Der 65. Geburtstag ist für die meisten Menschen ein gewaltiger Einschnitt. Sie gehen dann bald in Rente und fühlen sich von einem Tag auf den anderen als alt abgestempelt – ein Fall fürs Seniorenturnen.

Nicht so Georg Gänswein: Wenn der katholische Priester und Erzbischof mit Wurzeln im Schwarzwald heute den 65. Geburtstag im Kalender stehen hat, dann ist das eine halbwegs runde Zahl, mehr aber auch nicht.

„Ein Bischof geht nicht mit 65 Jahren in die Rente. Ich bleibe noch mindestens 10 oder mehr Jahre an Deck“, schreibt er dem SÜDKURIER launig aus Rom, wo er als Privatsekretär und Betreuer des ehemaligen Papstes Benedikt wirkt.

2005 begann eine ungewöhnliche Karriere

Der Tonfall seiner Zeilen aus Rom ist freundlich und optimistisch. Titularerzbischof Gänswein, einer der prominentesten Vertreter seiner Kirche, hat wieder Tritt gefasst. Die vergangenen 18 Monate waren hart für den Monsignore mit dem noch immer jugendlichen Aussehen. Auch gesundheitlich musste er einiges wegstecken, ein hartnäckiger Tinnitus plagte ihn.

Beliebt auch in Italien: In Perugia wurde Georg Gänswein zum Ehrendoktor ernannt. Links Rektorin Stefania Giannini.
Beliebt auch in Italien: In Perugia wurde Georg Gänswein zum Ehrendoktor ernannt. Links Rektorin Stefania Giannini. | Bild: imago stock&people

Seine traumhafte Karriere an der Seite des 2005 zum Papst gewählten Joseph Ratzinger rückte ihn damals ins Zentrum der katholischen Kirche. Formell „nur“ Privatsekretär, galt er doch als wichtigster Vertrauter von Benedikt XVI., als dessen Ratgeber und Alter-Ego. Italienische Journalisten – stets argwöhnisch gegenüber allen Nicht-Italienern auf dem Stuhl des Papstes – sehen ihn gar als Einflüsterer.

Er hält zu seinem Chef

Als der Papst aus Bayern das höchste katholische Amt in einem revolutionären Akt aus freien Stücken niederlegt, hat Gänswein getroffen. Er hatte seinem Chef noch von einem Rückzug abgeraten. Nicht nur, weil darin ein Bruch der Tradition deutlich wird, sondern weil der Rücktritt auch seine Ambitionen bremst.

Die Kluft war zu groß: Papst Franziskus I. beurlaubte seinen Protokollchef Georg Gänswein im vergangenen Jahr.
Die Kluft war zu groß: Papst Franziskus I. beurlaubte seinen Protokollchef Georg Gänswein im vergangenen Jahr. | Bild: imago stock&people

Viele Beobachter rechnen ihm indes hoch an, dass er seinen Förderer Benedikt XVI. nicht verlassen hat, sondern ihm treu zur Seite steht. Er wohnt mit ihm und einigen Schwestern im ehemaligen Kloster Mater Ecclesiae und umsorgt ihn wie ein Sohn. Ohne Rücksicht auf die eigene Karriere versieht er diesen Dienst und lässt die wenigen Besucher ein, die noch kommen dürfen. Zuletzt war es eine Delegation der Regensburger Domspatzen.

Ein Diener zweier Herren

Dem neuen Papst Franziskus diente er zunächst als Protokollchef – ein Amt das mit Glanz umgeben ist. Der Protokollchef ist es, der die hohen Besucher einer Privataudienz im Damasushof abholt und sie, eskortiert von der Schweizergarde, zum Papst bringt. Der Dienst für zwei Herren erwies sich im Lauf der Jahre als immer schwieriger.

Wird heute 65: Georg Gänswein, Sekretär des ehemaligen Papstes Benedikt XVI.
Wird heute 65: Georg Gänswein, Sekretär des ehemaligen Papstes Benedikt XVI. | Bild: ALESSANDRA TARANTINO

Schon bald nach der Wahl von Franziskus I. wurden die theologischen Unterschiede zwischen den beiden überdeutlich: Der Argentinier Bergoglio stand anfangs für eine bodennahe Volkskirche und schien sich in Sachen Zölibat zu bewegen.

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Währenddessen wurde Benedikt XVI. immer mehr als Bastion der Konservativen empfunden – und Monsignore Gänswein als sein Sprachrohr. Das wurde ihm zum Verhängnis und führte zur zeitlich unbefristeten Beurlaubung vom Amt des Protokollchefs. Das war im Februar 2020. Seitdem ist er ohne offizielles Amt.

„Ich bin kein Prophet“

„Was die Zukunft bringen wird, bleibt abzuwarten, ich bin kein Prophet, ich weiß es nicht. Nur soviel ist sicher“, schreibt er dem SÜDKURIER. Karrieresüchtig sei er nicht, sagte er einmal im Gespräch: Immer sei er für eine bestimmte Position gefragt worden, nie habe er sich vordrängen müssen. Ein Jahr lang arbeitete er dem damaligen Erzbischof Oskar Saier zu, als Privatsekretär.

Dass man auf ihn schnell aufmerksam wird, hängt sicherlich mit seinem eleganten und sportlichen Auftreten zusammen. Der Monsignore und mehrfache Ehrendoktor ist eine charismatische Erscheinung. Er verkörpert perfekt den Titel Hochwürden, spricht mehrere Fremdsprachen. Den ehemaligen Skilehrer sieht man ihm bis heute an.

Doppelt genäht, zwei Mal gefeiert

Monsignore Gänswein wird in Rom und in Riedern feiern. Mit einigen Freunden und Kollegen werde er erst in der Hitze der Ewigen Stadt anstoßen. „Nichts Gewaltiges, aber ich kann den Tag nicht einfach ‚großzügig‘ übersehen“, ahnt er. Im Schwarzwald wolle er dann nachfeiern.

Seit vielen Jahren bereits kommt er für ein oder zwei Wochen nach Riedern am Wald – ein gerne gesehener Sohn der Gemeinde, inzwischen auch deren Ehrenbürger. Heimat habe mit Präsenz zu tun, man könne Heimat also nicht virtuell leben, sagte er bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde damals. In Riedern wird er den 65er mit seinen Geschwistern, deren Kindern und Freunden nachklingen lassen. „Doppelt genäht hält besser“, heißt es in seiner Mail aus Rom.