Im Grunde genommen, sagt Madlaina Metzler, will sie das tun, was sie erfüllt. Und es deshalb anders machen. Die Zeit anders gewichten als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern vorher. Weniger Arbeit, mehr Leben.

Die Studentin vom Bodensee verkörpert damit eine Denkweise, die man vielen jungen Menschen in Deutschland nachsagt. Einer ganzen Generation, der Generation Z, die mit ihrem neuen Verständnis von Glück und Zufriedenheit nicht nur Arbeitgeber verunsichert.

Generation Z ist vernetzt, global, digital

Geboren zwischen 1995 und 2010, aufgewachsen mit dem Smartphone: Die Jugend von heute, die Generation Z, macht hierzulande mehr als elfeinhalb Millionen Menschen aus. Sie ist vernetzt, global und digital. Sie ist mit dem Klimawandel groß geworden, aber auch im Wohlstand.

Die Z-Jugendlichen haben die Welt bereist, sie wohnen immer noch zu Hause. Ihre Kritiker behaupten, sie seien zerrissen. Faul, selbstachtsam und postkapitalistisch. Vor allem, so das Klischee, seien sie verweichlicht.

Sie ist vernetzt, digital, global: die Jugendlichen der Generation Z wächst im Wohlstand auf.
Sie ist vernetzt, digital, global: die Jugendlichen der Generation Z wächst im Wohlstand auf. | Bild: Franziska Gabbert

„Snowflakes“ stempeln Ältere die Jugend im Englischen, Schneeflocken, die kaum belastbar sind und bei geringstem Widerstand in sich zusammenfallen. Die Wirklichkeit ist – wie in vielen Fällen – viel komplexer. Madlaina Metzler sagt: „Vielleicht sind wir verweichlicht.“ Die junge Frau, dunkler Rollkragenpulli, tanngrünes Hemd, findet aber auch: „Dafür gibt es Gründe.“

Sie sitzt in der Küche, Mehrparteienhaus, zweiter Stock. Kreuzlingen, eine Wohngemeinschaft mit vier anderen, direkt an der deutschen Grenze. Zwei Tage die Woche kellnert Madlaina Metzler, ansonsten studiert sie: Französisch und Gender Studies in Konstanz. Wobei das Studium, wie sie sagt, nicht das sei, was sie später beruflich machen möchte.

„Ich gebe mir ein Jahr Zeit.“ Ein Jahr, um herauszufinden, was sie wirklich interessiert. Sich ausprobieren, nennt die 18-Jährige das. Ihre Eltern unterstützen sie, auch finanziell. „Weil sie wissen, dass es heute in der Welt mehr gibt als damals.“

Die Z-Jugendlichen seien behütet aufgewachsen, sagt Rüdiger Maas. Er ist Psychologe, der sich seit Jahren wissenschaftlich mit der Jugend auseinandersetzt. Mit einigen Kollegen hat er das Forschungsinstitut „Generation Thinking“ gegründet, um herauszufinden: Welche Generation tickt wie? Wie also tickt die Generation Z, Herr Maas?

Z-Jugendliche haben große Bindung zu Eltern

Die Jugendlichen hätten in der Regel nie gelernt, sich um Dinge zu kümmern. Sie hätten nie gelernt, Bewältigungsstrategien zu entwickeln, sagt er. „Die Eltern haben immer geholfen.“ Sie agieren oft mehr als Freunde, Vertraute, aber nicht mehr als Abgrenzungsobjekt. „Die Jugend rebelliert nicht gegen den Mainstream.

Sie übernimmt sogar Werte, die ihr vorgegeben werden.“ Dadurch kann sie konservativ oder konventionell erscheinen. Der Generationenforscher spricht hier vom Neokonventionalismus. „Man bewegt sich sozial erwünschter, bewegt sich in der Norm, denkt global.“ Aber woher kommt das?

Madlaina Metzler meint: Corona. Sie spielt mit dem Anhänger ihrer Kette, eine Schildkröte aus Edelstein. Im Hintergrund brummt die Waschmaschine. „Die Corona-Krise hat mich dahin geprägt, dass ich die Dinge mache, die mich glücklich machen.“

Sie habe sich immer wieder auch mit Freunden darüber unterhalten, erzählt die Studentin, immer wieder mit derselben Erkenntnis: In der Pandemie habe sich zumindest der Kreis, in dem sie sich bewege, stärker aufs Private fokussiert.

Rüdiger Maas ist Psychologe, er beschäftigt sich seit Jahren wissenschaftlich mit der Generation Z.
Rüdiger Maas ist Psychologe, er beschäftigt sich seit Jahren wissenschaftlich mit der Generation Z. | Bild: Yes-Verlag

Als Corona dann weg war, sei das irgendwie geblieben. Narben haben die Lockdowns auf jeden Fall in dieser Generation hinterlassen. Sie werden gerade dann sichtbar, wenn sich die jungen Leute in der Gesellschaft bewegen sollen. Die Generation Z sei zwar in digitalen Sphären souverän, schildert Rüdiger Maas, in der analogen Welt dafür umso unsicherer.

Z-Jugendliche fordern mehr Regeln ein

„Deshalb werden hier mehr Regeln eingefordert.“ An die sich die Jugendlichen selbst auch halten, wie die Pandemie zeigte: Laut Maas gab es kaum Regelbrücken, kaum Partys, kaum Alkoholexzesse in diesen Jahren der Kontaktbeschränkungen.

Was außerdem auffällt: Anders als ihre Vorgängerinnen sieht die Generation Z Individualität eher skeptisch und tendiert zum Mainstream, „zur Masse“, wie der Generationenforscher erläutert. Und dann auch wieder nicht.

Vieles nämlich, was ältere Semester noch unbedingt von ihren Arbeitgebern wollten, lehnen die Jungen ab. Homeoffice zum Beispiel, ständige Erreichbarkeit, Büros, in denen jeder überall sitzen kann. „Sie wollen Struktur. Sie wollen eine klare Trennung von Arbeits- und Privatleben. Sie wollen keine Überstunden machen“, sagt Maas.

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Teilzeitmodelle sind in der Generation Z gefragter, das aber belastet den Arbeitsmarkt, der ohnehin mit den Folgen des Fachkräftemangels hadern muss. Auf die Jugend sei kein Verlass mehr, heißt es da. Viele unterschreiben einen Arbeitsvertrag und sagen kurz vor Beginn ab. Und wenn die Jungen doch kommen, es ihnen im Betrieb aber nicht gefällt, sind sie schnell wieder weg, schimpft die Unternehmerseite.

Ein Trend, den die Zahlen unterstreichen: Wie etwa der jüngste Jobwechsel-Kompass herausgefunden hat, sind vor allem junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren überdurchschnittlich offen, den Arbeitgeber 2023 zu wechseln. 47 Prozent hegen dem Stimmungsbild zufolge den entsprechenden Wunsch zur beruflichen Veränderung – 14 Prozent mehr als der altersübergreifende Mittelwert aller Teilnehmenden.

Freizeit ist der Generation Z besonders wichtig

Wichtiger als ein hohes Gehalt ist den Z-Jugendlichen Freizeit, bekräftigt Maas. Der Wunsch nach reduzierter Arbeitszeit steige bei den unter 40-Jährigen deutlich, sagt er. Auf der Metaebene sei das durchaus verwerflich, denn: „Wenn alle so leben würden, hätten wir keinen Piloten mehr, der zwölf Stunden lang fliegt, keinen Rettungssanitäter, der durchgehend im Einsatz ist und keine Krankenschwester, die rund um die Uhr Patienten versorgt.“

Geht es nach der Generation Z, soll der Arbeitsanteil zwar sinken, gleichzeitig soll aber die Bezahlung mindestens angemessen sein. Die Forscher Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann etwa stellten im November 2022 bei der repräsentativen Studie „Jugend in Deutschland“ fest, dass für rund 60 Prozent der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 29 Jahren Geld die größte Motivation bei der Jobwahl ist. Sie ist es auch für Christof Hirling.

Der 18-Jährige, Jogginghose, Colucci-Weste, Basecap, kommt aus Radolfzell. Er lässt sich gerade zum Mediengestalter ausbilden. Arbeit ist für ihn Mittel zum Zweck: der Lohn, die Bezahlung, Geld.

Der junge Mann sagt deshalb Dinge wie: „Ich gehe nur arbeiten, damit ich eine Ausbildung und das Geld habe.“ Er sagt: „Am Wochenende würde ich noch mehr arbeiten, damit ich noch mehr Geld verdienen kann.“ Und er sagt: „Wenn ich so viel Geld habe, dass ich es nicht ausgeben kann, dann bin ich glücklich.“

„Man musste nicht mehr zur Schule“

Christof Hirling wohnt bei seinen Eltern. Die Ausbildung absolviert er im Betrieb eines Freundes seines Vaters. Sparen, sagt er, sei noch nie seins gewesen. Geld gebe er gern und schnell aus, meistens für Klamotten und Zigaretten. Fleiß, der eigene Einsatz für etwas, Leistung: All das ist für ihn dennoch wichtig.

Was seine Altersgenossen angeht, stört es ihn vor allem, dass sie faul sind. „Die Leute machen es sich einfacher.“ Sie seien unselbständig, davon nimmt er sich nicht aus. Auch seiner Meinung nach ist Corona der Grund. „Man musste nicht mehr zur Schule, im Unterricht hat man nicht mitgemacht.“ Daran habe man sich nun ein bisschen gewöhnt.

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Christof Hirling weiß, dass er privilegiert ist. Das weiß auch Madlaina Metzler. Und sie wissen, dass das viele Menschen ihres Alters sind. „Wir sind verwöhnt“, sagt die Studentin ehrlich. Trotzdem: Die Jugend pauschal als verweichlicht darzustellen, davon hält Psychologe Rüdiger Maas nichts. „Die Gesellschaft hat sich gewandelt. Die jungen Leute können nichts dafür.“

Die Jugendlichen der Generation Z sind in Sorge. Einige haben sich politisiert.
Die Jugendlichen der Generation Z sind in Sorge. Einige haben sich politisiert. | Bild: Swen Pförtner, dpa

Im Prinzip, sagt er, leben sie das Leben, dass sich die Älteren wünschen. Auch aus diesem Grund gibt es keinen Generationenkonflikt, wie es bei den 68ern gewesen ist oder später in der Punk-Ära. „Die Jugendlichen heute haben eine enge Bindung zu ihren Eltern, da ist nicht die Eltern-Generation gegen die Kinder-Generation.“ Was nicht bedeutet, dass sie keine Sorgen haben.

Inflation, Krieg, Krisen: Auch Generation Z in Sorge

Die Generation Z macht sich Sorgen. Laut einer Umfrage der Dating-App Tinder sind 78 Prozent der 18- bis 22-jährigen Frauen und 68 Prozent der gleichaltrigen Männer ziemlich skeptisch gegenüber dem, was auf sie zukommt. Klimakrise, steigendes Renteneintrittsalter, die Inflation, der anhaltende Krieg in der Ukraine.

Ja, es sieht düster aus. Deshalb hat sich die Jugend, die übrigens zur Hälfte Abitur hat, politisiert. Sie protestiert, das zeigt Fridays for Future, das zeigt die Letzte Generation. Madlaina Metzler sagt: „Wir schauen kritisch auf die Dinge, die die Generationen vor uns gemacht haben.“

Auf diesem Weg nehmen die Älteren die Jungen aber oft zu ernst – und messen sie daran, sagt Rüdiger Maas. „Weil sie in vielen analogen Bereichen oft konventioneller agieren, wirken die Jugendlichen heute oft moralischer und reifer. Dabei vergisst man, dass es am Ende noch junge Menschen sind“, erläutert der Generationenforscher. Kinder und junge Erwachsene, die in einer Welt groß werden, die ihnen andere so hinterlassen haben.