Aufstieg zur 2. Bundesliga: HSG Konstanz – Wilhelmshavener HV 30:34 (12:18). – Das letzte Spiel von Kapitän Tim Bornhauser im Trikot der HSG Konstanz ist eigentlich schon beendet. Die Uhr in der Schänzlehalle zeigt 60:00. Der Schweizer steht an der Siebenmeterlinie und hat zum letzten Mal den Ball in der Hand.

Eine Aktion dauert diese Saison noch. Ein letzter Strafwurf nach Ablauf der Zeit entscheidet über alles. Geht er rein, steigen die Konstanzer wieder in die 2. Bundesliga auf. Scheitert der 27-Jährige, feiert der Wilhelmshavener HV.

Der Konstanzer Trainer Jörg Lützelberger feiert mit Michel Stotz.
Der Konstanzer Trainer Jörg Lützelberger feiert mit Michel Stotz. | Bild: Peter Pisa

Bornhauser schaut zum Schiedsrichter. Der Pfiff. Der Konstanzer holt aus, täuscht einmal an, und wirft dann. Die Zuschauer halten den Atem an. Aufsetzer. Drin! Bornhauser dreht sich zu seinem Team um, die Arme im Triumph zur Seite ausgestreckt. Mission erfüllt. Das maximale Ende eines Handballerlebens.

„Schöner geht‘s nicht mehr“, sagt der Rückraumspieler selbst. Als er sich den Ball zum finalen Wurf nimmt, geht ihm nur ein Gedanke durch den Kopf: „Für das habe ich die ganze Zeit gearbeitet und trainiert.“

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Der Wahnsinn hat in diesem Jahr einen Namen: HSG Konstanz. Was sich überall nach einer unglaublich übertriebenen Geschichte anhört, ist am Schänzle Alltag. Nach dem 32:27-Sieg aus dem Hinspiel darf die Mannschaft vom Bodensee im Rückspiel gegen den Wilhelmshavener HV sogar verlieren und steigt trotzdem in die 2. Bundesliga auf.

Einzige Bedingung: Die Niederlage darf nicht höher als mit vier Toren ausfallen. Tim Bornhausers Tor sorgt für das 30:34. Noch nie wurde eine Heimpleite so überschwänglich bejubelt.

Der Konstanzer Michel Stotz beim Wurf.
Der Konstanzer Michel Stotz beim Wurf. | Bild: Peter Pisa

Am Ende steht ein Mann im Mittelpunkt, der das Rampenlicht nicht gerade aktiv sucht. Hier ein Foto, da eine Umarmung, dort ein Autogramm. Jeder will Tim Bornhauser gratulieren. Während viele vom Adrenalin getrieben durch die Halle stürmen würden, erfüllt der sympathische Schweizer geduldig alle Wünsche.

Um ihn herum bricht die Hölle los. „Die Geschichte der letzten Minuten kann man sich nicht ausdenken“, sagt Trainer Jörg Lützelberger, an dessen Mannschaft zwei Minuten vor Schluss beim Stand von 27:34 kaum mehr jemand geglaubt hat.

Lange Zeit flattern die Nerven

Mit Ausnahme des finalen Treffers steht die Partie im Zeichen des großen Nervenflatterns. Verworfene Siebenmeter, Würfe neben das leere Tor, Pässe ins Seitenaus – alle Souveränität dieser Runde ist dahin. „Zwei Minuten vor Schluss dachte ich, jetzt könnte es richtig eng werden“, sagt auch der Sportliche Leiter Andre Melchert, „ich habe aber gelernt, dass bei dieser Mannschaft in dieser Saison jeder 60 Minuten lang an sich glaubt.“ Rückraumspieler Fynn Beckmann ergänzt: „Diese Saison hat es uns ausgezeichnet, dass wir nie in Panik geraten sind.“

Bevor Bornhauser zum Siebenmeter geht, kreuzen sich die Wege der beiden. „Ich lache ihn an. Tim lacht nur zurück“, erinnert Beckmann sich an den Moment, „da habe ich in seinen Augen gesehen: Der macht den!“ Tim Bornhauser, der Mann mit den Nerven aus Stahl, der Kapitän und Anführer, der Spielmacher, dem ausnahmslos alle diesen triumphalen Abschied gönnen.

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„Tim war auch schon vor dieser Saison ein toller Kapitän“, sagt Trainer Lützelberger, „wie er die Mannschaft durch diese Saison und diese Endspiele gebracht hat, war noch mal ein anderes Level. Er ist ein Vorbild an Leadership. Er hat das so was von verdient.“

Besser könne ein Spieler nicht aufhören, meint Andre Melchert. Ähnlich sieht es Fynn Beckmann. Er strahlt in seinem gelben T-Shirt, auf dem steht: „2. Liga, Konstanz ist dabei“.

„Mehr geht nicht“

„Mehr geht nicht“, sagt er an Kapitän Bornhauser gerichtet: „An seiner Stelle würde ich nie mehr einen Ball in die Hand nehmen.“ Nach diesem Karriere-Ende, fast zu schön, um wahr zu sein.

HSG Konstanz: Wolf (1), Grabenstein (Tor); Stotz (2), Czako (5), Michelberger, Hild (4), Mauch (2), Hadlich, Knipp, Beckmann (5), Bornhauser (6/4), Wendel, Schramm (1), Ingenpass, Köder, Knezevic (4). – Z: 1800.