Innerhalb weniger Tage ist der ländliche geprägte Kreis Rottweil an die Spitze der Corona-Statistik im Land gerückt. Aktuell weist der Landkreis eine Inzidenz von 400,3 auf. Die Sieben-Tages-Inzidenz zeigt an, wie viele Menschen von 100.000 Menschen sich innerhalb von sieben Tagen mit dem Coronavirus ansteckt haben. Noch am Freitag verzeichnete der Landkreis 299,5 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner.

Im Kreis Rottweil leben 140.000 Einwohner. 3173 von ihnen sind positiv getestet, berichtet das Gesundheitsamt des Kreises. Gehäuft treten die Infektionen in der Kreisstadt selbst auf (225 Fälle), in Schramberg (109) sowie in Sulz (83). Insgesamt 71 Menschen sind in diesem Bereich an oder mit den dem Virus gestorben (mit Beginn der Pandemie).

„Das Virus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“

Von den 20 Alters- und Pflegeheimen im Kreis sind bisher die Hälfte betroffen. Von dort werden Infektionen berichtet. „Wir haben eine deutliche Zahl an Infektionen in den Pflegeheimen des Kreises mit einem diffusen Infektionsgeschehen im Kreis“, wird Landrat Wolf-Rüdiger Michel von der Deutschen-Presseagentur zitiert. Allerdings sind die Fallzahlen in den Heimen rückläufig, erklärt Brigitte Stein, Referentin des Landrats im Detail: Waren es vor zwei Wochen noch 120 Fälle, so wurde die Zahl der neu Infizierten deutlich auf 87 Fälle gedrückt.

Wolf-Rüdiger Michel, Landrat des Landkreises Rottweil berichtet, dass es vor allem in Pflegeheimen eine deutliche Zahl an Infektionen ...
Wolf-Rüdiger Michel, Landrat des Landkreises Rottweil berichtet, dass es vor allem in Pflegeheimen eine deutliche Zahl an Infektionen gibt und darüber hinaus ein „diffuses Infektionsgeschehen im Kreis“. | Bild: Landratsamt Rottweil

Einen Hotspot habe man nicht ausmachen können, berichtet Stein, die Streuung sei breit. „Das Virus ist mitten in der Gesellschaft“, sagt die Sprecherin. Es gehe quer durch die Lebensbereiche – vom Arbeitsplatz in die Schule in die Firma. Es gebe keine Hotspots, weil das Virus längst in die Fläche ziele. Die Fachleute sprechen von einem „diffusen Geschehen“. Im Klartext bedeutet das: Der virale Feind ist da und doch nicht greifbar.

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Ausufernde private Feiern habe man nicht registriert. Ihrer Einschätzung nach beruht das Hochschießen der Zahlen auf engmaschigen und häufigeren Tests. „Die meisten Fälle sind ohne Symptome“, sagt Stein dazu, das bestätige auch das Landesgesundheitsamt in Stuttgart. 

Plötzlich wurde Glühwein verkauft

Die Ursachen sind demnach schwer zu finden. Warum schießen in der überwiegend dörflich besiedelten Region zwischen Schwarzwald im Westen und dem Heuberg im Osten die Zahlen hoch?

Ein Hinweisschild, das an die Maskentragepflicht erinnert, hängt in der Rottweiler Fußgängerzone. Der Landkreis Rottweil ist nur noch ...
Ein Hinweisschild, das an die Maskentragepflicht erinnert, hängt in der Rottweiler Fußgängerzone. Der Landkreis Rottweil ist nur noch knapp unter der 400er-Inzidenz. | Bild: Silas Stein, dpa

Ein Ereignis ragt dann doch heraus, das viele Passanten verärgert oder halb belustigt wahrnahmen: Am zweiten Advent waren in der Innenstadt einige Hütten im weihnachtlichen Stil aufgebaut. Sie standen in beträchtlichem Abstand, zwischen 10 bis 15 Meter voneinander entfernt. Zwei Wirte hätten aus den Gasthäusern heraus dann Glühwein zum Mitnehmen verkauft, berichtet eine Augenzeugin. Schnell hätten sich Gruppen gebildet von Menschen, die sich kennen und über ein Wiedersehen freuen. Der Abstand sank auf einen Meter und weniger, auch trugen einige keine Masken.

Keine strengeren Regeln, evangelische Kirche sagt Gottesdienste ab

Im Landkreis wird sich mindestens vorerst nichts ändern. „Es werden keine Beschränkungen erlassen, die über die geltenden Regelungen des Landes hinausgehen“, sagt Stein. Die evangelische Kirche in der alten Reichstadt reagierte umgehend und sagte alle Präsenzgottesdienste für Weihnachten ab. Im katholischen Münster dagegen sollen wie geplant am 24. Dezember sieben Gottesdienste in oder vor der Kirche stattfinden.