Den Bodenwischer braucht Romina Auer gerade häufiger. „Eigentlich müsste man ständig wischen“, sagt sie, während sie den glänzenden weißen Boden sauber macht. Wer in das Brautatelier „La belle marieé“ von Romina Auer und Nikol Konta im alten E-Werk in Schwenningen will, der muss sich erstmal den Weg durch Baustellenstaub und altes Gemäuer bahnen. Und das hinterlässt eben Spuren.
Etliche Hürden überwunden
Die beiden Frauen können darüber nur schmunzeln. Denn bis sie den Laden im Oktober vergangenen Jahres eröffnen konnten, gab es weitaus größere Probleme zu überwinden als einen dreckigen Boden.

Viele Erfahrungen im Gepäck
Romina Auer, 30 Jahre alt, lange blonde Haare, breite goldene Ohrringe, ist die Quirligere von den beiden. Sie kommt aus Dauchingen, hat soziale Arbeit studiert, im Landratsamt gearbeitet, war schon mal selbstständig in der Werbebranche und hat ein Jahr im Brautgeschäft von Geli Bartler in Brigachtal gearbeitet. „Da geht noch mehr“, hatte sie sich damals gedacht.
Studierte Modemanagerin
Nikol Konta, 35 Jahre alt, schulterlange braune Haare, grau karierter Blazer, ist die Ruhigere des Duos. Sie kommt aus St. Georgen, hat Modemanagement studiert und in der Textilbranche gearbeitet. Sie ist gerade in Elternzeit, als aus der Idee, ein Brautgeschäft zu eröffnen, tatsächlich Realität werden kann.

Vor acht Jahren fing alles an
Kennengelernt haben sich die beiden Frauen vor acht Jahren bei einer Wanderung mit Freunden. Sie kamen ins Gespräch, fragten, was sie gerne einmal beruflich machen würden, was ihr Traum wäre. Beide sagten damals, dass das ein eigenes Brautmodengeschäft wär. 2020 dann, als beide wieder zurück in die Heimat kamen, begannen sie mit den ersten Plänen. 2022 wollten sie starten. Bis zu einem Sonntagsspaziergang Mitte vergangenen Jahres.
Plötzlich ist die passende Immobilie da
Romina Auer arbeitete zu jener Zeit im Kreisimpfzentrum – befristet bis Ende September. Konta war ein paar Monate vor dem Ende ihrer Elternzeit. Sie fanden plötzlich die passende Immobilie – das alte E-Werk mitten in Schwenningen. „Das machen wir jetzt, das ziehen wir jetzt durch“, sagten sie sich damals. Und haben es trotz mehrerer Widrigkeiten bis heute nicht bereut.
Einige Hürden gab es zu überwinden
Wer sich in Pandemie-Zeiten selbstständig machen will und das auch noch im Einzelhandel, der hat es nicht leicht. Das haben sie gemerkt, als sie der Bank ihren Businessplan vorgelegt haben. „Wir mussten sogar vorbereiten, was passiert, wenn wieder ein Lockdown kommt“, sagt Auer.
Handwerkermangel und Materialknappheit
Die zweite große Herausforderung war, die Baugenehmigung für das denkmalgeschützte Gebäude zu bekommen. Bei den Bauarbeiten kamen Handwerkerknappheit und Materialmangel dazu. Irgendwie schafften sie es. Am 1. Oktober glich der Laden noch einer Baustelle. Am 2. Oktober eröffneten sie ihr Geschäft mit einer Feier im kleinsten Kreis. Heute sagen sie: Sie haben hart dafür gekämpft.
Sie hatten eine Hoffnung, an der sie alles aufgezogen haben: 2022, wenn sie eröffnet haben, fallen aufgrund der Corona-Jahre, in denen viele Trauungsfeierlichkeiten lieber aufgeschoben wurden, nach dem erhofften Abklingen der Pandemie dann drei Hochzeitsaisons in eine. Und sie hatten ein Credo, an dem sie sich festgehalten haben: „Für uns gibt es keine Alternative und für alles gibt es eine Lösung.“
„Entweder es geht komplett in die Hose und wir sind total verrückt, oder es klappt.“Romina Auer, Co-Geschäftsinhaberin
Die Chancen standen 50:50. „Entweder es geht komplett in die Hose und wir sind total verrückt, oder es klappt“, sagt Auer. Und es klappt. Zwischen zehn und 15 Beratungen haben sie zur Zeit pro Woche. In gut 90 Prozent der Fälle verkaufen sie am Ende ein Kleid.
Kundschaft kommt sogar aus München und der Schweiz
„Wir sind super zufrieden bisher“, sagt Auer. Ihre Kunden kommen aus München, Stuttgart, vom Bodensee oder aus der Schweiz. „Wir bieten hier Labels, die andere nicht haben.“ Für die man vorher in die großen Städte fahren musste. „Wir wollten ein wenig frischen Wind in die Region bringen.“ Zum Beispiel weg vom klassischen Konzept à la „A-Linie, ein bisschen Tüll, ein bisschen Spitze, ein bisschen Glitzer“. Das gibt es auch jetzt noch. „Aber das geht auch in modern“, sagen sie.
Das sind die neuen Trends
Die Trends aktuell sind ein tiefer Rücken, 3D-Spitze oder auch kleine Flügelärmelchen, die an der Korsage befestigt sind und um den Oberarm gelegt werden. Und Zweiteiler, also ein Oberteil, das gegebenenfalls über den Tag gewechselt werden kann, und dazu eine Hose oder ein Rock. Je nachdem können die Teile einzeln auch danach noch getragen werden. Nachhaltigkeit also auch im Brautmodengeschäft.

Ein bisschen hat die Pandemie auch die Bräute verändert. Das ist ihr Eindruck. Als wäre plötzlich ein wenig der Druck abgefallen, alles perfekt haben zu wollen. „Viele haben früher erstmal 10.000 Euro gespart, das ist jetzt nicht mehr so“, sagt Auer. Es ist lockerer geworden. „Eigentlich sind alle froh, wenn sie einfach nur wieder feiern können. Und wenn es nur mit 50 Leuten ist.“
Das Portemonnaie wird gefordert
Zwischen 950 Euro und 4000 Euro kosten die Kleider, die in ihrem Atelier hängen. Im Schnitt geben die Kunden zwischen 1600 und 2200 Euro für ein Kleid aus. Ein Beratungsgespräch kann bis zu zweieinhalb Stunden dauern.
„Die Bräute sind nicht das Problem“, sagt Auer und muss grinsen. „Die Begleitpersonen sind schlimmer.“ Natürlich nicht bei jeder Beratung. Aber ab und zu kommt es schon vor, dass sie klarstellen müssen: „Ihr seid die Begleitung, wir sind die Beratung.“ Konta ergänzt: „Und wir sind an dem Tag auf jeden Fall Team Braut“.
„Viele haben eine schlechte Einschätzung ihres Körpers.“Nikol Konta, Co-Geschäftsinhaberin
Jede Braut ist anders. Jeder Körper ist anders. Konta und Auer wissen das. Und manchmal macht es sie ein wenig betrübt. „Viele haben eine schlechte Einschätzung ihres Körpers“, sagt Konta. „Es ist so traurig, wenn man merkt, wie sie an sich zweifeln“, sagt Auer.
Wenn sie es dann schaffen, dass sich eine Braut für ein etwas figurbetontes Kleid entscheidet, die vorher am liebsten jegliche vermeintliche Problemzone an ihrem Körper verdeckt hätte, dann ist es ihr kleiner persönlicher Sieg.
Es geht um mehr als nur ein Stück Stoff
„Es sind eher Emotionen, die wir verkaufen“, sagt Konta. „Und nicht ein Kleidungsstück.“ Romina Auer nickt. Auf dem kleinen Tischchen vor der Anprobe steht eine Box mit Taschentüchern. Am Ende kann es schon mal passieren, dass alle dastehen und heulen. Braut, Begleitung und Beraterin.