Martin Ebner

„O du unsere Landesregierung – bitt‘ für uns … du Born der Borniertheit … du Gönnerin von Trachtenkapellen …“: Mit dieser „Litanei“ wurde der Künstler Reinhold Luger in Vorarlberg legendär. Inspiriert vom Woodstock-Festival hatte er 1971 ein Open-Air auf der Neuburg bei Götzis organisiert.

Die Bregenzer Landesregierung aber war gegen langhaarige Musiker: Sie stellte die Ruine unter Naturschutz. Aufgebrachte Jugendliche verbrannten darauf bei der Autobahnbaustelle dort einen Sarg.

Haltestellen in Lugers Leben

Das symbolische Begräbnis war damals der Auftakt einer breiten Protestbewegung. An das Verbot des Flint-Festivals erinnert die erste Station einer Ausstellung im Vorarlberger Landesmuseum in Bregenz, die „wichtige Haltestellen im Leben von Reinhold Luger“ zeigt. Der Grafiker hat seine Arbeiten unlängst der Landesbibliothek in Bregenz vermacht: kulturgeschichtliche Souvenirs der vergangenen 50 Jahre.

Luger wurde 1941 im Montafon geboren. Nach dem Grafik-Studium in Wien kehrte er 1967 nach Dornbirn zurück und wollte im katholisch-konservativen Vorarlberg die „seltsame Friedhofsruhe“ aufmischen: Ob Schallplatten-Cover, Flugblätter, Buchumschläge oder Plakate – Luger illustrierte alles, was alternativ war.

Die Zeitschrift „SUBr“ wurde in Zürich gedruckt und über die Grenze geschmuggelt. Für autonome Jugendzentren engagierte sich Luger ebenso wie für das Kabarett „Wühlmäuse“, die Kleinkunstbühne „Spielboden“ oder die „Randspiele Bregenz“, eine Gegenveranstaltung zur Seebühnen-Oper.

Nächster Halt: Hochkultur. In einem Video erzählt Luger, wie er 1983 Alfred Wopmann, dem neuen Intendanten der Bregenzer Festspiele, seine „kleinen räudigen Plakate“ zeigte. Und prompt angeheuert wurde. 20 Jahre lang gestaltete Luger anschließend die Werbung für die Festspiele.

Dazu kamen Poster für Oper und Staatstheater in Stuttgart. Stile und Techniken variierte er dabei, seine Devise blieb jedoch immer gleich: „Ein Plakat muss knallen.“

Der Aufbruch führte ironischerweise auch zu Denkmalschutz-Aktionen. Luger renovierte ein Rheintalhaus in Dornbirn, eröffnete darin eine Galerie, warb mit Ausstellungen für den Erhalt historischer Bauten und verteilte Ratgeber zur „Althauserneuerung“. Mit Wahlplakaten unterstützte er die Offene Bürgerliste Dornbirn. In diesem Biotop hat Vorarlbergs heutige schwarz-grüne Koalition eine ihrer Wurzeln.

Als sich Dornbirn 1991 Stadtbusse und einen Busbahnhof zulegte, gewann Luger den Designwettbewerb: „Auf einmal habe ich mich nicht mehr nach schönen Frauen umgedreht, sondern nach Bussen.“ Fahrkarte, Linienplan, Uniform der Fahrer – Luger entwarf jedes Detail, nicht zuletzt den dynamischen Namen STADTBUS.

Die Innenausstattung sollte „angenehmen öffentlichen Raum“ bieten: Haltestangen aus Edelstahl, Teppichboden. Das Konzept wurde auf ganz Vorarlberg ausgeweitet, die eleganten Busse und Haltestellen sind nicht zu übersehen.

In der Folge verschönerte Luger auch deutsche Busse, zum Beispiel in Lindau, Friedrichshafen und Donaueschingen. Mit ihnen ist er jedoch nicht recht zufrieden, denn vor lauter Werbeaufklebern sei seine Gestaltung „nicht mehr zu erkennen“.

Vorarlberg dagegen kann sich stilvollen Nahverkehr leisten. Das liegt auch am Aufschwung von Unternehmen, für die Luger Logos kreierte. Am bekanntesten ist der Beschläge-Konzern Blum, der es in kurzer Zeit von der Hufschmiede zum größten Arbeitgeber der Region brachte.

Luger residiert nun in seinem Atelier in der historischen Hauptpost am Bregenzer Hafen. Zum Angebot zählt „Corporate Identity“ für Städte: knallrot für Dornbirn, blau für Bregenz, blaugrün für Hörbranz. Visitenkarten und Briefpapier für die Obrigkeit – viel staatstragender kann ein Grafiker kaum werden.

Vorarlberg habe sich aber auch sehr verändert, findet Luger heute: Zum Musikhören müsse die Jugend nicht mehr in die Schweiz fahren. Trotzdem hat der Designer gerade mal wieder ein rebellisches Plakat gezeichnet, für eine Veranstaltungsreihe in Feldkirch mit dem Titel: „Widerstehen. Über Mut, Courage und Protest.“

Die Ausstellung „Reinhold Luger. Grafische Provokation“ ist bis zum 13. April 2020 im Vorarlberg-Museum in Bregenz zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr. Weitere Informationen finden Sie hier.