Lange Zeit war in der Schweiz von politischer Seite kaum Widerstand gegen die Grenzschließungen zu vernehmen. Das hat sich am Mittwoch geändert: Im Nationalrat, der großen Kammer des Schweizer Parlaments, drängten mehrere Politiker aus der Nord- und Ostschweiz, deren Kantone an Deutschland und Österreich angrenzen, auf eine schnellere Öffnung.
Zur Diskussion war es gekommen, nachdem die Außenpolitische Kommission des Nationalrats einen Antrag zu Abstimmung eingebracht hatte, der vom Bundesrat, der Schweizer Regierung, verlangt, klarzustellen, wann und wie er die Grenzen zu den Nachbarländern wieder öffnen will.

So kritisierte beispielsweise der Thurgauer Nationalrat Christian Lohr (Christlichdemokratische Volkspartei, CVP) den Grenzzaun zwischen Kreuzlingen und Konstanz scharf: „Wir wehren uns dagegen, dass diese Situation weiter aufrechterhalten wird.“
Und der St. Galler Grünliberale Thomas Brunner fragte: „Ist es nicht nur denkbar, sondern auch konkret vorgesehen, dass man an den unproblematischen Grenzen zu Deutschland und Österreich zügiger vorwärts macht?“
So sieht der derzeitige Fahrplan zur schrittweisen Grenzöffnung der Schweizer Regierung aus.
Grenze bleibt geschlossen, weil Deutschland mauert
Doch die zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, stellte klar: „Deutschland ist im Moment nicht interessiert an Lockerungen der Grenzkontrollen zur Schweiz, weil wir auch eine gemeinsame Grenze mit Italien haben.“ Aus den nördlichen Nachbarländern habe es geheißen: „Gut, die Schweiz ist das eine, aber wir wollen keinen Transit von Italien, zum Beispiel nach Deutschland.“

„Eine einseitige Lockerung kommt für die Schweiz nicht infrage“
Die Schweizer Justizministerin betonte, dass sie in regem Austausch mit ihren deutschen und österreichischen Kollegen sei: „Wir alle wollen wieder eine gewisse Normalität. Aber wissen Sie, es nützt Ihnen nichts, wenn wir sagen, dass man jederzeit ausreisen kann, Sie dann aber in Deutschland nicht einreisen dürfen.“
Eine einseitige Lockerung der Grenzpolitik komme für die Schweiz zudem aus einem anderen Grund nicht infrage, so Keller-Sutter: „Zehn Prozent der Mobilität im gesamten Schengen-Raum ist aus und in die Schweiz. Wenn wir einseitig lockern würden, dann hätten wir einen großen Zustrom von Personen, den wir aufgrund der epidemiologischen Lage im Moment nicht möchten.“
Verhaltener Optimismus: Könnten Grenzen zu Südbaden doch früher öffnen?
Dennoch gab Keller-Sutter in ihrer Stellungnahme auch Grund für verhaltenen Optimismus: „Ich möchte hier keine Erwartungen schüren, die der Bundesrat dann nicht umsetzen kann, aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, dass man mindestens mit Österreich oder auch mit dem Süden von Deutschland punktuelle Lösungen findet.“
„In dieser Pandemie habe ich aber auch etwas gelernt: Was ich heute sage, ist morgen vielleicht nur zu 50 Prozent wahr und in zwei oder drei Wochen noch zu 25 Prozent oder überhaupt nicht mehr“, beschrieb die Justizministerin, wie schnell sich die politische Lage derzeit wieder ändern könne. „Es ist eine Frage der Zeit, aber ich hoffe auch, dass es punktuell zügiger gehen wird.“
Nationalkonservative Politiker wollen Grenzkontrollen aufrechterhalten
In der Parlamentsdebatte gab es aber auch Stimmen, die eine zu schnelle Lockerung bei der Grenzpolitik und die Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit ablehnten.
Namentlich Vertreter der Schweizerischen Volkspartei, SVP, äußerten Bedenken, ob offene Grenzen aus epidemiologischer Sicht vertretbar seien. Sie stemmten sich gegen eine Wiedereinführung der Personenfreizügigkeit und wollen die Grenzkontrollen auch künftig aufrechterhalten.