Herr Binder, seit vielen Jahrzehnten sind Sie dem Handball verbunden. Blicken Sie doch bitte einmal zurück.

Bis zum Alter von 42 Jahren war ich selbst aktiv. Angefangen habe ich beim Sportbund Ulm, dann bin ich nach Markdorf gezogen und habe hier in der Bezirksklasse gespielt. Danach ging es zum damaligen Oberligisten Mimmenhausen, wo ich in der Zweiten Mannschaft Landesliga gespielt habe. Meine höchste Klasse, in der ich aktiv war, war die Verbandsliga – heute auch als Südbadenliga bekannt. Weil ich in Markdorf gebaut habe, bin ich später hierher zurück, doch es gab keine Handballmannschaft mehr. Deswegen bin ich zum FC Kluftern in die Bezirksliga gegangen.

Wieso haben Sie sich entschieden, mit 42 Jahren dann doch aufzuhören?

Ich war der Meinung: Es reicht jetzt einfach! Je älter man wird, desto mühsamer ist es, sich zu regenerieren. Von schlimmeren Verletzungen blieb ich zum Glück verschont.

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Sie blieben dem Handball aber auch danach erhalten?

Ja. Ein Freund, der eine Trainerlizenz hat, fragte mich als Co-Trainer an. Ich sagte zu und betreute sieben Jahre lang die Damen-Regionalligamannschaft in Überlingen mit ihm. Wir durchlebten Höhen und Tiefen mit Aufstiegen, Abstiegen und Trainerwechseln.

Was ist der größte Unterschied vom Trainer- zum Spielerdasein?

Als Trainer, wenn auch nur Co, wächst die Verantwortung. Man muss sich immer etwas für die Trainingseinheiten überlegen und hat einen hohen zeitlichen Aufwand.

Was gibt Ihnen der Sport?

Man bleibt jung und es macht Spaß. Mit dem Sport war ich komplett beschäftigt. Ich hatte als Co-Trainer lauter junge Frauen um mich herum. Welcher ältere Mann wird schon auf einen 18. Geburtstag eingeladen (lacht)? Auch die Homepage habe ich damals für die Mannschaft betrieben. Besonders war auf jeden Fall auch ein Dessouskalender, den ich mit den Mädels gemacht habe. Davon konnten wir uns dann zum Beispiel drei Busfahrten leisten (lacht). Wenn man auf Arbeit und auch bei der Vereinsarbeit zeitlich eingespannt ist, muss der Ehepartner mitmachen. Das Gute ist, dass meine Frau inzwischen auch Handballfan ist, das hat also ein Stück weit abgefärbt (lacht). Woran ich mich außerdem immer gerne erinnere, sind die gemeinsamen Erlebnisse mit der Mannschaft. Es ging immer über den Sport hinaus, es war immer Leben in der Mannschaft, wie eine Familie – egal, ob beim gemeinsamen Grillen oder Wandern.

Woher kommt Ihre Liebe zum Handball?

Unsere Familie ist recht sportlich. Meine Eltern spielten ebenfalls Handball, meine Frau Volleyball. Unser Leben hat sich immer sehr auf den Sportkalender fixiert.

Und so haben sich auch ihre beiden Söhne entwickelt?

Ja. Mein ältester Sohn spielt Volleyball, mittlerweile in der Oberliga in Ludwigsburg. Dort hat er seine Wurzeln und seine eigene Physiopraxis. Als Kind nahm meine Frau ihn immer mit zum Volleyball. Und ich den anderen Sohn zum Handball.

Ihr jüngerer Sohn Michael brachte es sogar zum Bundesliga-Spieler.

Richtig. In Lemgo, wo er nach wie vor wohnt, spielte er acht Jahre lang in der höchsten Klasse. Michael war immer sehr aktiv. Ihn hat alles interessiert und er hat alle Sportarten durchgemacht: Leichtathletik, Volleyball, Fußball, Handball, Basketball, Turnen. Letztendlich ist er beim Handball hängengeblieben.

Wie sah sein Weg in die Bundesliga aus?

Angefangen hat Michael beim FC Kluftern. Danach spielte er bis zur C-Jugend beim TSV Mimmenhausen. In der B-Jugend wurde mein Sohn mit der HSG Konstanz deutscher Vizemeister – das war sein erster Meilenstein. Mit 17 Jahren folgte das erste Spiel für die Konstanzer Erste in der Regionalliga und später dann in der 2. Bundesliga. 2002 gab es dann ein Angebot vom TBV Lemgo. Michael nahm es an und wurde in seiner ersten Saison direkt deutscher Meister. Irgendwann kam es leider zum Umbruch und der Verein konnte viele Spieler nicht halten. Auch Michael ging und spielte im Anschluss zwei Jahre in Wilhelmshaven Bundesliga. Danach wechselte er zurück nach Lemgo, bekam dann aber einen zeitaufwendigen Job und beendete seine Karriere.

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Apropos Job: Kann man als Bundesligaspieler von dem Gehalt gut leben?

Auf jeden Fall, allerdings ist es nochmal ein ordentlicher Unterschied, ob du Nationalspieler oder „nur“ Bundesligaspieler bist. In der aktiven Zeit kann man nicht so viel Geld ansparen, dass man nach dem Karriereende ohne Beruf auskommt. Micha hat deswegen schon während seiner Laufbahn eine Banklehre gemacht.

Welche besonderen Erinnerungen haben Sie persönlich an den Handballsport?

Die Nominierung meines Sohnes in die Bundesliga war schon das absolute Highlight. Es war eine aufregende Zeit – auch für meine Frau und mich. Wir sind überall hingefahren, die Meisterfeier mit dem TBV Lemgo war toll.

Bestimmt lernten Sie zu dieser Zeit auch den ein oder anderen prominenten Handballer kennen, oder?

Natürlich. Beim TBV Lemgo spielte damals fast die gesamte Nationalmannschaft. Zu einigen habe ich heute noch Kontakt. Markus Baur kenne ich, seit er klein ist. Er war ein wichtiger Ansprechpartner in Bezug auf die Karriere meines Sohnes. Mit seinem Vater Manfred habe ich in Mimmenhausen zusammengespielt, mit beiden gemeinsam sogar im Firmenteam der BSG Dornier.

Wie sah die Erziehung ihres Sohnes Michael aus?

Seit dem Moment, als er mit dem Handballspielen angefangen hat, war er gut zu erziehen (lacht). Michael war mit Handball erpressbar. Wenn er krank machen und nicht zur Schule gehen wollte, sagten meine Frau und ich immer, dass es dann auch kein Handballtraining gibt. Daraufhin hat sich gezeigt, wann er wirklich krank war (lacht). Ansonsten war Micha sehr schnell selbstständig, was wohl auch daran lag, dass er zur B-Jugendzeit Spielführer war. Als seine Mannschaft die Vize-Meisterschaft holte, stieg das Medieninteresse und er sprach mit den Zeitungen. Dadurch lernte er, sich gut zu artikulieren und sein Selbstbewusstsein wurde gefördert. Das nahm natürlich nochmal zu, als Michael mit 21 Jahren nach Lemgo ging.

Wie verbringen Sie selbst denn mittlerweile Ihren Alltag?

Da das Leben meiner Frau und mir immer sehr auf Volleyball und Handball ausgerichtet war, kamen andere Sachen durchaus zu kurz. Als wir beide mit der aktiven Laufbahn aufgehört haben, begannen wir, anderes zu tun. Als ich mit 60 Jahren in Rente gegangen bin, habe ich das Segelpatent gemacht. Meine Frau geht nach wie vor aber auch noch zum Volleyballtraining. Wir sind dem Sport also immer noch sehr verbunden und schauen uns an den Wochenenden viele Spiele an. Ansonsten gehen meine Frau und ich Fahrradfahren oder an den Bodensee. Außerdem segeln wir gern und ich fahre Motorrad.

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Gibt es etwas, dass Sie am Handball bedauern?

Leider ja. Es ist das mangelnde Medieninteresse. Überregional bekommt man sehr wenig in der Zeitung zu lesen. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gibt es nur ein paar auserwählte Spiele zu sehen, den Rest zu unpopulären Sendezeiten im Pay-TV oder im Stream. So kann der Handball nicht bekannt werden. Und dann haben nicht nur Sportvereine Probleme mit der Nachwuchsarbeit. Immer weniger Menschen wollen sich engagieren oder binden. Die Wochenenden sind bei Jugendlichen oft anderweitig verplant, sodass die Konstanz für eine Vereinsarbeit fast nicht mehr gegeben ist – Fußball vielleicht ausgenommen. Des Weiteren werden die Auflagen immer anspruchsvoller und aufwendiger. Mancher Verein kann das nicht mehr stemmen.