Benjamin Strasser hat sein Büro im Justizministerium schon geräumt. Noch bis Donnerstag war er Parlamentarischer Staatssekretär unter Justizminister Marco Buschmann (FDP). Doch mit dessen Rücktritt hat auch Strasser, der seit 2017 für den Wahlkreis Ravensburg im Bundestag sitzt, seinen Posten in der Regierung verloren. So sieht es das Gesetz vor: Im Gegensatz zu den beamteten Staatssekretären scheiden Parlamentarische Staatssekretäre mit ihren Ministern aus dem Amt.
Doch der 37-jährige Liberale aus Weingarten gibt sich gelassen: Er sei genauso aufgeräumt wie sein Büro im Ministerium. „Ich habe mich gestern relativ kurzfristig von den Mitarbeitern verabschieden müssen“, sagt er.
Auf Instagram bedankte sich Strasser bei den Mitarbeitern, die ihn in seiner Zeit als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium unterstützten. Dazu teilte Strasser auch ein Foto mit seinem Fahrer. „Ich hätte mir ein anderes Ende gewünscht, aber es ist, wie es ist“, sagt er dem SÜDKURIER.
Ampel sorgte für Bürokratieabbau
Drei Jahre lang unterstütze Benjamin Strasser den ehemaligen Bundesjustizminister Marco Buschmann bei der Erfüllung der Regierungsaufgaben. In dieser Zeit habe die Ampel in wichtigen Bereichen Reformen durchführen konnte. „Das von mir verantwortete Thema Bürokratieabbau sind wir sehr energisch angegangen.“ 3,5 Milliarden Euro Bürokratiekosten blieben der Wirtschaft und den Bürgern durch das sogenannte Meseberger Entlastungspaket jährlich erspart.
Tatsächlich kommt der Normenkontrollrat, ein unabhängiges Expertengremium, ebenfalls zu der Beurteilung, dass die Bürokratielast in Deutschland durch Maßnahmen der Ampel-Regierung leicht gesunken sei. Erstmals seit 2019 werde die Wirtschaft entlastet, wenn auch die öffentliche Verwaltung höhere Bürokratiekosten schultern müsse.
Gesetzesentwürfe verstauben in der Schublade
Aber es gibt auch Projekte, die die FDP nun nicht mehr umsetzen kann. Der Gesetzesentwurf zum sogenannten Quick-Freeze-Verfahren stand kurz vor der Abstimmung mit SPD und Grünen. Mit diesem Verfahren könnten die Ermittlungsbehörden Daten wie Telefonnummern von Verdächtigen einfrieren lassen, wenn es einen Verdacht auf eine Straftat wie etwa Mord gibt. Doch der Gesetzesentwurf wird nun in der Schublade verstauben.
Auch in anderen Bereichen hatte die FDP noch Pläne. „Ich persönlich habe einen Gesetzesentwurf zum Einsatz von Verdeckten Ermittlern und sogenannten Vertrauenspersonen erarbeitet. Das sind Spitzel aus extremistischen Szenen. Hier gibt es bislang noch keine Rechtsgrundlage“, sagt Benjamin Strasser.
Strasser warnte vor Überreaktionen
Dass die FDP viele dieser Projekte nicht mehr umsetzen konnte, findet Strasser bedauerlich: „Selbst Projekte, bei denen man sich eigentlich einig war, wurden von den Partnern blockiert.“ Das habe das Regieren am Ende unmöglich gemacht.
Im März 2023 sagte Strasser im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass die Ampel besser sei als ihr Ruf. Noch vor zwei Monaten sprach er bei einer Parteiveranstaltung im hessischen Zwingenberg davon, dass er die Ampelkoalition momentan lieber nicht kündigen wolle und warnte vor Überreaktionen. Was hat sich seither verändert?

FDP müsste um Einzug ins Parlament bangen
„Wir müssen uns bewusst machen, dass sich die wirtschaftliche Lage im Land in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert hat“, sagt Strasser. Daher hätte die Politik reagieren müssen. Das 18-seitige Positionspapier von Christian Lindner sei nicht als Erpressung zu verstehen gewesen. Aber Grüne und SPD hätten nicht darüber sprechen wollen.
Jetzt richtet sich Strassers Blick auf die kommenden Wochen. Laut aktuellem ZDF-Politbarometer würden nur drei Prozent die FDP wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Glaubt man den Umfragen, müsste die FDP um den erneuten Einzug in den Bundestag bangen.
Strasser will alles geben
Auf die Frage, wer am Bruch der Ampel-Koalition hauptsächlich schuld ist, sagen 39 Prozent der Befragten im Politbarometer, dass alle Koalitionsparteien gleichermaßen Schuld tragen. 31 Prozent sehen jedoch den Hauptschuldigen in der FDP, die Grünen kommen hingegen nur auf 15 Prozent und die SPD auf zehn. Das sind keine guten Vorzeichen für vorgezogene Bundestagswahlen.
Benjamin Strasser lässt sich von diesen Zahlen jedoch nicht beirren. „Das wird zweifelsohne eine der härtesten Wahlkämpfe für meine Partei, das würde ich nicht beschönigen. Aber ich bin bereit, alles in die Waagschale zu werfen“, sagt Strasser. Ihn würden viele Zuschriften erreichen, in denen Zustimmung für die Partei ausgedrückt werde. „Wir spüren große Bestätigung aus der Bevölkerung für die getroffenen Entscheidungen.“
„Lindner ist der richtige Mann“
Christian Lindner wird für die FDP als Spitzenkandidat antreten, das steht bereits fest. Für Strasser ist er „der absolut richtige Mann.“ Er habe Nerven bewiesen und immer wieder versucht, „in dieser schwierigen Koalition wichtige Trendwenden zu erreichen.“ In der Partei sei daher eine große Rückendeckung für Lindner zu spüren.
Benjamin Strasser selbst ist nun nur noch Abgeordneter im Bundestag, ohne Regierungsverantwortung. „Das ist nichts Schlimmes, Abgeordneter sein zu dürfen ist ein Privileg. Ich bin mit mir im Reinen“, sagt er. Er wolle weiterhin Politik für die Region um den Bodensee, das Allgäu und Oberschwaben machen. „Das wird ein kurzer, aber knackiger Wahlkampf“, sagt Strasser mit Blick auf die kommenden Monate.
Er sehe weiterhin alle Chancen für die FDP, auch weiterhin an einer Regierung beteiligt zu sein. Nur eines schließt er bereits aus: „Wir gehen eigenständig in den Wahlkampf, ich kann aber sagen, dass meine Fraktion sicher nicht mehr Olaf Scholz zum Bundeskanzler wählen wird.“