Die Nachfrage nach Schiebetürenschränken aus Bad Saulgau ist hoch. Die Auftragsbücher sind voll und trotzdem muss der Möbelhersteller Martin Staud Kurzarbeit anmelden. Denn der Nachschub an dringend benötigten Spanplatten lässt auf sich warten. Viele Unternehmen aus der Möbelindustrie haben derzeit mit Lieferengpässen bei verschiedenen Materialien zu kämpfen. Für den Kunden bedeutet das längere Wartezeiten und am Ende auch höhere Preise.

Im Möbelwerk Martin Staud in Bad Saulgau werden Schiebetürenschränke gefertigt. Die Produktion hat wegen Lieferengpässen bei Spanplatten ...
Im Möbelwerk Martin Staud in Bad Saulgau werden Schiebetürenschränke gefertigt. Die Produktion hat wegen Lieferengpässen bei Spanplatten bereits stillstehen müssen – obwohl die Auftragsbücher gut gefüllt sind. | Bild: Martin Staud GmbH

„Wir bekommen nicht so viel Material, wie wir brauchen“, sagt Dirk Schmidtmeier aus der Geschäftsleitung von Martin Staud. Die Versorgung mit Rohspanplatten sei limitiert. „Es gibt bestimmte Kontingente, die wir bestellen können.“ Darüber hinaus ist nichts mehr möglich, auch wenn davon der reibungslose Ablauf der Produktion abhänge.

Möbelhersteller können Aufträge nicht abarbeiten

„Es ist eine sehr kritische Situation“, fasst Elmar Duffner, Präsident des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM) die Lage in der Branche zusammen. „Zwei Drittel der Unternehmen berichten von Versorgungsengpässen bei Spanplatten und anderen Holzwerkstoffen.“ Duffner bezieht sich damit auf eine Umfrage unter den Mitgliedern des Verbands. Viele könnten ihre Aufträge nicht abarbeiten. Das betreffe vor allem Hersteller von Küchen- und Wohnmöbeln.

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„Bis in den September kann es Versorgungsengpässe geben“, schätzt Duffner, der in Triberg aufgewachsen ist und in Konstanz lebt, die Lage ein. „Mir fehlt die Fantasie, wie das weitergeht“, schließt er an. Denn wenn die Möbelgeschäfte wieder öffnen dürfen, dann werde auch die Nachfrage weiter ansteigen.

„Ich weiß nicht, wie wir das abfedern sollen. Das kann man nicht schönreden.“Elmar Duffner, Präsident Verband der Deutschen ...
„Ich weiß nicht, wie wir das abfedern sollen. Das kann man nicht schönreden.“Elmar Duffner, Präsident Verband der Deutschen Möbelindustrie und Geschäftsführer der Vivonio-Möbelgruppe, zu der auch das Möbelwerk Martin Staud gehört | Bild: VDM/ Vivonio

Möbelbranche hofft, dass Konsumenten nach Lockdown kaufen

Dass die Konsumenten ihre aufgeschobenen Anschaffungen nachholen, darauf setzt die Branche. Durch den Lockdown haben die Deutschen laut Institut der deutschen Wirtschaft im Jahr 2020 geschätzte 147 Milliarden Euro weniger ausgegeben. Geld, dass sie in eine neue Küche oder neue Möbel investieren könnten, wenn der Einzelhandel wieder öffnen darf. „Der Verbraucher hat mehr Ausgaben für den Bereich Wohnen zur Verfügung“, schlussfolgert Duffner.

Kunden stehen lange Lieferzeiten bevor

Diese Aussicht lässt auch Schmidtmeier tief durchatmen. Die einzige Möglichkeit die erwarteten Aufträge abzuarbeiten sieht er in längeren Lieferzeiten. „Wir warten jetzt acht bis zwölf Wochen auf das Material“, sagt er. „Und hoffen, dass pünktlich geliefert wird.“ Üblich seien drei bis maximal sechs Wochen Lieferzeit gewesen.

„Ich bin seit 30 Jahren in der Möbelbranche und ich habe bislang noch keine Situation erlebt, in der der Rohstoffmarkt so ...
„Ich bin seit 30 Jahren in der Möbelbranche und ich habe bislang noch keine Situation erlebt, in der der Rohstoffmarkt so breitflächig betroffen ist.“Dirk Schmidtmeier, Geschäftsführer des Möbelwerks Martin Staud in Bad Saulgau | Bild: Martin Staud GmbH
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Preissteigerung bei allen Materialien in der Produktion

Erschwert wird die Situation, weil nicht nur Spanplatten knapp sind. „Ich bin seit 30 Jahren in der Möbelbranche und ich habe bislang noch keine Situation erlebt, in der der Rohstoffmarkt so breitflächig betroffen ist“, sagt Schmidtmeier. Metalle, Glas, Leim, alles schwieriger zu bekommen. Die Konsequenz: „Wir haben in fast allen Materialbereichen eine Preissteigerung zwischen 5 bis 15 Prozent. Es gibt kein Material, dass in den vergangenen Monaten nicht teurer geworden ist.“

Der Präsident des Möbelverbands Elmar Duffner kann das für die ganze Branche bestätigen. „Es gibt Engpässe bei den Rohmaterialien und deutliche Preissteigerungen.“ Man sei in intensiven Gesprächen mit den Betrieben, die Spanplatten produzieren. Doch die arbeiten schon mit drei Schichten an sieben Tagen die Woche. Derzeit wäre es möglich, mit der hohen Nachfrage innerhalb Europas ein bis zwei zusätzliche Spanplattenwerke auszulasten. Das schreibt der Wirtschaftsdienst Euwid in seiner Fachzeitschrift für die Holzbranche.

Um sechs Prozent haben sich Spanplatten im ersten Quartal 2020 verteuert. Eine ähnliche Preiserhöhung erwartet Dirk Schmidtbauer, ...
Um sechs Prozent haben sich Spanplatten im ersten Quartal 2020 verteuert. Eine ähnliche Preiserhöhung erwartet Dirk Schmidtbauer, Geschäftsführer des Möbelwerks Martin Staud, für das zweite Quartal. | Bild: Jens Büttner

Darum sind Spanplatten teuer und schwer zu bekommen

Schrankbauer Staud produziert mit rund 160 Mitarbeitern etwa 10.000 Möbelstücke im Monat, vor allem Schränke mit Schiebetüren. Wenn die Materialversorgung gesichert ist, ließe sich die Kapazität auch noch erhöhen, so Schmidtmeier. Noch sei die Auftragslage leicht unter dem Vor-Corona-Niveau. „Wir planen aber mit einem deutlichen Auftragszuwachs bei Öffnung der Geschäfte und gehen von einer deutlich besseren Situation aus, als es vor der Krise der Fall war.“

Möbelindustrie Möbelproduktion Martin Staud GmbH in Bad Saulgau.
Möbelindustrie Möbelproduktion Martin Staud GmbH in Bad Saulgau. | Bild: Martin Staud GmbH

Möbel werden teurer – Kosten werden an Kunden weitergegeben

Im ersten Quartal 2021 seien die Preise für Spanplatten um sechs Prozent gestiegen. Dem gingen bereits leichte Erhöhungen im Vorjahr voraus. Für das laufende Quartal rechnet Schmidtmeier auch mit einer durchschnittlichen Preiserhöhung von sechs Prozent. Dem Unternehmen bleibt nicht anderes übrig als die höheren Materialkosten an den Kunden weiterzugeben und die Preise anzuheben. Das werde nicht von heute auf morgen geschehen, so Schmidtmeier aber nach Absprache mit den Abnehmern, den Möbelhäusern, auf die Kunden zukommen.

Davon geht auch Günter Dick aus. Der Geschäftsführer der Dick-Stumpp-Gruppe mit Möbelhäusern unter anderem in Lauchringen und Stockach sagt, einzelne Hersteller hätten für die kommenden Monate bereits Preiserhöhungen angekündigt. Diese könne er nicht abfangen und werde sie an die Kunden weitergeben müssen. Denn wegen der Corona-Pandemie sind die Geschäfte seit fast fünf Monaten geschlossen – mit wenigen Ausnahmen. „Das kann der Einzelhandel nicht auch noch schultern.“

„Das kann der Einzelhandel nicht auch noch schultern.“Günter Dick, Geschäftsführer der Dick-Stumpp-Gruppe, zum Preisanstieg ...
„Das kann der Einzelhandel nicht auch noch schultern.“Günter Dick, Geschäftsführer der Dick-Stumpp-Gruppe, zum Preisanstieg bei den Rohstoffen. | Bild: Möbel Dick

Produkte aus Asien teurer wegen fehlender Container

Auch Schaumstoffe, Stoffe und Lederwaren seien schwerer zu bekommen. Im Einkauf von Möbeln haben die Preise bei einigen Lieferanten um drei bis acht Prozent angezogen, in Einzelfällen auch über zehn Prozent, sagt Unternehmer Günter Dick. Hinzukommen längere Lieferzeiten, da beispielsweise wichtige Elektronikteile für die Fertigung bei Polstermöbeln fehlen. Die Motoren, die Rückenlehnen automatisch verstellen, kommen meist aus Asien.

Und Produkte aus Asien, egal ob Teile für die Fertigung oder fertige Möbel, sind durch hohe Frachtkosten und fehlende Container auch im Preis gestiegen. „Bei konventionellen Möbeln kommt ein Großteil der Produkte aus Europa, bei Gartenmöbeln zum Beispiel sind jedoch über 90 Prozent der Waren aus Asien“, sagt Günter Dick. Auch bei diesen Produkten werde er die zusätzlichen Kosten weitergeben müssen.

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Wie beim Toilettenpapier: Möbelhersteller versuchen Lager zu schaffen

In der deutschen Möbelfertigung versuchen sich derweil die Hersteller anders zu helfen und eigene Lager aufzubauen. „Das ist der Toilettenpapiereffekt“, beschreibt Schmidtmeier das Schaffen eines Sicherheitsbestandes, um die Produktion zu sichern. Das treibe die Nachfrage noch weiter nach oben. „Aber wir haben schon Schwierigkeiten, die Versorgung für die aktuellen Aufträge zu sichern“, sagt er. Staud habe keine großen Lager und komme auch derzeit nicht an den Punkt, eines aufzubauen.

„Bislang konnten wir weitestgehend Stillstand vermeiden.“Michael Spadinger, Geschäftsführer der Neuen Alno GmbH
„Bislang konnten wir weitestgehend Stillstand vermeiden.“Michael Spadinger, Geschäftsführer der Neuen Alno GmbH | Bild: Iris Ulmer-Leibfritz

Neue Alno produziert weiter und geht von Preiserhöhungen aus

Anders bei Küchenmöbelhersteller Neue Alno in Pfullendorf. „Wir haben bereits in 2019 begonnen die komplette Wertschöpfung ins Unternehmen zu holen“, teilt Geschäftsführer Michael Spadinger mit. Die Neue Alno habe in ein Lager investiert und halte die nötigen Materialien vor. „Dadurch bleiben wir trotz steigender Lieferzeiten bei den Rohmaterialien lieferfähig.“

Die Fronten der Schränke würden komplett im Werk gefertigt und nur bei größeren Aufträgen zugekauft. „Bislang konnten wir so weitestgehend Stillstand vermeiden“, so Spadinger. Er gehe davon aus, dass es zum Ende des Jahres zu Preisanpassungen kommen wird. „Über Höhe und Zeitpunkt können wir im Augenblick noch keine definitive Aussage treffen.“