Als der Montagmorgen anbricht, ist nur ein verkohltes Holzskelett übrig. Am Schweizer Bodenseeufer in Rorschach ist die beliebte, 100 Jahre alte Badhütte abgebrannt. Gegen 3:30 Uhr in der Nacht auf Montag meldeten mehrere Personen der Feuerwehr einen Brand. Knapp 100 Einsatzkräfte der Feuerwehren Rorschach und Rorschacherberg waren vor Ort und konnten die Flammen bis auf wenige Glutnester unter Kontrolle bringen.
Irreparable Schäden
Auch nach stundenlangen Löscharbeiten konnten die Einsatzkräfte nach Sonnenaufgang nur die totale Zerstörung feststellen. „Die Badhütte hat einen Totalschaden erlitten und ist nicht mehr zu retten. Es finden nur noch Abrissarbeiten statt“, erklärt Florian Schneider von der Kantonspolizei St. Gallen. Nach ersten Erkenntnissen wurde niemand verletzt.
Die Anlage war wegen einer Dachsanierung zuletzt mit einem Gerüst versehen. Die Badhütte hätte zum 100. Geburtstag aufgehübscht werden sollen, doch die Dachsanierung nach dem Saisonende im Herbst 2023 konnte nicht realisiert werden. Vom November 2024 bis April 2025 sollte das Dach der Rorschacher Badhütte erneuert werden, zudem waren kleinere Sanierungen geplant. Einen Zusammenhang zwischen den Bauarbeiten und dem Brand stellt die Polizei zum aktuellen Zeitpunkt nicht her.
Unbekannte Brandursache
Nach der Brandursache wird nun also gesucht. „Das Kompetenzzentrum Forensik der Kantonspolizei St. Gallen wurde von der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen mit der Brandursachenermittlung betraut“, so die Polizei weiter. Die Anlage mit Umziehkabinen und Liegestegen steht auf Stelzen im Wasser. „Mit etwas Glück können diese Stelzen für einen Wiederaufbau erhalten werden“, sagt Florian Schneider.
Wie der Polizeisprecher weiter ausführt, werde auch in den kommenden Tagen weiter an der Ermittlung der Brandursache gearbeitet. „Es ist noch zu gefährlich ins Innere der Hütte zu gehen. Die Stabilität war schon seit Beginn des Einsatzes ein Thema.“ Rund um die Badhütte werde vorsorglich eine Ölsperre eingerichtet.
Ein Wahrzeichen verloren
Die Badhütte, erbaut im Jahr 1924, war die älteste Badeanstalt dieser Art in der Schweiz. Sie war nicht nur ein Ort zum Baden, sondern auch ein Treffpunkt und Veranstaltungsort. Ihr einzigartiger Baustil und die Lage direkt im Bodensee machten sie zu einem beliebten Ziel für Einheimische und Touristen.
Stadtpräsident plädiert für den Wiederaufbau
Rorschachs Stadtpräsident (vergleichbar mit dem deutschen Bürgermeister) Robert Raths spricht von einer „Katastrophe“. Der Brand des 100 Jahre alten Gebäudes habe ihn zutiefst erschüttert. Raths wurde zeitgleich mit der Feuerwehr alarmiert und machte sich sofort auf den Weg zum Brandort. Dort musste er mit ansehen, wie die Holzkonstruktion in Flammen stand und schließlich einstürzte.
Der Stadtpräsident ist überzeugt, dass die Badhütte unbedingt wieder aufgebaut werden sollte. Sie habe für Rorschach eine ebenso große Bedeutung wie die Kapellbrücke für Luzern.
Anwohner haben Tränen in den Augen
Ähnlich entsetzt wie Stadtpräsident zeigt sich die Bevölkerung: Tanja Alismeno, die in Rorschach aufgewachsen ist und im Winter die temporäre Eisbahn beim Pavillon am See führt, weint. „Ich bin fassungslos und sprachlos“, sagt sie. Sie habe viele Erinnerungen an die Badhütte. Generationen hätten sich hier getroffen. Irgendjemand, den man gekannt habe, sei immer hier gewesen.
Hilde Dür wohnt seit 48 Jahren unweit der Brandruine. Die 86-Jährige kann nicht schwimmen, aber sie habe oft im Restaurant der Badhütte gesessen. 48 Jahre lang habe sie täglich von ihrer Wohnung auf die Badhütte geschaut. Auch Dür hat Tränen an diesem Montag in den Augen.
Autor Richard Lehner hatte ein schlechtes Bauchgefühl
Der Rorschacher Autor Richard Lehner, der zwei Publikationen zur Badhütte herausgegeben hat, ist fassungslos. Er wolle niemanden eine Schuld zuweisen, doch bei einem Eingriff in ein derart altes Gebäude, bestehe immer die Gefahr, dass etwas passieren könne, leider habe ihn sein Bauchgefühl diesbezüglich nicht betrogen.
„Ich weiß, was die Badhütte nicht nur mir, sondern ganz vielen Leuten bedeutet. Die Seebadeanstalt wie sie gewesen ist, wird es nie mehr geben. Natürlich würde ich mich freuen, wenn sie wieder aufgebaut würde, doch das wird dennoch nicht mehr dasselbe sein“, sagt er und ergänzt, „wir hatten sie während 100 Jahren und ich hätte sie gerne noch viele Jahre gehabt.“
Polizei sucht Zeugen
Zur Ermittlung der Brandursache sucht die Kantonspolizei St. Gallen Personen, die Angaben zum Brand machen können – insbesondere in einer frühen Phase. Diese werden gebeten, sich beim Polizeistützpunkt Thal unter der Nummer +41 58-229-80-00 zu melden.
Daniel Wirth und Rudolf Hirtl schreiben für das St. Galler Tagblatt.