Die Grenzen sind zu. Und bleiben es noch bis mindestens Anfang Mai. Das Einreiseverbot für Ausländer, die keine Berufspendler sind oder einen festen Wohnsitz in Deutschland haben, hat besonders Paare und Familien schwer getroffen. Inzwischen hat die Schweiz ihre Regelungen gelockert und Ausnahmen gemacht, die eine Vorlage für Deutschland sein könnten. Doch bislang scheint sich im Bundesministerium nichts zu bewegen.

Eine Telefonschalte unter anderem mit dem Schweizer Botschafter und verschiedenen Vertretern des Bundesinnenministeriums, diesem Montag, ging nach Informationen des SÜDKURIER ergebnislos zu Ende. Ein Informant sagt dieser Zeitung, es habe lediglich eine Lagebesprechung gegeben, konkrete Fortschritte habe es aber nicht gegeben. Weitere Gespräche seien im Lauf der Woche geplant.

Am Dienstag meldet sich ein Sprecher des Ministeriums beim SÜDKURIER und weist darauf hin, dass es sich bei den Gesprächen lediglich um einen Austausch auf Arbeitsebene gehandelt habe. Vor dem 4. Mai werde man nicht über Lockerungen nachdenken und es gebe auch „keinerlei Überlegungen“, davon abzukehren.

Die an dieser Stelle zuvor genannte Mitarbeiterin des Bundesinnenministeriums hat der SÜDKURIER auf Bitten entfernt, weil die Referentin der Heimatabteilung mit Anfragen von Bürgern überhäuft worden sei, für Anliegen, die den Grenzübertritt betreffen, aber gar nicht zuständig sei.

Bundestagsabgeordnete drängen auf Lösungen

Dabei haben sich die CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung (Wahlkreis Konstanz), Felix Schreiner (Wahlkreis Waldshut-Tiengen) und Armin Schuster (Wahlkreis Lörrach-Müllheim) gleich zweimal an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gewandt. Das Schweizer Regime erfahre Flexibilisierungen, schreiben die drei CDU-Abgeordneten darin. Erst vergangene Woche hatte die Schweiz das Einreiseverbot überraschend gelockert und so Familien und Paaren zumindest teilweise ein Wiedersehen ermöglicht.

Der Ausnahmeregelung zufolge dürfen Menschen aus dem Ausland zur Betreuung von erkrankten oder betagten Familienangehörigen einreisen oder, um das Besuchsrecht des eigenen Kindes, das beim getrennt lebenden anderen Elternteil lebt, wahrzunehmen. Auch der Besuch der „Kernfamilie“ ist damit erlaubt – eingeschlossen sind darin allerdings nur Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und minderjährige Kinder, nicht aber Partnerschaften ohne Ehering oder amtliche Eintragung.

Besuchsrecht auch ohne Trauschein nötig

Auch hier pochen die Abgeordneten auf die „Notwendigkeit eines Besuchsrechts auch für Lebenspartner ohne Trauschein“. Denn, so präzisieren die CDU-Abgeordneten: „Für sie bedeutet die derzeitige Trennung dieselbe Härte wie für Ehepartner – und auch aus Gründen der Gesundheitsvorsorge ist offenkundig keine andere Behandlung geboten.“ Dem SÜDKURIER sagt Jung: „Was für die katholische Kirche relevant ist, ist es für das Virus nicht.“

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Auch die Grünen-Landtagssabgeordnete Nese Erikli (Kreis Konstanz) hat sich gemeinsam mit den Grünen-Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner (Kreis Lörrach) und Matthias Gastel haben sich in einem gemeinsamen Brief an den Bundesinnenminister gewandt. Sie bitten Seehofer, zu prüfen,“ob es für Familien, Freunde, Lebenspartner gegebenenfalls großzügigere Ausnahmeregelungen für den Grenzübertritt nach Deutschland beziehungsweise in die Schweiz geben könnte.“

Kein Schülertransfer möglich

Ähnlich lauten die Bitten der SPD-Bundestagsabgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (Wahlkreis Waldshut). Sie fordert „pragmatische Lösungen“ in der Grenzregion. „Wir leben in einer Grenzregion, in der die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht nur gefordert, sondern auch seit jeher auch gelebt wird“, betont sie.

Sie könne nicht nachvollziehen, warum nicht einmal ein „Schülertransport von Jestetten nach Singen direkt durch die Schweiz oder keine Nutzung gemeinsamer Gartenanlagen im Freien wie im Tägermoos-Gebiet im Konstanzer Grenzgebiet gestattet sind“, betont sie. Transitfahrten sind untersagt, direkte Bahnverbindungen gibt es nicht mehr. Eltern wären gezwungen, ihre Schüler, wenn die Schulen wieder öffnen, über 70 Kilometer über die deutsche Seite von Jestetten nach Singen zu bringen, wie ein Leser dem SÜDKURIER schreibt.

Grenzstädte wollen Augenmaß

Auch die Städte Konstanz und die Schweizer Nachbarstadt Kreuzlingen haben sich gemeinsam mit dem Landkreis Konstanz um eine Lösung bemüht. Sie fordern „Augenmaß“ an den Grenzübergängen. Doch die Anstrengungen des Konstanzer Oberbürgermeisters Uli Burchardt, des Landrats Zeno Danner und des Kreuzlinger Staatspräsidenten Thomas Niederberger blieben bislang vergebens.

Doch bislang bleiben die Regeln auf deutscher Seite unverändert. Am 15. April hatte der Bundesinnenminister entschieden, dass die Grenzen weiterhin nur für Berufspendler und den Warenverkehr geöffnet bleiben. Eine Ausnahme des Einreiseverbots ist nur aus „sonstigen triftigen Gründen“ möglich. Laut der Interpretation der Bundespolizei sind Besuchsreisen auch dann nicht gestattet, wenn es darum geht, das sorgeberechtigte Kind zu sehen.

Lediglich „sofern die Wahrnehmung des Sorgerechts erforderlich ist, damit die andere sorgeberechtigte Person berufstätig sein kann, ist die Einreise gestattet“, heißt es in den Angaben weiter. Eheleute oder Paare, die dies- und jenseits der Grenze wohnen, dürfen sich nicht sehen. Die Betreuung eines erkrankten Familienangehörigen ist nur dann möglich, wenn sie „ausschließlich durch einen Familienangehörigen zwingend erforderlich“ sei und keine ärztliche Betreuung gegeben sei.

Bundesinnenministerium verweist auf Notwendigkeit der Maßnahmen

Während die Schweiz Ausnahmen zulässt, ändert sich am Grenzregime der Bundesrepublik bislang nichts. Das Bundesinnenministerium veröffentlichte zuletzt keine Tweets oder Pressemitteilungen zu dem Thema. Auf Anfrage des SÜDKURIER sagt ein Sprecher des Ministeriums: „Das Schreiben (der drei CDU-Bundestagsabgeordneten, A.d.R.) ist hier bekannt.“ Grundsätzlich gelte aber: „Im Mittelpunkt der aktuellen Maßnahmen steht die Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus, etwa auch durch Unterbrechung der Infektionsketten aus dem Ausland nach Deutschland.“

Dass die ergriffenen Maßnahmen für viele Menschen „starke Einschränkungen mit sich bringen, ist der Bundesregierung und auch dem Bundesinnenminister sehr bewusst“, betont der Sprecher weiter: „Gleichwohl sind die Maßnahmen aktuell noch erforderlich, um bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie weiterhin erfolgreich zu sein.“

Eine Lösung für die Familien in der Grenzregion scheint damit nach wie vor nicht in Sichtweite.