Hat VS eine entschiedenere Energiewende vor genau einem Jahr vertrödelt? Im Juni 2021 forderten CDU, Grüne, SPD und Freie Wähler gemeinsam von der Verwaltung schnelle Installationen von Solaranlagen auf städtischen Gebäuden. Ein Jahr später debattiert nun die Kommunalpolitik dazu.
Ein Jahr danach: Noch immer drängen die Räte auf Tempo, die Verwaltung will aber strukturiert Vorgehen, unter anderem mit einem noch zu erarbeitenden Leitbild. Der Wille zu mehr Ökologie ist in der Kommunalpolitik groß.
Ohne Gegenstimme wurde der ein Jahr alte Antrag der vier Fraktionen nun positiv beschieden, bei leichten Veränderungen. Nicht mehr nach Zahl der Dach-Solar-Anlagen, sondern nach Leistung soll nun vorgegangen werden.

300 Kilowattpeak (Einheit zur Bemessung der Leistungsfähigkeit von Solaranlagen) pro Jahr sollen auf städtischen Dächern nun realisiert werden. Das ist das Ziel.
Die Realität mixte Dirk Gläschig (Freie Wähler) in die Ausschuss-Debatte: „Worüber reden wir denn?“, fragte er, auch vor dem Hintergrund von Anmerkungen aus den Reihen der Grünen. „Es gibt keine Kollektoren, es gibt keine Wechselrichter und es gibt auch keine Stromspeicher“, schilderte er die Lage am Markt.
Hochbauamts-Chef zu den Solar-Chancen in VS
Dieter Kleinhans, Leiter des VS-Hochbauamts, sagte, VS liege im Vergleich gut. „Wir haben aktuell ein Megawatt auf städtischen Dächern. Was können wir noch tun? Weitere drei Megawatt sind erreichbar“, sagte er.
Die neusten städtischen Gebäude, die Neckarhalle und der Bauhof, seien bewusst ohne Solar gebaut worden. „Damals war kein Geld da, ist so“, erinnerte er. Sinnvoll sei Solar dort, wo hoher Stromverbrauch verbucht werde. Das sei bei den Schulen, aber auch beim Krematorium der Fall.

Ulrike Salat (Grüne) sagte, die Stadt solle für Solardächer auch eigenes Geld in die Hand nehmen. Aus steuerlichen Gründen will die Verwaltung dies aber unbedingt vermeiden. Die Ziele seien besser mit einem zwischengeschalteten Unternehmer erreichbar, machten OB Jürgen Roth und Bürgermeister Detlev Bührer mehrfach klar.
Ulrike Salat wollte dies nicht gelten lassen: „Wir müssen doch vorangehen, Signale senden“, sagte sie – und handelte sich prompt Kritik aus der Rathausspitze ein.
Roths Wink an die Grünen mit der Finanz-Lage
Der OB erinnerte die „liebe Frau Salat“ daran, dass der städtische Haushalt mit viel Mühe aus dem defizitären Bereich herausgerechnet worden sei. Und er betonte, dass es 2023 keinen Nachtragshaushalt geben könne. Eine Erwiderung von Ulrike Salat blieb aus.
Eine Bauchlandung gab es für die Grünen auch bei einem anderen Thema. Sicherheit für die Bürger wird in den Räte-Gremien weiter hochgehalten. Klar abgelehnt wurde vom Ausschuss, nachts aus Stromspargründen VS-Straßenbeleuchtung zu späten Stunden abzustellen: Elf Gegenstimmen und nur zwei Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen.
Grünen-Rätin Cornelia Kunkis hatte sich zuvor über den „heftigen Licht-Smog“ nachts in der Stadt angesichts der vielen LED-Leuchten beschwert.
Handlungslinien fehlen
Klar wurde in der Debatte überdies: Verwaltung und Lokalpolitikern fehlen die großen Handlungslinien. Was zum Beispiel ist im denkmalgeschützten Villinger Innenstadtbereich möglich?
Hier berät die Landespolitik. Eine zeitgemäße Überarbeitung der Denkmalauflagen sind in Stuttgart in der Debatte. Die Ergebnisse sollen im Sommer vorliegen.
Was kommt auf die Bürger im Winter zu?
Wie heizen aber Villingens Bürger? Wo ist Solar im historischen Zentrum möglich? Auf der Pestalozzi-Turnhalle bei der Realschule geht das, aber sonst? Alle Fragen bleiben offen.
Wie zum Beispiel eine Neuversorgung der Villinger Innenstadt unter Denkmalschutz umgesetzt werden kann, will die Verwaltung laut Bürgermeister Bührer „über den Sommer klären“.
Frage nach Neuversorgung bleibt unbeantwortet
Eine klare Anfrage von Stadträtin Ulrike Heggen (Freie Wähler) vom Frühjahr bleibt damit weiterhin hinsichtlich klarer Empfehlungen für die Villinger Innenstadt unbeantwortet.
Ob eine Lösung über ein Blockheizkraftwerk sinnvoll ist, sei als „ein Weg von mehreren“ zu erwägen, führte Ratsmitglied Dirk Gläschig jetzt aus.
Elif Cangür, Rätin der Grünen, schlug noch andere Töne an: „Niemand kann uns garantieren, dass wir im Winter Gas haben zum Heizen.“ Auch sie mahnte dringend zu Beschlüssen und Aktionen.
OB Roth pflichtete Cangür indirekt bei. „In Moskau werde die Schraube zugedreht.“ Der Rathauschef strich heraus, dass der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck aktuell erwäge, die Kohlekraftwerke für deutsche Stromproduktion anzuwerfen. Dies sei vor Februar undenkbar gewesen.
Sind Solar-Ziegel eine Lösung?
Architekt und Stadtrat Andreas Flöß (Freie Wähler) mahnte, den sensiblen Villinger Innenstadtbereich „gut zu planen“. Er sprach konkret die mögliche Lösung mit Solarziegeln an – und warnte „vor zu großen Hoffnungen“, auf den Innenstadtdächern viel Strom erzeugen zu können.
Und wie sieht es mit Windrädern am Stadtrand aus? Klare Absagen gibt es von der Verwaltung dazu. Nur wenige Standorte kämen in Frage, einer davon tangiert ausgerechnet die Planung für den Lückenschluss der B523.
Große Windräder seien, wenn überhaupt, nur in Wäldern möglich, so Detlev Bührer. Dort hemme aber der Schutz von Auerwild solche Bauten, betonte die Verwaltung in einem Positionspapier.