Schnitzen im Schutzraum: Während über Villingen der Zweite Weltkrieg in den letzten Zügen tobt, vertreibt sich der knapp zehnjährige Hermann Schlenker die Zeit im Schutzraum in der Turmgasse – mit kleinen Schnitzereien an einem Stückchen Holz.

Das Talent zum Schnitzen war entdeckt. Noch als Elfjähriger musste Hermann Schlenker im Germanswald Schützengräben ausheben, bis ein Wehrmachtsoffizier die Kinder aus den Gräben holte: „Macht, dass Ihr nach Hause kommt“, hieß es.

Lehre als Holzbildhauer

„Es waren keine einfachen Zeiten damals“, erinnert sich der Jubilar, der am Sonntag, 19. Mai, seinen 90. Geburtstag feiert. Ganze zwei Schuljahre sind wegen des Krieges entfallen. Dennoch könnte er nach dem Krieg eine Holzbildhauerlehre bei Arthur Zimmermann in Villingen absolvieren.

Die Erinnerungen an diese wenig glückliche Jugend sind offenbar prägend, denn das Detailwissen aus jener Zeit beeindrucken den Zuhörer. Als Zeitzeuge erinnert er sich, dass auch mit Sprengstoff bestücktes Kinderspielzeug abgeworfen worden sei. Ein Granatsplitter aus seinem Fuß sei ohne Betäubung entfernt worden. „Hier beiß auf das Holz, ich hole das Teil raus!“, haben ihn ein Arzt angeherrscht.

Holzbildhauer Hermann Schlenker ist ganz in einem Element, wenn eine Scheme unter seinen Händen entsteht.
Holzbildhauer Hermann Schlenker ist ganz in einem Element, wenn eine Scheme unter seinen Händen entsteht.

Nach der 1949 beendeten Lehre begab er sich auf die Walz. Im Kleinwalsertal und in Oberammergau schaute er bei den Schnitzern des Voralpenlandes über die Schulter und ergänzte sein Wissen um die dortige Holzbildhauerei.

Besuche bei Eugen Merz

Doch es zog ihn zurück in die Villinger Heimat. Zahlreiche Besuche beim Schemenschnitzer Eugen Merz, dem Vater von Manfred Merz, ergänzten seine Erfahrungen. Nach seiner Wanderschaft fand er in der Uhrenfabrik Schmeckenbecher eine Anstellung. Unzählige Figuren für die weltberühmten Kuckucksuhren entstanden unter seinen Händen. „Immer das Gleiche schnitzen war nicht meins“, schildert Schlenker.

Eine Kuckucksuhr sucht man daher vergebens in seinem Haus in Tannheim. Hier befinden sich aber zwei Werkstätten des Holzbildhauers. Die eine im Schopf dient den gröberen Arbeiten und ist voll mit Holzrohlingen und Maschinen aus verschiedenen Epochen. Dazwischen finden sich aber immer wieder kleine Inseln mit blitzenden Schnitzmessern, dem eigentlichen Werkzeug des Künstlers.

Ein Könner seines Fachs

Wände und Regale zeigen dem Besucher, dass hier ein hervorragender Könner seines Faches am Werk ist. „Ja, ich halte auch immer noch Schnitzkurse bei der Volkshochschule in Donaueschingen“, berichtet Schlenker, der am 19. Mai 1934 im Villinger Krankenhaus das Licht der Welt erblickte.

So viele Narro-Schemen an einer einzigen Wand dürften Seltenheitswert haben.
So viele Narro-Schemen an einer einzigen Wand dürften Seltenheitswert haben. | Bild: Jörg-Dieter Klatt

Die zweite Werkstatt im Obergeschoss des Hauses ist dagegen eher bescheiden eingerichtet. Eine Schnitzbank mit Kugelkopfschraubstock, eine winzige Schleifmaschine, um die filigranen Schnitzmesser zu schärfen und reichlich Licht kennzeichnen diese Wirkungsstätte mit weitem Blick in Richtung Alpen. An den Wänden reihen sich zahlreiche Schemen des Villinger Narros, bisweilen meint man die Gesichtszüge bekannter Personen zu erkennen.

„Mir macht das Schnitzen jeden Tag noch großen Spaß“, betont der Künstler, unter dessen Händen zahlreiche Fastnachtsfiguren der Region entstanden sind. So auch die Masken der Tannheimer Osemalizunft, die mal grimmig, mal verschmitzt den Goascht vom Oseberg verkörpern. Alljährlich ziert der von Hermann Schlenker geschaffene Osemali den Brunnen des Tannheimer Ortszentrums.

Auch die Wolfbach-Rolli beziehen die Schemen aus der Schlenker‘schen
Auch die Wolfbach-Rolli beziehen die Schemen aus der Schlenker‘schen | Bild: Jörg-Dieter Klatt

Auch die fröhlich winkende Frauenfigur vor dem Haus weist auf das Können des Künstlers hin. „Wenn ich zum Schnitzmesser greife, habe ich die künftige Form schon vor meinem inneren Auge“, erklärt der Holzbildhauer, der ohne Skizze ans Werk geht. Aber auch malen kann der rüstige Senior, zieren doch einige Ölgemälde seine Wohnung. Selbst die Kassettendecke in der Wohnstube entstand aus eigener Hand.

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Das Jugendrotkreuz Tannheim gegründet

Die engagierte Mitgliedschaft beim Roten Kreuz gehörte ebenfalls über viele Jahre hinweg zu seinem Leben. Die Tannheimer Jugend-Rot-Kreuz Gruppe wurde auf seine Initiative hin gegründet und ist bis heute eine feste Institution des Stadtbezirks. Überregional war Herrmann Schlenker beim Rot-Kreuz Südbaden für Auslandseinsätze verantwortlich.

Dieser Blick über den Tellerrand der Region ermöglicht es ihm, neue Eindrücke für seine Schnitzkunst zu gewinnen. Obwohl in Villingen geboren und aufgewachsen, fühlt sich Hermann Schlenker heute als Tannheimer.

Er schätzt die Dorfgemeinschaft und die gute Nachbarschaft und freut sich mit seiner Frau Karin, mit der er seit 64 Jahren verheiratet ist, auf den runden Geburtstag am Pfingstsonntag. Fünf Kinder, elf Enkel und inzwischen sieben Urenkel freuen sich am Geburtstag mit Hermann Schlenker.

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