Marcel Yahyaijan, vor der Saison haben sie Folgendes gesagt: „Wir werden hinter Stuttgart drei bis vier Mannschaften sehen, dann den großen Rest.“ Wie konnten Sie sich so täuschen?
(lacht) Ich habe mich nur zur Hälfte getäuscht, mit Freiberg und Stuttgart hatte ich recht. Dass es dahinter so eng zugehen wird, damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Wenn man aber die Entwicklung auch in anderen Amateurligen und sogar im Profibereich anschaut, sind die aktuellen Tabellenstände überwiegend ausgeglichener.
Haben Sie einen Grund dafür ausgemacht?
Vom Gefühl her hat die Corona-Zeit mit den beiden Abbrüchen und den dadurch bedingten Pausen in den Amateurligen wahrscheinliche eine entscheidende Rolle gespielt. Manche Vereine haben vielleicht besser gearbeitet, die anderen eventuell nicht so gut. Es ist aber nur eine reine Vermutung, eine wirkliche Erklärung dafür habe ich auch nicht. Nehmen wir als Beispiele unsere Ligakonkurrenten aus Backnang oder die Reserve von Walldorf. Beide steckten in der vergangenen Saison eher im Keller fest, inzwischen spielen sie aber eine gute Rolle.
Wann setzte bei Ihnen die veränderte Einschätzung ein, indem Sie nicht mehr von einer engen, sondern einer verrückten Oberliga sprachen?
Das fing schon am ersten Spieltag mit der Heimniederlage der Stuttgarter Kickers gegen Astoria Walldorf an und setzte sich dann jeder Woche fort, weil es immer wieder überraschende Ergebnisse gab. Das beweist, dass die Oberliga enorm an Qualität in der Breite gewonnen hat.
Nun ruht der Ball. Wurde es vom Verband vor dem vergangenen Wochenende tatsächlich zunächst den Vereinen überlassen, ob sie weiterspielen oder in die Winterpause gehen wollen?
Das ist nur zur Hälfte richtig. In Südbaden wurde die Saison bereits früher unterbrochen, da kam auch bei den Mannschaften aus der Oberliga diese Frage auf. Am Donnerstag kam die Info vom Verband, dass man grundsätzlich nicht in die Winterpause wolle, die Vereine sich aber abstimmen können, ob sie eine Spielverlegung ins neue Jahr beantragen. Dann kamen die verschärften Maßnahmen in Baden-Württemberg, womit alle Teams gezwungenermaßen in die Winterpause mussten.
Rechnen Sie mit einer Fortsetzung der Saison im kommenden Frühjahr?
Davon gehe ich aus, wahrscheinlich aber unter 2G-Bedingungen.
Wie bewerten Sie den ersten Teil aus Villinger Sicht?
Insgesamt bewerte ich ihn als gut. Im Detail hatten wir einen sehr guten Start mit den Siegen in Bissingen und gegen Göppingen. Von Anfang an hatte ich intern darauf hingewiesen, dass aufgrund der zahlreichen Highlights wie dem SBFV-Pokalsieg im Juni, dem DFB-Pokalspiel gegen Schalke 04 und dem guten Saisonstart im August mit den vielen englischen Wochen, dass im Herbst ein kleiner Einbruch folgen könnte. Diesen haben wir aus meiner Sicht verhindern können. Wir hatten zwar schwankende Leistungen in dem Zeitraum, aber wir haben nie zwei Spiele in Folge verloren.
Welche Spiele bleiben Ihnen in Erinnerung – positiv wie negativ?
Positiv auf jeden Fall das erste Spiel in Bissingen und das letzte in Pforzheim. In diesen Spielen haben wir gegen zwei Top-Mannschaften der Liga verdiente Auswärtssiege feiern können. Negativ war die Heimspielniederlage gegen die Sportfreunde Dorfmerkingen. So dürfen wir in einem Heimspiel nicht auftreten. Auch die erste Halbzeit in Rielasingen war eines Derbys nicht würdig, wobei wir uns in der zweiten Halbzeit gefangen und das Spiel dominiert haben. Leider hat es nur zum Anschlusstreffer gereicht.
Haben Sie bewusst den Auftritt in Ilshofen außen vor gelassen?
Der ist aus meiner Sicht anders zu bewerten. Da haben einige Spieler ihr Leistungsniveau einfach nicht abrufen können. In der engen Oberliga ist es dieses Jahr schwer, ein Spiel zu gewinnen, wenn drei oder vier Spieler eine schwache Leistung bringen. Aber solche Spiele gibt es im Laufe einer Saison immer wieder, nur sollten diese eine Seltenheit bleiben.
Warum tat sich Villingen gerade gegen die vermeintlich kleinen Teams so schwer?
Dafür gab es mehrere Gründe. Obwohl ich als Trainer immer davor gewarnt hatte, wurden manche Mannschaften von einigen Spielern unterschätzt. Wir müssen uns aber zukünftig, unabhängig vom Gegner, noch stärker auf unsere eigene Leistung konzentrieren. Wenn wir diese Herangehensweise verinnerlichen, werden wir auch den nächsten Schritt in unserer Entwicklung machen. Positiv ist, dass wir klare Fortschritte im Vergleich zur vergangen Saison gemacht haben. Trotzdem ist noch Luft nach oben da.
Villingen hat aber auch nur sieben Punkte Abstand zu einem möglichen Abstiegsplatz. Beschäftigen Sie sich überhaupt mit diesem Thema?
Es wäre fahrlässig, nicht nach unten zu schauen. Trotzdem richten wir den Blick mehr nach oben, zumal ich in der Zwischenzeit nicht mehr von sieben Absteigern ausgehe.
Mit Bruchsal wurde das Heimrecht getauscht, warum?
Weil man am 19. Februar in Bruchsal wahrscheinlich spielen kann. In Villingen wäre dies aufgrund unserer Witterungsverhältnisse eher unrealistisch. Zudem ist nun unser letzter Spieltag im Juni ein Heimspiel, was ich gut finde.
Wie geht beim FC 08 Villingen der Trainingsbetrieb weiter?
Wir werden am 11. Januar in das Vorbereitungstraining einsteigen und am 22. Januar das erste Testspiel bestreiten. Diesen Zeitplan mussten wir aufgrund des Spiels in Bruchsal etwas nach vorne verlagern.
Ist jetzt wieder mehr der Sportdirektor Marcel Yahyaijan gefragt?
Definitiv, das switcht ganz schnell. Wir führen derzeit Einzelgespräche mit allen Spielern, da füllt sich der Terminkalender. Es geht nicht nur um die Oberliga, sondern um den gesamten Verein. Stand jetzt wird uns aber kein Spieler verlassen.
Die Rückkehr von Tevfik Ceylan steht bereits fest. Wird es weitere Neuverpflichtungen geben?
Das könnte passieren. Speziell auf der Sechs suchen wir noch einen defensiven Mittfeldspieler, vielleicht auch noch einen weiteren Stürmer.