Fußball-Bezirksliga: Dass zwei brasilianische Fußballer dem FC Steißlingen helfen, den Klassenerhalt in der Bezirksliga zu schaffen, hat nichts mit Transfer-Wucher oder einem steinreichen Geldgeber aus der Hegau-Gemeinde zu tun. Dem Heimweh ist es zu verdanken, dass die in São Paulo geborenen Kicker Enoque und Eneias Buchegger im Mindlestal gegen den Ball treten – oder ihn eher liebevoll behandeln, wie es den Fußballern aus dem Land des Zuckerhuts gemeinhin zu eigen ist.
„Wir sehen zwar nicht wirklich so aus“, sagt Eneias (23) mit einem breiten Grinsen, das strahlend weiße Zähne offenbart, „aber wir sind tatsächlich Ur-Wiechser“. Vor 22 Jahren kam er mit seinem ein Jahr älteren Bruder Enoque nach Deutschland, adoptiert von der Familie Buchegger aus der Steißlinger Nachbargemeinde, wo die beiden heute noch wohnen. Nach diversen Stationen, Enoque war beim Hegauer FV und beim FC Radolfzell, sein Bruder bei Calcio Kreuzlingen und beim SC Konstanz-Wollmatingen, zog es sie zu Beginn dieser Saison wieder zu ihrem Heimatverein – dem FC Steißlingen.
Obwohl Deutschland ihre Heimat ist, sie hier aufgewachsen sind, fühlen sich Enoque und Eneias dem Land ihrer leiblichen Eltern verbunden – auch wenn sie zu diesen keinerlei Kontakt mehr haben. „Wenn wir alle paar Jahre mal nach Brasilien reisen, sind wir zwar wie Touristen, zumal wir beide leider nicht das brasilianische Portugiesisch sprechen“, erzählt Enoque, „ein Teil von uns aber gehört hierher.“
Die Wurzeln lassen sich nicht verleugnen – trotz zwei Jahrzehnten in Deutschland sind die Brüder Buchegger eher Samba als Walzer, eher Karneval in Rio als Fasnacht im Hegau. „Ich habe leider auch ein bisschen zu viel von der brasilianischen Lockerheit. Zu Verabredungen komme ich meistens zu spät“, gesteht Eneias mit einem entwaffnenden Grinsen. Und auch beim Thema Fußball kommt der Brasilianer bei beiden durch. „Neymar„ – die Antwort auf die Frage nach dem großen Vorbild kommt wie aus der Pistole geschossen. Trotz oder gerade wegen dessen Showeinlagen. „Joga Bonito“, das schöne Spiel, das sie in Brasilien so lieben, obwohl es manchmal der Verzückung der Fans mehr dient als dem Punktekonto, hat es auch den beiden angetan.
„Enoque und Eneias können wirklich was. Und sie passen super zu uns!“Javier Martin, Trainer des FC Steißlingen
„Natürlich freuen wir uns auch über Erfolge der deutschen Nationalmannschaft“, beteuert Eneias, „außer wenn sie gegen Brasilien spielt.“ Wie am 8. Juli 2014 in Belo Horizonte, als die Gastgeber bei der Heim-WM zur Pause bereits mit 0:5 gegen Schweinsteiger & Co. zurückliegen. Eneias verzieht das Gesicht, als hätte er einen Wurm in einem gerade angebissenen Apfel entdeckt: „Grausam. Nach der Halbzeit konnte ich nicht mehr weiterschauen“, erinnert er sich widerwillig an die größte Schmach der Seleçao. Im Finale gegen Argentinien, den Lieblingsfeind aller Brasilianer, haben die beiden Brüder natürlich wieder zu Deutschland gehalten.
„Wie eine große Familie“
Und jetzt zum FC Steißlingen. „Wir fühlen uns hier wohl. Das ist wie eine große Familie hier“, schwärmt Enoque, der zusammen mit seinem Bruder dazu beitragen will, dass der Club den Klassenerhalt schafft. „Unglaublich schnell“ sei Enoque, meint sein Bruder und erhält das Prädikat „ganz stark am Ball“ als Dank.
Auch der Steißlinger Trainer freut sich über die Unterstützung der Hegau-Brasilianer. „Die beiden können wirklich was“, sagt Javier Martin, „und das Wichtigste: Sie passen super zu uns!“
Das Vertrauen des Trainers zurückzahlen können die beiden Brüder schon am Sonntag ab 15.30 Uhr. Da kommt der Tabellenletzte SC Markdorf ins Mindlestal. Eine ganz wichtige Partie, vor der der gläubige Christ Eneias Buchegger sich wie immer bekreuzigen wird, ehe er das Spielfeld betreten und sich zum Liebegott namens Florian und den übrigen Teamkollegen gesellen wird. „Ein Tick von mir“, meint Eneias, „aber bisher hat das mir immer Glück gebracht.“ Vielleicht ja auch dem FC Steißlingen bei der Mission Klassenerhalt.