Normalerweise sind im Frühjahr zahlreiche Familien, Paare und Spaziergänger mit ihren Hunden an der Uferpromenade in Friedrichshafen unterwegs. Kinder spielen, die Großen genießen die ersten Strahlen der Frühlingssonne. Dieses Jahr war alles anders. Das Coronavirus breitete sich aus und bestimmte nach und nach das Leben der Menschen. Die Stadt Friedrichshafen erließ eine coronabedingte Allgemeinverfügung – die schon kurz nach Einführung für Diskussionen in der Zeppelinstadt sorgte. Denn sie untersagte den Aufenthalt an vielen Uferabschnitten.

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Einsprüche gegen Bußgeldbescheide landen vor Gericht

Drei Menschen standen am Freitag in zwei getrennten Verfahren vor Gericht. Sie hatten Einspruch gegen Bußgeldbescheide eingelegt, die sie wegen vermeintlicher Verstöße gegen die städtische Allgemeinverfügung bekommen hatten. So erklärte es Richter Oliver Kovatschevitsch am Verhandlungstag im Amtsgericht Tettnang.

Im Mittelpunkt der Verfahren, die am Ende beide eingestellt wurden, stand allerdings weniger die Frage, ob die Angeklagten nun gegen die städtische Anordnung verstoßen haben oder nicht. Vielmehr bezweifelte der Richter die Gültigkeit der Allgemeinverfügung an sich.

43-Jährige geht mit Kindern spazieren und erhält Bußgeldbescheid

Einer der beiden Vorfälle, die vor Gericht rekonstruiert wurden, ereignete sich am 14. April in der östlichen Uferstraße in Friedrichshafen. Dort war eine 43-Jährige mit ihren drei Kindern unterwegs. „Das Wetter war schön, meine Kinder brauchten Bewegung und die Spielplätze waren geschlossen. Also wollten wir spazieren gehen“, blickt die Frau zurück.

Auf dem Weg vom Ruderverein Richtung Schwanengebiet sprangen die Kinder, neunjährige Zwillinge und ein elfjähriges Mädchen, immer wieder um ihre Mutter herum, rannten ans Ufer und betrachteten ein Schwanennest aus der Nähe – so sagte die 43-Jährige vor Gericht.

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Einige andere Menschen seien zu diesem Zeitpunkt ebenfalls am Seeufer gewesen. Laut Aussagen der Frau hätten es sich manche mit Getränken auf der Wiese bequem gemacht. Einige wurden von zwei Polizisten auf Streife kontrolliert, die auch deren Personalien vermerkten.

Polizisten kontrollieren das Einhalten der städtischen Allgemeinverfügung

Die Beamten wurden auch auf die Mutter mit ihren drei Kindern aufmerksam. Eine als Zeugin geladene Polizistin sagte aus: „Uns kam es so vor, als sei die Familie schon recht lange an einem Fleck gewesen. Auch wenn sie sich nicht niedergelassen hatten.“ Demnach hätten sich die 43-Jährige und ihre Kinder nicht an die Vorgaben der Stadt gehalten. Denn demnach sei ein Verweilen an der östlichen Uferstraße untersagt gewesen. Also verhängten die Beamten ein Bußgeld von 100 Euro.

Doch die 43-Jährige war nicht bereit, das Geld zu zahlen, und legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. „Wir waren wirklich nur spazieren. Mit Kindern kommt man eben nicht so schnell vom Fleck. Die springen herum und bis man alle eingesammelt hat, kann es dauern“, rechtfertigte sie sich. Von dem Verweilverbot habe sie nichts gewusst, sagte die Frau.

Dass an beiden Zugängen zur östlichen Uferstraße zu dieser Zeit Schilder hingen, die Fußgänger auf das Verbot der Stadt hinweisen sollten, war für Richter Oliver Kovatschevitsch kein Grund, den Bußgeldbescheid durchzuwinken.

Richter: „Ich habe Zweifel an dieser Allgemeinverfügung„

„Ich habe Zweifel an der Allgemeinverfügung und daran, ob diese überhaupt gültig war“, sagte Kovatschevitsch. Denn die städtische Allgemeinverfügung berufe sich auf die im Frühjahr geltende Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg – im vorliegenden Fall konkret auf den Abschnitt Spiel- und Bolzplätze.

„In der Corona-Verordnung hieß es ausschließlich, dass die Spiel- und Bolzplätze geschlossen werden müssen“, erklärte Kovatschevitsch. Indem die Stadt in ihrer Verfügung das Verweilen in einigen Bereichen am Ufer untersagte, habe sie die Corona-Verordnung des Landes erweitert. „Und das ist nicht rechtens. Denn es gibt dafür keine rechtliche Grundlage“, betonte der Richter. Eine Stadt könne die Corona-Verordnung des Landes in der Regel nur konkretisieren – nicht aber erweitern.

Richter entscheidet: Beide Verfahren werden eingestellt

Aus diesem Grund verfügte Kovatschevitsch, dass das Verfahren gegen die 43-Jährige eingestellt wird. Ebenso wie das darauffolgende, in dem es um den Aufenthalt eines Paares am Fischbacher Seeufer ging. Die Bußgeldbescheide müssen somit nicht bezahlt werden.

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