Herr Wolfsperger, freuen Sie sich schon auf den Tag, an dem Sie als künstlerischer Leiter der Filmfestspiele Biberach ihren neuen Film vorstellen werden?
Das wird nicht passieren. Für meine Filme ist das Festival ab sofort tabu.
Auch nicht außer Konkurrenz?
Nein, definitiv nicht, das hätte einen sehr faden Beigeschmack.
Was sind die Aufgaben eines künstlerischen Leiters?
Er stellt ein hoffentlich anständiges Programm zusammen. Dabei lasse ich mich natürlich auch von meinen persönlichen Vorlieben leiten. Ich bevorzuge gesellschaftspolitisch relevante Filme, die sich trotz ihrer schweren Themen durch eine gewisse Leichtigkeit und eine interessante Machart auszeichnen.
Nach solchen Produktionen werde ich in den nächsten Monaten Ausschau halten, vorausgesetzt, sie hatten noch keine reguläre Kinoauswertung und sind noch nicht im Fernsehen gelaufen. Außerdem gehört es zur Tradition der Biberacher Filmfestspiele, dass sich die Macherinnen und Macher mit dem Publikum austauschen, daran wird sich natürlich nichts ändern.
Gibt es Akzente, die Sie setzen wollen?
Ich will das Festival nicht umkrempeln, aber ein bisschen Innovation kann sicher nicht schaden. Außerdem werde ich mein Engagement nicht nur auf die fünf Festspieltage beschränken. Kino soll in Biberach das ganze Jahr hindurch ein Fest sein.
Natürlich stammen nicht alle der einige tausend Besucher aus der direkten Umgebung, die Strahlkraft der Veranstaltung reicht ja bis in die Bodenseeregion; aber die Zahl zeigt, wie groß das Bedürfnis nach Filmkunst ist. Viele Regisseure gehen mit ihren Filmen auf „Kinotour“, die sollen in Zukunft auch unterm Jahr nach Biberach kommen.
Zu den Preisen, die in Biberach vergeben werden, gehört auch der „Schülerbiber“. Wie hält‘s die Jugend mit der Filmkunst?
Ich erinnere mich gut an eine Vorführung meines Films „Wiedersehen mit Brundibar“ in Ravensburg, zu der die Schüler eigens mit dem Bus angereist sind, um mit mir zu diskutieren. Die Jugendarbeit wird daher ein wesentlicher Punkt für mich sein. Ich werde mich dafür einsetzen, dass künstlerisch wertvolle Filme für die Altersgruppe unter dreißig nicht nur fester Bestandteil des Festivalprogramms sind, sondern das ganze Jahr hindurch gezeigt werden.

Bei Ihrem Vorgänger waren die Festspiele eine One-Man-Show, Festivalgründer Adrian Kutter hat sogar die Anreise der Gäste organisiert. Werden Sie das auch übernehmen?
Ich betrachte das Festival ähnlich wie Dreharbeiten: Einer trägt die Verantwortung, aber der Rest ist Teamarbeit. In den letzten Jahren hat es einige Querelen zwischen Vorstand und Intendanz gegeben, das ist nun vorbei, weil sich der Vorstand komplett neu formiert hat; sonst hätte ich mich auch nicht auf die Aufgabe eingelassen.
Hier ist jetzt ein hochmotiviertes Team von Biberacher Ehrenamtlichen am Werk, ich spüre viel frischen Wind. Ich selbst werde mich ausschließlich aufs Programm konzentrieren. Für alles andere hätte ich gar keine Zeit, ich bin wie auch weiterhin in erster Linie Filmemacher.
Woran arbeiten Sie aktuell?
Ich stelle gerade einen in Koproduktion mit dem SWR entstandenen Kinofilm mit dem Arbeitstitel „Sie, Er, Ich“ über Transmenschen in Oberschwaben fertig. Darin geht es um Personen, die eine Geschlechtsangleichung hinter sich haben, darunter zwei ehemalige Männer aus Friedrichshafen, die jetzt als lesbisches Paar zusammenleben, sowie ein Transmann, also eine frühere Frau, aus Bad Waldsee. Alle erzählen sehr sympathisch von ihren Erfahrungen, die zum Teil leidvoll waren, seitdem sie nicht mehr zu der Mehrheitsgesellschaft gehören, in der sie aufgewachsen sind.
Kutter hat sich im Zwist aus Biberach verabschiedet und gemeinsam mit seiner Frau ein „Gegenfestival“ in Ravensburg gegründet, die Filmtage Oberschwaben. Ist Ihr früherer Förderer jetzt also Ihr Konkurrent?
Adrian hat mein filmisches Schaffen und damit auch meinen Lebensweg erheblich beeinflusst, weil er mir die Möglichkeit gegeben hat, meine Fernsehdokumentationen bei den Festspielen vorzustellen. Ohne Biberach hätte es einen Film wie „Bellaria – So lange wir leben!“ nie gegeben. Ich habe ihm also viel zu verdanken und ohnehin großen Respekt vor seiner Lebensleistung.
Aber ist es nicht absurd, innerhalb weniger Wochen gleich zwei Filmfestivals im Umkreis von 50 Kilometern zu veranstalten?
Ich sehe das in erster Linie als Bereicherung für die Region. Ich wünsche mir einen freundlichen kreativen Austausch und kann mir auch eine Kooperation gut vorstellen. Das Ehepaar hat Biberach zwar im Groll verlassen, aber das hat ja nichts mit mir zu tun.
Die beiden Festivals werden aber um die gleichen Filme buhlen.
Das wird sich nicht vermeiden lassen, die Anzahl anspruchsvoller deutscher Produktionen ist begrenzt. Für mich wäre aber es kein Problem, wenn ein Film erst in Ravensburg und dann bei uns läuft.