Wer auf der Halbinsel Höri wohnt, nennt das Alltag: Auf dem Weg nach Singen in einem der Schweizer Nachbarorte Stein am Rhein oder Ramsen anhalten und den Tank füllen. Nur ist das eigentlich noch möglich, ohne dass sich die Autoinsassen danach in Quarantäne begeben müssen? Schließlich könnte das Tanken ja als Einkauf gewertet werden, der als Grund für den Aufenthalt in der als Risikogebiet markierten Schweiz nicht mehr ohne Quarantäne erlaubt ist.
Verschärfte Bedingungen im Grenzverkehr bleiben bestehen
Die Höri mag ein Spezialfall sein. Doch steht er sinnbildlich für die Ungewissheit, die durch die seit 23. Dezember verschärften Einreisebedingungen herrscht: bei Bürgern, Händlern und selbst den kontrollierenden Behörden. Das wird sich wohl auch so schnell nicht ändern, nachdem Bund und Land den Lockdown bis mindestens Ende Januar verlängert haben.
Denn selbst wenn die verschärfte Einreise-Verordnung nicht an den Lockdown selbst gekoppelt ist, so ist sie doch verknüpft mit der Corona-Verordnung, wie ein Sprecher des Landesinnenministeriums erläutert. Kurz gesagt: Die seit 23. Dezember geltenden Einschränkungen im Grenzverkehr sind vorerst weiter gültig. Selbst wenn dort nach den Ferien mit weniger Ausflugs- und Einkaufsfahrten gerechnet werden dürfte als rund um die Feiertage.

Ist Tanken in der Schweiz bei der Durchfahrt erlaubt?
Zunächst zur Aufklärung: Wegen des Tankstopps auf der Durchfahrt nach Singen müssen Höri-Bewohner nicht in Quarantäne. „Tanken am Rande ist nicht Einkaufen und schon gar nicht ‚überwiegend‘ im Sinne der Corona-Verordnung“, erklärt ein Ministeriumssprecher auf Nachfrage des SÜDKURIER.
Handelsverband fordert mehr Klarheit bei geltenden Regelungen
Für Händler im deutschen Grenzgebiet ist das ein schwacher Trost. Kunden aus der Schweiz sorgen für einen beträchtlichen Teil des Umsatzes. Je nach Branche wird von 20 bis 30 Prozent ausgegangen. Gegen diese Einbußen hilft es auch nicht, dass die Landesregierung nun den Abholservice erlaubt. Seit Mitte Dezember war dieses sogenannte Click & Collect, also die Möglichkeit, Waren online vorzubestellen und dann im lokalen Geschäft abzuholen, verboten.

Utz Geiselhart, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden, erwartet deshalb „eine rasche Präzisierung der geltenden Regeln“ seitens der Landesregierung. Es müsse klargestellt werden, ob Schweizer Kunden zumindest ihre vor dem 22. Dezember in Deutschland getätigten Vorbestellungen ebenfalls abholen dürfen.

Mehr Klarheit nach der bevorstehenden Änderung der Corona-Verordnung wünscht sich Geiselhart auch beim Wortlaut für die Einreise-Quarantäne. So gilt für Bewohner der Grenzregion bei Aufenthalten unter 24-Stunden-Regel im anderen Land eine Ausnahme von der Quarantäne. Aber eben nur „sofern dies nicht überwiegend aus touristischen Gründen oder zu Zwecken des Einkaufs geschieht“.
Nur was heißt „nicht überwiegend“?
Handelt es sich beim halbgefüllten Einkaufswagen nach dem Besuch von Familienangehörigen oder der Arbeit noch um einen Einkauf „am Rande“, von dem im Innenministerium die Rede bei der Quarantäne-Freiheit die Rede ist? Oder war man dann doch schon hauptsächlich zum Einkaufen hier?
Einkauf „am Rande“ muss glaubhaft erläutert werden
Diese Unklarheit mündet in Uneinheitlichkeit: Manche der noch geöffneten deutschen Lebensmittel- oder Drogerie-Geschäfte stellen noch Ausfuhrscheine für Schweizer Kunden aus. Andere haben dies eingestellt. Erlaubt ist es, vom Zoll gestempelt werden die sogenannten grünen Zettel ebenfalls. Ein Ministeriumssprecher erklärt auf Nachfrage: Dass das Einkaufen nicht der Hauptgrund für die Einreise ist, „muss im Falle einer Kontrolle glaubhaft gemacht werden können“.
Womit die für diese Kontrollen zuständigen Behörden, Polizei, Zoll und Ordnungsämter, am Zuge sind. Das Innenministerium überlässt die Ausgestaltung den jeweiligen Polizeipräsidien. Aus dem Konstanzer, das für die gesamte Region zuständig ist, war zuletzt bereits Unmut über die vage Formulierung ohne klare Direktive laut geworden. Von Zollbeamten ist unter der Hand Ähnliches zu hören.
Polizei: Ermessensspielraum ist notwendig
Uwe Vincon, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Konstanz, kann die Verunsicherung der Menschen über die vage Formulierung der Verordnung einerseits nachvollziehen. „Andererseits benötigen wir einen gewissen Ermessensspielraum“, erklärt er, „sonst müssten wir wirklich jeden Einzelnen kontrollieren, der zum Beispiel in ein Auto mit Schweizer Kennzeichen steigt“.
Laut Uwe Vincon sind Kontrollen im Rahmen der Corona-Verordnung seit Monaten einer der Schwerpunkte der Polizei. „Wenn künftig gegen die Quarantäne-Pflicht bei Einkaufsfahrten verstoßen würde, dann verlagern wir unsere Kontrollen entsprechend auch auf diesen Bereich“, sagt der Polizeisprecher.
„Großeinkauf ist tabu“
Für die aktuelle Situation versucht er es mit einer beispielhaften Zusammenfassung: „Einige Kleinigkeiten einkaufen, wenn man sowieso aus triftigem Grund in Deutschland ist, geht weiterhin. Der Großeinkauf ist aber tabu.“

Im Zweifel würden die Beamten bei einer Kontrolle Anzeige erstatten – eingestellt werden könne das Verfahren bei einer glaubhaften Erklärung dann immer noch.
Für die Händler in der Grenzregion stellt sich somit bis auf Weiteres nicht nur die Frage, ob sie am 1. Februar überhaupt wieder öffnen dürfen. Sie werden auch darauf blicken, dass zeitgleich geregelt wird, ob Einkaufsfahrten aus der Schweiz nicht nur Neben- sondern auch wieder Haupttätigkeit sein dürfen.