10. Anicka Decker: „Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben“ (Dtv, 465 S., 23 Euro)

„Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben“
„Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben“ | Bild: DTV

Dieser mit hellwachem soziologischen Blick aus Berlin erzählte feministische Unterhaltungsroman übertreibt es mit seiner woken Aufgeschlossenheit für Themen wie MeToo, Age und Pay Gap, toxische Männlichkeit und Gentrifizierung zwar ein bissl. Aber ich habe mich gut amüsiert mit Sätzen wie: “Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich schon vor zwei Jahren die Batterien aus meinem Vibrator in die Fernbedienung des Fernsehers eingesetzt und seither keine nachgekauft.“

9. Carsten Henn: „Der Buchspazierer“ (Pendo, 240 S., 15 Euro)

„Der Buchspazierer“
„Der Buchspazierer“ | Bild: PIPER

„Viele Autorenkarrieren wurden darauf errichtet, dass man ihre Bücher verschenkte, obwohl sie nie gelesen wurden“, schreibt Carsten Henn in einem unerwarteten Moment der Selbsterkenntnis. Sein durch eine Verfilmung wieder auf die Bestsellerliste gespülter Roman handelt von einem betagten Buchhändler, der seine vor Bibliokitsch triefenden Lebensweisheiten in zähfädigen Dialogen mit einer Neunjährigen ausbreitet.

8. Rebecca Yarros: „Iron Flame: Flammengeküsst“ (Deutsch von Michelle Gyo und Michaela Kolodziejcok, Dtv, 957 S., Euro 28,80)

Wie hat sich Rebecca Yarros von einer Serienschreiberin ebenso ambitionsloser wie kitschiger Liebesromanzen in die erfolgreichste Autorin der Gegenwart verwandelt? Indem sie militaristische Softpornos über eine kleine Drachenreiterin schreibt, die sich in den größten Drachenreiter verliebt und am Ende vom größten Drachen erwählt wird, weil sie in Wahrheit eben doch die Größte ist. Sagen wir so: Das ist der größte Scheiß, den ich lange zwischen zwei Buchdeckeln gelesen habe.

7. Sebastian Fitzek: „Das Kalendermädchen“ (Droemer, 400 S., 25 Euro)

„Das Kalendermädchen“
„Das Kalendermädchen“ | Bild: Droemer

Ein Roman in Steinzeit-Prosa: „Valentina schnürte es die Kehle zu. Ihre Handinnenflächen wurden feucht. Angst flammte wie ein Kaminfeuer unter Zugluft in ihr auf.“ Ein Roman von Sebastian Fitzek zu lesen ist das Pendant zum Tragen von Jogginghosen – ein klares Indiz dafür, dass man die Kontrolle über sein Leben verloren hat, wie Karl Lagerfeld einst so treffend formulierte.

6. Cecy Robson: „Bloodguard“ (Deutsch von Julian Müller, Piper, 607 S., 24 Euro)

„Bloodguard“
„Bloodguard“ | Bild: PIPER

„Gladiator“ trifft „Game of Thrones“ trifft „Tribute von Panem“: Ergebnis ist ein synthetischer Fantasyschmöker, fad, phantasielos und steril, mit dem Nährwert literarischer Zuckerwatte.

5. Daniel Glattauer: „In einem Zug“ (Dumont, 208 S., 23 Euro)

„In einem Zug“
„In einem Zug“ | Bild: dumont

Daniel Glattauer ist das Kunststück gelungen, in der Schilderung eines Gesprächs zwischen einer Psychotherapeutin und einem Schriftsteller in einem Zug von Wien nach München einen blitzgescheiten Roman zu schreiben über zwei der schwierigsten Themen überhaupt: die Liebe und das Schreiben.

4. Joachim Meyerhoff: „Man kann auch in die Höhe fallen“ (Kiepenheuer & Witsch, 386 S., 26 Euro)

„Man kann auch in die Höhe fallen“
„Man kann auch in die Höhe fallen“ | Bild: KiWi

Nun ist Joachim Meyerhoffs Mutter an der Reihe, in seinem autobiographischen Romanreigen ein Denkmal gesetzt zu bekommen. Und Meyerhoff macht das grandios, bekennt eigene Schwächen, vor allem aber lässt er diese selbstbestimmte Frau mit der rasanten Fahrweise, die über Matsch wandeln kann, wo andere einsinken, so lebendig werden, dass man sie persönlich zu kennen glaubt.

„Jeden Tag werde ich ein wenig froher“, lässt er seine Mutter sagen. Und genau diesen Effekt löst auch dieses geistreiche Buch in seinen Lesern aus: es macht froh.

3. Bela B Felsenheimer: „Fun“ (Heyne, 367 S., 24 Euro)

„Fun“
„Fun“ | Bild: Heyne

Metoo, Machtmissbrauch, schwanzgesteuerte Rockmusiker: selten habe ich mich bei der Lektüre so gelangweilt wie bei diesem gründlich misslungenen Versuch, der Rammstein-Affäre Literatur abzutrotzen.

2. Wolf Haas: „Wackelkontakt“ (Hanser, 239 S., 25 Euro)

„Wackelkontakt“
„Wackelkontakt“ | Bild: PIPER

Ein Roman wie ein geniales Puzzlespiel mit dem Motiv von M.C. Eschers sich gegenseitig zeichnenden Händen. Wie immer bei Haas meisterhaft konstruiert, extrem unterhaltsam und voller dem Alltag abgelauschter Sprachpointen, die noch lange nach der Lektüre in einem nachhallen, Sätze wie: „Dass du so nachtragend bist, das vergess ich dir nie.“

1. Rebecca Yarros: „Onyx Storm“ (Deutsch von Michelle Gyo und Julia Schwenk, Dtv, 923 S., 32 Euro)

„Onyx Storm“
„Onyx Storm“ | Bild: DTV

Dieser Roman handelt von Drachen und Greifen und ihren Reitern, von der Suche nach einer siebten Drachenrasse, und nicht zuletzt von Gewalt und Sex, beschrieben in dieser Prosa: „Seine Finger fahren unten durch meinen Zopf, dann hebt er mein Kinn an und findet diesen perfekten Winkel, sodass ich unwillkürlich wimmere.“

Oder: „Mir entkommt ein Wimmern, als ich gegen die Anspannung ankämpfe, gegen die Welle, die auf mich zurollt und der ich nicht ausweichen kann.“

Oder: „Er schließt die Lippen um meine Brustwarze und entlockt mir mit der hauchdünnen Seide und seinen Zähnen ein Wimmern.“

Dieser Roman hat sich in der ersten Woche nach Erscheinen besser verkauft als alle seit dem 7. Band von „Harry Potter“. Das ist wirklich zum Wimmern!