändert wird.
So könnten etwa die Länder, in die eine Reise problemlos möglich ist, explizit aufgelistet werden – wie bei den Risikostaaten eben auch. „Für Namibia werden jetzt schon wieder Rundreisen angeboten“, so der Reiseexperte – und weiter: „Ich habe am Wochenende mit einem Freund gesprochen, der sagte, er würde gerne nach Gran Canaria fliegen. Aber das gehe ja nicht. Ich habe ihn dann aufgeklärt, dass die Kanaren seit mehr als einer Woche nicht mehr Risikogebiet sind.“ Wenn mehr Menschen klar würde, dass es durchaus Reiseziele gibt, würde sich das vielleicht auch positiv auf die Reisebürobranche auswirken.
Einen Schub kann diese nämlich brauchen. Laut dem Deutschen Reiseverband (DRV) verzeichnen die 2300 Reiseveranstalter und 11.000 Reisebüros in Deutschland von März, dem Beginn der Pandemie, bis zum Jahresende einen Umsatzeinbruch von mehr als 28 Milliarden Euro. Das entspreche einem Umsatzrückgang von rund 80 Prozent.
„Wir haben allein im Oktober ein Minus von 95,7 Prozent“, sagt Finke vom Reisebüro Bühler. Für das Jahr bedeute diese ein Minus von 78 Prozent, „und da sind die normalen Monate zu Beginn des Jahres schon miteinbezogen“. Die Zahlen sind nicht verwunderlich, so gebe es seit März fast keine Buchungen. Nur ab und zu mal Flüge beispielsweise nach Berlin. Das sei für die rund 230 Mitarbeiter an 31 Standorten zu wenig. Die Kollegen, so Finke, befinden sich noch immer in Kurzarbeit.
Zweite Soforthilferunde
Nur wenig geholfen habe die bislang ausbezahlte Soforthilfe. Das Reisebüro Bühler hat laut Finke 50.000 Euro erhalten – viel zu wenig sei das für ein Unternehmen dieser Größe. Der Mann aus Geschäftsführung sagt, dass die finanzielle Deckelung bei großen Firmen aufgehoben werden müsse. Derzeit laufe der Antrag für die zweite Runde der Soforthilfen.
Auch bei Sylvia Hoffmanns Reisebüro in der Färberstraße in Villingen läuft es seit März sehr schlecht. Die Soforthilfe von 9000 Euro sei schnell angekommen, aber schon längst aufgebraucht. Auch sie hat weitere finanzielle Unterstützung vom Land beantragt. Diese und die schon erhaltene reiche aber nur aus, um die Unkosten wie Miete, Strom oder Internet decken zu können. „Außerdem müssen wir die Soforthilfe am Ende des Jahres regulär versteuern“, ergänzt Hoffmann.
Einen Gewinn habe sie schon seit Monaten nicht mehr gemacht. Wegen der Pandemie entgehe ihrem Reisebüro monatlich im Schnitt ein Umsatz von 100.000 Euro. Auf dem Boden im Verkaufsraum liegt ein dicker Stapel, der das verdeutlicht.
Die kleine Box, in der normalerweise Postkarten für Kunden, die aus dem Urlaub kommen, sind, ist so gut wie leer. Und das Reiseregister in einer Schublade ist kaum gefüllt. Daher sagt Hoffmann: „Ich wünsche mir, dass Reisebüros zumindest ein wenig am entgangenen Umsatz beteiligt werden.“ Im Schnitt ist sie mit sieben Prozent an Reisen beteiligt. Schon ein wesentlich geringerer Teil würde ihr und ihren Branchenkollegen helfen.
Unverständnis hat Hoffmann für einige Entscheidungen der Politik. Sie kann beispielsweise nicht verstehen, weshalb Tui auf der einen Seite Milliarden vom Staat erhält, die Regierung aber auf der anderen Seite vor Reisen warnt – und Reisebüros letztlich die Leidtragenden sind. Hoffmanns Mitarbeiter sind noch immer in Kurzarbeit. Wann sich das ändert, sei derzeit nicht zu sagen: „Ich selbst sitze hier meine Zeit ab, um präsent zu sein.“ Den Laden kann sie wegen laufender Kosten nicht schließen.
Ihre Kunden, betont die Reisebürobetreiberin, stehen im Großen und Ganzen hinter ihr: „Es gibt aber auch Kunden, die aus meiner Sicht egoistisch sind.“ Einer hatte beispielsweise einen Hin- und einen Rückflug nach Südamerika zu je 400 Euro gebucht. Während des Aufenthalts im Urlaubsort war dieses zum Risikogebiet ernannt worden. „Das Rückflugticket konnte der Kunde, aus welchen Gründen auch immer, nicht nutzen. Also flog er mit einem Regierungsflieger zurück“, erzählt Hoffmann. Anschließend holte er sich 400 Euro für den Rückflug zurück – zu Ungunsten Hoffmanns.

Einer, der sich gut in der Branche auskennt, ist Marcel Klinge (FDP). Der Bundestagsabgeordnete für den Schwarzwald-Baar-Kreis ist tourismuspolitischer Sprecher seiner Fraktion und in täglichem Austausch mit den Reisebetreibern: „Laut dem Verband unabhängiger Reisebüros ist ein Drittel der Betreiber akut gefährdet. Das wäre völlig inakzeptabel.“
Generell beschreibt Klinge die Lage als dramatisch. Es müsse unter anderem eine andere Quarantäne-Regelung und eine andere Teststrategie her. Der FDP-Mann sagt: „Viele Menschen sind bereit, auch mehr zu zahlen, wenn sie etwa vor, während und nach der Reise getestet würden.“
Dieses Jahr können die Reisebürobetreiber aus Klinges Sicht abhaken. Es gehe jetzt darum, das Ostergeschäft zu retten. Eine Möglichkeit wäre, sogenannte Reise-Korridore zu benennen. „Diese gab es zum Beispiel für die Türkei. Nun aber nicht mehr. Das ist schade und die Maßnahme wurde nicht richtig begründet“, sagt Klinge weiter.
Prinzipiell, so der Tourismus-Experte, werde von vielen zu negativ über das Reisen an sich berichtet. Ferienwohnungen etwa seinen „sehr sicher“. Die Pauschalität bei der Betrachtung des Reisens mache keinen Sinn.
Positiv bewertet Klinge die seit Juli geltende Regelung, dass Reisebüros alle entfallenen Provisionen durch Corona-bedingt stornierte Reisen den Fixkosten zuschlagen können. Heißt: Diese Kosten fließen auch in die Bewertung für die Auszahlung der staatlichen Hilfe mit ein. Allerdings: „Leider gilt das nur für Pauschalreisen. Wenn ein Reisebüro aber nur den Flug verkauft hat, ist er von der Regelung ausgenommen. Das muss geändert werden“, so der Bundestagsabgeordnete. Um Reisebüros weiter finanziell zu entlasten, schlägt er außerdem eine kleine Beratungsgebühr vor. So hätten Betreiber auch von stornierten Reisen etwas.
Dass die Bundes- und Landesregierungen, trotz richterlicher Aufhebung, ein erneutes Beherbergungsverbot erlassen haben, kann der FDP-Mann nicht verstehen. Für ihn hat sich im Vergleich zum ersten Verbot dieser Art nichts geändert. Immerhin sei nur ein äußerst geringer Anteil der nachgewiesenen Corona-Infektionen Hotels zuzurechnen.
„In der Branche herrscht ein wenig eine Untergangsstimmung und viel Frustration“, sagt Klingt abschließend. Denn: Schon vor der Coronakrise haben viele Betreiber mit den Folgen der Thomas-Cook-Pleite zu kämpfen gehabt. Für die gab es bis heute keine Entschädigung.