Das zentrale Fazit der Studie ‚Spannungsfeld Männlichkeit‘ des Kinderhilfswerks Plan International ist erstaunlich: Viele Männer zwischen 18 und 35 Jahren scheinen Rollenbilder zu haben, die eher in die 50er-Jahre passen als ins Jahr 2023. Nun äußern viele Zweifel an den Ergebnissen. Wir haben uns die Studie für Sie genauer angesehen.

Frau an den Herd, Mann verdient Geld?

Zunächst einige Beispiele für die von Plan International festgestellten Einstellungen unter jungen Männern: Die Hälfte der 1000 Befragten findet, dass die Frau den Haushalt schmeißen soll, während der Mann das Geld verdient – und, dass Männer in der Öffentlichkeit keine Gefühle zeigen sollten.

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Jeder zweite möchte keine Beziehung mit einer Frau haben, die schon viele Sexpartner hatte. Und jeder Dritte hält es für „akzeptabel“, wenn ihm selbst oder anderen Männern gegenüber der Partnerin mal „die Hand ausrutscht“.

These: Gleichberechtigung ist weit weg

Autorinnen der Studie sind Katharina Hofmann, Sarah Koch, Alexandra Tschache und Claudia Ulferts. Sie resümieren: „Die Ergebnisse legen nahe, dass wir in Deutschland in der jungen Generation von wahrer Gleichberechtigung deutlich entfernt sind.“

Kann das stimmen?

Kann das stimmen? Diese Frage wird einen Tag nach Erscheinen der Umfrage in den sozialen Medien heiß diskutiert. Der Vorwurf, erhoben zuerst vom Journalisten Martin Hoffmann, dann prominent aufgegriffen vom Medizinwissenschaftler Kai Schulze, arbeitete sich ab an der Frage: Ist die Umfrage repräsentativ?

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Repräsentativ, das bedeutet, dass sie aussagekräftig für eine Grundgesamtheit – in dem Fall: Alle 18 bis 35-jährigen Männer und Frauen in Deutschland – ist. Als Beispiel: Eine Umfrage, durchgeführt vor einem Luxuskaufhaus, wird sicherlich nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sein. Sondern nur für diejenigen mit dickem Geldbeutel.

Bezahlte Umfragen sind nicht ungewöhnlich

Die Umfrage wurde online durchgeführt, mitgemacht haben offenbar Personen über eine App, bei der man für Umfragen bezahlt wird.

Ungewöhnlich ist das nicht: Auch das statistische Bundesamt lobt für diejenigen, die an der Studie zu Einnahmen und Ausgaben „Wo bleibt mein Geld?“ mitmachen, eine Prämie aus. Denn: Sozialwissenschaftler oder Marktforscher haben es immer schwerer, überhaupt jemanden zu finden, der an Umfragen teilnimmt.

Hauptkritik an der Umfrage von Plan International ist, dass wohl vor allem eine bestimmte Zielgruppe mitgemacht habe, nämlich „eine sehr online-affine Zielgruppe“. Zudem sei sie nur in einer Hand voll Städte durchgeführt worden.

Plan International will Repräsentativität sichergestellt haben

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Plan International hingegeben gibt an, wie sie die Repräsentativität sicher gestellt haben wollen: Es wurden auf Basis amtlicher Statistiken Quoten gebildet für Geschlecht, Alter, Bildung und Wohnort. Besonders wichtig sei gewesen, auch Menschen mit niedrigem oder ohne Bildungsabschluss zu Wort kommen zu lassen, weil sich laut den Autoren „in Online-Panels eher Personen mit etwas höherer Bildung, einer gewissen Computer-Affinität und einer natürlichen Neugierde und Mitteilungsbereitschaft“ befänden.

Autorinnen haben Eigeninteresse

Und natürlich verfolgen die Autorinnen von „Spannungsfeld Männlichkeit“ auch einen Zweck, der über den reinen Erkenntnisgewinn hinausgeht. Sie machen Werbung für ihre Arbeit, ihr „Champions of Change“-Programm für positive Männlichkeit. Verboten ist auch das nicht, doch Medien, die eine solche Studie aufgreifen, sollten einen Transparenzhinweis einbringen.

Seit Jahren werden über das Thema Repräsentativität ganze Doktorarbeiten in soziologischen Fachzeitschriften veröffentlicht. Wen es interessiert, der Suchbegriff lautet: Repräsentativitätsdebatte.

Amtliche Statistiken zu Gewalt

Doch betrachtet zusätzlich auch die methodisch relativ unumstrittenen amtlichen Statistiken zu Themen wie häuslicher Gewalt, fällt auf: Die Fallzahlen steigen. Erst im April meldeten viele Polizeipräsidien in Südbaden Rekordwerte bei den Fällen partnerschaftlicher Gewalt. Alle drei Tage werden in Deutschland Frauen von ihren Expartnern getötet. Zeitgleich soll laut Bund jede Dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt machen beziehungsweise gemacht haben.

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Vor diesem Hintergrund sind die in der Umfrage von Plan International getätigten Zustimmungswerte gar nicht so überraschend. Oder, wie eine Twitter-Nutzerin schreibt: „Fällt es da wirklich schwer, zu glauben, dass 1/3 aller Männer (potenzielle) Täter sind?“