Können Betriebsräte etwas bewegen?

Betriebsräte diskutieren viel, können aber wenig gestalten? Zumindest knapp 300 Mitarbeiter des Friedrichshafener Autozulieferers ZF sehen das anders. Nachdem die Jahrhundertflut im Sommer 2021 das ZF-Werk im rheinland-pfälzischen Ahrtal hart in Mitleidenschaft gezogen hatte, machte das Management Nägel mit Köpfen und kündigte an, den Standort zu schließen.

Bei einem Wegzug aus der Region – so viel war klar – würde ein Großteil der Jobs auf der Strecke bleiben. Der Betriebsrat wollte das nicht hinnehmen und schaltete sich ein. Nach wochenlangen Verhandlungen dann der Kompromiss: Zwar gibt ZF den Standort auf, sucht Ersatz aber nun vornehmlich in der Umgebung und nicht im 60 Kilometer entfernten Koblenz oder außerhalb des Bundeslands. Die Episode zeigt, dass Betriebsräte sehr wohl Einfluss haben, auch wenn es ums Eingemachte geht.

Haben Betriebsräte Einfluss auf Arbeitsbedingungen?

Ein Blick ins Betriebsverfassungsgesetz reicht, um zu sehen: Die Liste der mitbestimmungspflichtigen Themen, bei denen der Betriebsrat mitentscheiden oder diese sogar aktiv auf die Tagesordnung setzen darf, ist lang: Bei allem, was Arbeitsbeginn, -Ende, Pausen oder die Verteilung von Arbeit über die Woche angeht, darf er mitreden.

Daneben kommt ihm im Bereich Gesundheit und Arbeitsschutz eine wichtige Rolle zu. Und wie beispielsweise mobil oder im Homeoffice gearbeitet wird, bestimmt der Betriebsrat über Betriebsvereinbarungen ebenfalls mit. Auch hat das Gremium ein Auge darauf, wie der Arbeitgeber den Arbeitnehmern am Arbeitsplatz über die Schulter schauen oder Leistungskontrollen durchführen darf.

Kichboxen war seine Leidenschaft, und auch als Porsche-Konzernbetriebsratschef teilte er manchmal heftig aus: Uwe Hück, heute ...
Kichboxen war seine Leidenschaft, und auch als Porsche-Konzernbetriebsratschef teilte er manchmal heftig aus: Uwe Hück, heute Kommunalpolitiker in Pforzheim. | Bild: Sebastian Gollnow, dpa

Sind Betriebsräte zu kämpferisch?

Manche Betriebsratschef genießen Legendenstatus – und das tut den durch sie vertretenen Unternehmen durchaus gut. So stand der ehemalige Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück im Ruf, für seine Porsche-Leute beim Management so ziemlich alles raushausen zu können. Dieses wiederum konnte sich darauf verlassen, dass Hück seine Truppe in echten Krisen aufs Unternehmen einschwor.

Ähnlich verhielt es sich übrigens beim seinerzeit wohl mächtigsten deutschen Betriebsratschef Bernd Osterloh. Der trieb das VW-Management zwar oft zur Weißglut, kannte den Wolfsburger Riesenkonzern aber so gut wie fast kein anderer. Solche Betriebsräte wirken für Mitarbeiter als Identifikationsfiguren und Ansporner gleichermaßen und sorgen mit dafür, dass sich die Firmen aus vielen Job-Bewerbern die besten herauspicken können – in Zeiten von Fachkräftemangel ein wichtiger Trumpf.

Firmen, die die Bildung von Betriebsräten zu verhindern suchen, wie aktuell etwa der Autovermieter Sixt geraten schnell in den Fokus der interessierten Öffentlichkeit. Viel Gutes bleibt dann selten an ihnen hängen und Arbeitskräfte entscheiden sich im Zweifel lieber für die Konkurrenz mit Mitarbeitervertretung.

Einst Deutschlands mächtigster Konzernbetriebsratschef: Bernd Osterloh, bis zu seinem Ausscheiden im April 2021 ...
Einst Deutschlands mächtigster Konzernbetriebsratschef: Bernd Osterloh, bis zu seinem Ausscheiden im April 2021 Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Aufsichtsrat der Volkswagen AG. Heute sitzt Daniela Cavallo auf seinem Posten. | Bild: Julian Stratenschulte, dpa

Schaden Betriebsräte Firmen am Ende nicht doch?

Oft haben einzelne Mitarbeiter nicht den Mut, dem Arbeitgeber ihren Unmut über Arbeitsbedingungen, Lohnentwicklung oder die Atmosphäre am Arbeitsplatz direkt ins Gesicht zu sagen. Das ist meist auch gar nicht ratsam, denn man riskiert so, sich beim Management in ein schiefes Licht zu rücken. Betriebsräte indes sind genau dafür da.

Mit einem besonderen Kündigungsschutz ausgestattet sind sie das Sprachrohr der Belegschaft, das heikle Punkte direkt ansprechen kann, ohne Angst zu haben, gleich den Job zu verlieren. Weil sich so Ärger kanalisieren lässt und nicht aufstaut, sind Betriebsräte insofern auch Garanten des Betriebsfriedens und damit der Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Wenn der Arbeitgeber indes die Belange der Beschäftigten partout nicht ernst nimmt, kann der Betriebsrat auch die Keule auspacken und Widerstand unter den Beschäftigten organisieren, auch mit Hilfe von Gewerkschaften.

Gibt es einen tieferen Sinn von Betriebsräten?

Betriebe sind nicht basisdemokratisch strukturiert, und es ist zu bezweifeln, ob das überhaupt gut wäre. Es gibt Entscheidungen, die die Geschäftsführung auch einmal treffen muss, ohne zuerst einen langwierigen Gang durch die Gremien beschreiten zu müssen. Gleichwohl gelten in Betrieben demokratisch legitimierte Gesetze, etwa das Arbeitszeitgesetz, das Urlaubsgesetz, das Datenschutzgesetz oder das Arbeitsschutzgesetz.

Und Betriebsräte sind die Kontrollinstanz, die ihnen im Zweifel zum Durchbruch verhelfen, wenn das Management mit zu viel Beinfreiheit agiert. Insofern sind Betriebsräte Teil der gelebten Demokratie unseres Landes.