Am Ende dieser denkwürdigen Gemeinderatssitzung stimmten 22 Stadträte gegen die Pläne des Regionalverbands, in Hirschlatt eine 30 Hektar große Optionsfläche für künftige Gewerbegebiete auszuweisen. 15 Gemeinderäte stimmten dafür. Damit steht die Stadt Friedrichshafen nun gegenüber der Regionalversammlung mit leeren Händen da.

So haben die Gemeinderäte abgestimmt

Weil der Regionalplan, der seit 1996 gültig ist, überarbeitet werden soll, waren die Kommunen gefragt, Flächen auszuweisen, die für Industrie und Gewerbe reserviert werden sollen. Während Ravensburg 55 Hektar, Baienfurt und Baindt sogar 70 Hektar Fläche anbieten, steht bei der Zeppelinstadt eine Null.

Das geplante Vorranggebiet fürs Gewerbe und Industrie bei Hirschlatt
Das geplante Vorranggebiet fürs Gewerbe und Industrie bei Hirschlatt | Bild: Gerhard Plessing

Mittelfristig fehlen Flächen

Für Wilfried Franke, Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben, ist diese Entscheidung wenig verständlich. „Das ist schon ein Novum, dass eine so große Kommune ein ablehnendes Votum abgibt“, sagt er. Friedrichshafen müsse sich nun darüber im Klaren sein, dass die Stadt mittel- und langfristig keinen Hektar Fläche mehr zur Verfügung habe, um Gewerbe anzusiedeln. „Wir werden ja sehen, was passiert, wenn der erste umsiedeln will“, sagt Wilfried Franke.

Wilfried Franke, Geschäftsführer des Interessenverband Südbahn und Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben.
Wilfried Franke, Geschäftsführer des Interessenverband Südbahn und Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben. | Bild: Wex, Georg
„Friedrichshafen muss sich nun darüber im Klaren sein, dass die Stadt mittel- und langfristig keinen Hektar Fläche mehr zur Verfügung hat, um Gewerbe anzusiedeln.“
Wilfried Franke, Regionalverband Bodensee-Oberschwaben

Auch Peter Jany, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben, zeigt sich enttäuscht. „Für uns ist es nicht nachvollziehbar, dass man sich nicht einmal eine Option auf eine weitere wirtschaftliche Entwicklung sichern möchte. Diese Ablehnung ist ein völlig falsches Signal für unseren Wirtschaftsstandort.“

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Emotionale Diskussionen seit Wochen

Schon seit Wochen wurde in Friedrichshafen über das Thema emotional und leidenschaftlich diskutiert, vor allem in Ettenkirch schlugen die Wellen hoch, am Ende sprach sich der Ortschaftsrat gegen die Pläne des Regionalverbandes aus. Und auch in der Sitzung am Montag wurde schnell klar, dass es für die Verwaltung nicht mehr so einfach ist, ihre Empfehlungen durchzubekommen.

Im Zentrum der Debatte stand die Frage, ob es in Zeiten von Klimawandel, Arten- und Naturschutzdebatten überhaupt noch sinnvoll ist, weitere Flächen zu versiegeln. „Wir müssen den Flächenfraß stoppen. Es muss doch möglich sein, andere, kreativere Lösungen zu finden“, sagte etwa Simon Wolpold (Netzwerk) stellvertretend für viele im Gemeinderat. Gegen diese Meinung steht die unbestreitbare Not der Stadt, was Gewerbeflächen angeht. Schon heute fehlen etwa vier Hektar Fläche, um hiesigen Gewerbetreibenden neue Grundstücke anzubieten. „Wir sollten diese Optionsfläche als Chance begreifen. Denn wenn wir kein neues Gewerbegebiet anbieten, werden kleine und mittlere Unternehmen ins Umland oder ins unberührte Hinterland abwandern. Und das wäre dann alles andere als ökologisch“, mahnte SPD-Mann Heinz Tautkus.

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CDU zeigt sich gespalten

Der Riss ging selbst durch die CDU: Fünf Stadträte stimmten für die Gewerbeflächen-Option, vier dagegen. „Wir haben keine gemeinsame Linie gefunden“, sagte Mirjam Hornung zu Beginn ihrer Fraktionserklärung. „Die, die dafür sind, wollen zum Wohle künftiger Generationen dieses Gebiet als Möglichkeit etablieren“, so Hornung. „Die CDU-ler, die dagegen sind, wollen, dass unsere Kulturlandschaft intakt bleibt und dass es keine weitere Zersiedelung gibt“, erklärte sie weiter.

Grüne und Netzwerk stimmten geschlossen gegen das Vorhaben, ebenso die Freien Wähler. Ulrich Heliosch (Grüne) argumentierte für seine Fraktion, dass es künftig stärker um Nachverdichtung gehen müsse. So wurde darüber diskutiert, ob nicht etwa die vielen Parkflächen in der Stadt dafür genutzt werden könnten.

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Ulrich Heliosch
Ulrich Heliosch | Bild: SK
„In den letzten Jahren haben wir alles möglich gemacht, um der Industrie entgegen zu kommen. Nun sollten wir die Natur wieder höher bewerten.“
Ulrich Heliosch (Grüne)
Achim Baumeister
Achim Baumeister | Bild: SK
„30 Hektar halten wir für überdimensioniert. Wir hätten uns einen Vorbehalt für eine Teilfläche vorstellen können, aber da das keine Option ist, stimmen wir dagegen.“
Achim Baumeister (Freie Wähler)
Jürgen Holeksa
Jürgen Holeksa | Bild: SK
„Wir wollen mehr von etwas Neuem, denn nur durch Druck können wir ein Umdenken erreichen.“
Jürgen Holeksa (Netzwerk)

Illusion und Traumtänzerei

Die SPD stimmte für die Option einer Gewerbefläche. Heinz Tautkus verwies darauf, dass schon seit 2007 bekannt sei, dass das Gebiet in Hirschlatt eines Tages zur Debatte stehen werde. „Es ist Sinn des Regionalplans, Gewerbe an den Oberzentren anzusiedeln. Wenn wir uns verweigern, konterkarieren wir das und handeln nicht ökologisch.“ Zudem seien die Ideen von Nachverdichtung „Traumtänzereien“ und völlig illusorisch.

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Das Votum des Gemeinderates ist für die Regionalversammlung nicht bindend. „Für uns ist das eine Eingabe von insgesamt 3500, die wir bearbeiten werden. Wir werden nun sorgfältig prüfen, ob wir zu einer anderen Auffassung kommen“, sagt Verbandsdirektor Wilfried Franke. Bis zur Sommerpause wird also klar sein, ob Hirschlatt am Ende nicht doch noch zur Optionsfläche werden wird.