Mancher Bürger (m/w/d) in Villingen wundert sich wohl sehr, dass die Ringanlagen in diesem Frühling so ungepflegt wirken. Da sind die ersten zwei Meter der Rasenflächen zwar gemäht, dahinter aber wächst es wild wie in Messi-Nachbars Garten.

Ein Spaßvogel hat seinem offensichtlichen Unmut über so viel Pflegenotstand etwas Luft gemacht und selbstgebastelte Schilder aufgestellt, darauf der handschriftliche Hinweis „Ungepflegte Grünfläche an Klein-Tierzüchter zu verpachten“, dazu die Telefonnummer zum Grünflächenamt.

Kurz ist nicht immer fein

Was auf der einen Seite ärgerlich erscheinen mag, dass die großen Aufsitzrasenmäher nicht ständig in Aktion sind und die städtischen Grünanlagen kurz und fein halten, ist aber auf der anderen Seite für eine unglaublich große Anzahl von kleinen und kleinsten Lebewesen eine Frage des schieren Überlebens.

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Denn mit jedem Mähen werden ihre Wohnstätten zerstört, Nahrungsquellen vernichtet und sie selbst an Leib und Leben bedroht. Außerdem können ungemähte Wiesen durch Fang- und Abtropfmöglichkeiten für den Tau insbesondere in trockenen Zeiten wie in diesem Frühjahr den Boden besser mit Wasser versorgen und vor Austrocknung bewahren.

Nachhaltige Geste der Verwaltung

Was da also so ungepflegt und nachlässig daherzukommen scheint, ist in Wirklichkeit eine großzügige und nachhaltige Geste der Stadtverwaltung, die sich womöglich auch der Initiative „Mähfreier Mai“ verpflichtet fühlt. Zu dieser haben in diesem Jahr die Gartenakademie Rheinland-Pfalz und die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 aufgerufen.

Rasenbesitzer, so ist die Idee hinter dieser Idee, sollen im Monat Mai freiwillig darauf verzichten, ihren Rasen zu mähen. Der Zweck dieser Aktion ist die Förderung der Artenvielfalt, der Biodiversität und die Unterstützung von Insekten und anderen Nützlingen, die im Mai aus ihrer Winterruhe kommen. Und die dann dringend ungemähte Wiesen und Rasenflächen brauchen, die sie in der freien Natur aufgrund der immer intensiver werdenden landwirtschaftlichen Nutzung häufig nicht mehr finden.

Englischer Rasen darf auch mal wilde Wiese sein

Ihren Ursprung hat diese Aktion übrigens in Großbritannien, ausgerechnet in dem Land, das für seine feinst gestutzten Rasenflächen berühmt ist. Im Englischen heißt das ebenso feinsinnig „No Mow May“, also etwa „Ungemäht im Mai“. Tatsächlich lassen seit dem ersten Aufruf dort seit etlichen Jahren schon viele Gartenbesitzer ihre Rasenmäher im Monat Mai unbenutzt.

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Und geben damit schier unendlich vielen Insekten und kleinen Lebewesen, die genau wie in Deutschland mittlerweile schwierige Lebensbedingungen haben, Nahrung und Nistmöglichkeiten, weil Wildkräuter und Blumen wie Gänseblümchen wieder in Erscheinung treten dürfen.

Blütenvielfalt wächst enorm

Auch wissenschaftlich ist bewiesen, dass Nichtmähen für die Natur besser ist, auch wenn dies dem Ordnungssinn mancher Menschen zuwiderlaufen mag. Der Anteil an nektarreichen Blüten, so erläutert zum Beispiel Bettina de la Chevallerie, die Geschäftsführerin der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft, erhöhe sich um ein Zehnfaches, wenn man den Rasenmäher häufiger stehen lasse.

So gesehen: Großartig gemacht, liebe Mitarbeiter vom Grünflächenamt. Und auch, dass ihr die witzigen Hinweisschilder einfach stehen lasst und diese Kritik stoisch hinnehmt. Damit bekommt das Thema sogar noch mehr Aufmerksamkeit.