Das Bildungszentrum ist derzeit eine Baustelle. Es bekommt eine Aula. Der Eingangsbereich wird neu gestaltet. Die Naturwissenschaftsräume des Gymnasiums werden renoviert. Physiklehrer Niklas Thomas muss mit seinem Oberstufen-Kurs deshalb in den bereits fertigen Physiksaal der Realschule ausweichen. Weil die Jahrgangsstufe 1 schon zu den Abschlussklassen zählt, darf sie auch in der Schule unterrichtet werden, nicht nur daheim per Internet.

„Im Präsenzunterricht bleibt mehr hängen“
Enrike Seri, 18, Schüler der Jahrgangsstufe 1 des Gymnasiums am Markdorfer Bildungszentrum (BZM), begrüßt es, dass er im Präsenzunterricht zusammen mit seinen Mitschülern sein darf. „Da sitzen wir in einem Boot und können uns viel besser untereinander austauschen als online“, erklärt der Oberstufenschüler.

Vor allem aber: „Im Präsenzunterricht bleibt viel mehr hängen“, erklärt Enrike Seri. Die Lehrerinnen und Lehrer könnten viel direkter reagieren. Sie würden auch entschieden besser erkennen, ob jemand etwas noch nicht ganz verstanden hat, wo weiterer Erklärungsbedarf besteht.

„Inzwischen haben sich schon feste Routinen eingestellt“, berichtet Jakov Zauzolkov, 16. Er habe sein Lernpensum sinnvoll verteilen können. So sinnvoll sogar, dass er sich quasi sein Wochenende etwas verlängern konnte.
Homeschooling ist eine wachsende Belastung
Physiklehrer Thomas in der J1 berichtet von der relativ großen Resonanz aus den Elternhäusern. Die Väter und Mütter melden zurück, was gut und was weniger gut läuft. Ein regelmäßiges Ärgernis beim Distanzunterricht seien die Aussetzer der verwendeten Lernplattform im Internet.
Wegen mangelnder Serverkapazitäten, aber auch weil mancherorts die Internetversorgung nicht gut genug ist, stürzt die Lernplattform immer wieder ab. Insgesamt sei das Online-Unterrichten auch für die Lehrkräfte mit erheblichem Mehraufwand verbunden, erklärt Thomas.
Izabella Bartha-Wagenbach, Mutter eines angehenden Abiturienten, unterrichtet selbst. Von daher weiß sie, wie wichtig Mimik, Gesten, Augenkontakt sind – gerade im Unterrichtsgespräch. „Findet das nicht statt, fehlt etwas“, sagt sie. Ihr Sohn komme verhältnismäßig gut zurecht mit dem Distanzunterricht. Doch sie höre von immer mehr Schülern, die diese Art der Schule belaste, ja bedrücke.
Entwicklung findet in der Schule statt
Was J1-Schüler Enrike Seri vermisst beim Homeschooling: „Das Oberstufen-Erlebnis“, die Erfahrung, von den Lehrern ein bisschen anders behandelt zu werden als in der Mittelstufe. Den 16-Jährigen werde mehr Reife zugesprochen. „Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ist einfach ein anderes.“ Und auch das markiere die Reife zum Eintritt ins Erwachsenenleben, nach der Reifeprüfung.

Bei den Vorbereitungen auf diesen Schritt sind die Gymnasiasten allerdings unterdessen weitgehend auf sich gestellt. „Von den Orientierungsveranstaltungen an den Unis sind wegen der Pandemie viele abgesagt worden“, erklärt Jakov Zauzolkov. Immerhin: Die Agentur für Arbeit stelle viel Material ins Netz. Sie biete nach wie vor Beratungen an. Erste Anhaltspunkte würde auch ein spezielles Tool bieten, das helfe, die speziellen Stärken und Schwächen zu ermitteln. Ansprechbar in Sachen Zukunftsorientierung seien auch die beiden Beratungslehrer für die Oberstufe, Ingo Bohlken und Alexander Ritzer, erklärt Niklas Thomas.

„Die Lehrer geben ihr Bestes und die Jugendlichen sind schon sehr medienaffin.“ Insofern bekümmere sie die Situation der Oberstufe weniger, erklärt Petra Reim-Bergmann, Elternbeirätin am Gymnasium. Insgesamt würde es dort funktionieren. Schwieriger sei es bei den Kleinen, wo Grundlagenwissen zu Hause von Eltern unterrichtet werden müsse. „Alphabetisierung in Klasse 1, Einmaleins in Klasse 2 – wenn da was fehlt, zieht sich die Lücke durch alle Stufen“, gibt die Elternbeirätin zu bedenken.

Ein Umstand, der auch Realschul-Elternbeirat Jürgen Birkle ein wenig beunruhigt: „Das macht es den jungen Menschen noch schwerer, als in den vorherigen Jahren, die richtige Berufsrichtung für sich zu finden.“ Sorgen mache er sich deshalb aber nicht wirklich, so Birkle, denn: „Falls jemand im falschen Beruf startet, wird er sich umorientieren müssen.“ Ein Zeitverlust sei das aber immer.