Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991, „Homo Faber“) notierte einst Fragen, die auch den klügsten Kopf in Verlegenheit bringen. Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp-Verlags, in dem der Fragebogen erschienen ist, lassen wir regelmäßig prominente Persönlichkeiten auf einige der Fragen antworten. Heute ist der Romanist Hans Ulrich Gumbrecht an der Reihe.
Möchten Sie das absolute Gedächtnis?
Höchstens als Schutz vor der Demenz- und Alzheimer-Furcht, die angesichts von Familien-Vorgeschichten jenseits der siebzig einsetzen kann.
Wie viel Geld möchten Sie besitzen?
Genug, um nie mehr drüber nachdenken zu müssen.
Was tun Sie für Geld nicht?
Verweigere die Antwort, weil diese Frage zum moralisieren einlädt – was ich für die groteske Berufskrankheit der Geisteswissenschaftler (und ein neu-deutsches National-Laster) ansehe.
Was gefällt Ihnen am Neuen Testament?
Dass es in der christlichen Tradition mit dem sogenannten „Alten Testament“ verbunden ist, dem literarisch viel besseren Text.
Tun Ihnen die Frauen leid?
Eher wäre ich ab und an gern eine Frau.
Was bezeichnen Sie als männlich?
Kanten haben.
Können Sie sich eine Frauenwelt vorstellen?
Monochrom ist nicht mein Fall.
Wissen Sie in der Regel, was Sie hoffen? Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?
Im Prinzip weiß ich nie so genau, was ich hoffe. Immerhin wollte ich als einer der ganz großen Denker erinnert werden, in der Liga von Aristoteles, Teresa de Ávila, Kant, Wittgenstein. Schon heute weiß ich, dass dies nicht gelungen ist – und ich sehe es als scheitern an.
Können Sie ohne Hoffnung denken?
Hoffnungen stören eher beim Denken.
Hoffen Sie auf ein Jenseits?
Es geht mir ohne besser.
Welche Probleme löst eine gute Ehe?
Kein Problem-Lösungs-Institut, sondern die Schönheit dauernder Intensität.
Was ertragen Sie nur mit Humor?
Halte es für unerträglich selbstgefällig, vom eigenen „Humor“ zu reden. Anglo-amerikanisches National-Laster.
Können Sie sich eine menschliche Existenz (das heißt: die Erste Welt) überhaupt noch vorstellen ohne Computer?
Kann mich bequem und manchmal nostalgisch dran erinnern. Das ist uns halt zugestoßen – wie fast alle Technologie-Innovationen.
Wenn es Ihnen um die Erfindung eines Gerätes geht, das öffentliche Lügen unmöglich macht: wen können Sie sich als Geldgeber für Ihre kühne Forschung denken?
Donald Trump, falls der nicht schon pleite ist. Denn nur ihm traue ich die Naivität zu, sich permanent auf der Seite der Wahrheit zu sehen.
Haben Sie schon Auswanderung erwogen?
Bin schon einmal zur vollen Zufriedenheit ausgewandert. Kein weiterer Bedarf.
Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht, wir erklären Sie es sich, dass es dazu nie gekommen ist?
I always end up liking people (typical gemini).
Haben Sie Angst vor dem Tod und seit welchem Lebensjahr?
Heidegger hat recht: Wer sich den Gedanken an den eigenen Tod zumutet, kann der Angst nicht entkommen – altersunabhängig. Aber lässt sich Gelassenheit antrainieren.