Diese Nachricht aus der Nachbarstadt Überlingen ließ aufhorchen: Beim Neujahrsempfang im Kursaal hatte Oberbürgermeister Jan Zeitler den Besuchern eröffnet, dass die Stadt 2022 „noch nie dagewesene“ Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 16,8 Millionen Euro verbucht habe. Gerechnet hatte man in der Überlinger Kämmerei mit 11 Millionen. „Das ist Rekord in der Geschichte Überlingens“, freute sich Zeitler.

In Markdorf klafft ein Loch

23 Kilometer östlich davon träumt man von solchen Nachrichten: In Markdorf war das Gegenteil der Fall. Auch dort hatte man im Rathaus zum Jahreswechsel 2021/22 noch mit 11 Millionen Euro von den ortsansässigen Unternehmen für 2022 gerechnet. Herausgekommen sind am Ende jedoch nur etwas mehr als 7,6 Millionen. Das Loch, wenn man so will, wirkt bis heute nach. Denn es ist einer von einer ganzen Reihe von Gründen, weshalb die Stadtfinanzen in diesem Jahr wohl mit einem Verlust abschließen werden. Und Besserung ist nicht in Sicht. Für dieses Jahr sind im Haushaltsplan bei der Gewerbesteuer 8,4 Millionen angesetzt. Stadtkämmerer Michael Lissner ist vorsichtig geworden.

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Kämmerer Lissner: Wir sind im Tal der Tränen

„Ich hoffe, dass das jetzt das Tal der Tränen ist und dass wir das bald wieder durchschritten haben“, sagt Lissner zwar. Doch ein wenig klingt es wie das berühmte Pfeifen im Walde. Denn der Ukraine-Krieg mit all seinen politischen Verwerfungen und die Inflation haben das Wirtschaftsleben noch fest im Griff, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. Ob sich die Markdorfer Zahlen bessern, entscheidet sich letzten Endes nicht nur hier vor Ort. Das weiß auch der Kämmerer.

2021 war ein Ausreißer: Seit 2019 liegen die jährlichen Gewerbesteuereinnahmen unter der 10-Millionen-Marke.
2021 war ein Ausreißer: Seit 2019 liegen die jährlichen Gewerbesteuereinnahmen unter der 10-Millionen-Marke. | Bild: Schönlein, Ute

In Überlingen sorgen Rekorderlöse von Rüstungsunternehmen wie Diehl und deren Zulieferern für sprudelnde Gewerbesteuereinnahmen. Die gibt es in Markdorf nicht – und auch anderweitig sei Markdorf ein Sonderfall, betont Lissner. Denn anders als in den Nachbarstädten verteilt sich das Steueraufkommen nicht auf viele, sondern auf gerade mal eine Handvoll Betriebe.

Das Markdorfer Dilemma: „Wir sind abhängig vom Erfolg relativ weniger großer Unternehmen“, sagt Kämmerer Michael Lissner.
Das Markdorfer Dilemma: „Wir sind abhängig vom Erfolg relativ weniger großer Unternehmen“, sagt Kämmerer Michael Lissner. | Bild: Ganter, Toni

379 Firmen, aber sieben zahlen mehr als die Hälfte der Steuern

Zwar zählt das Gewerberegister der Stadt 379 Unternehmen – vom Handwerker, Kleinbetrieb oder Ein-Mann-Dienstleister über den Mittelstand bis hin zu den Niederlassungen von Konzernen wie BorgWarner, aber gerade mal sieben Betriebe kamen zuletzt für 50 Prozent der städtischen Gewerbesteuereinnahmen auf. Ein solches Ungleichgewicht ist im Bodenseekreis einmalig.

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„Wir sind abhängig vom Erfolg relativ weniger großer Unternehmen“, bestätigt Lissner. Wirtschaften diese großen Unternehmen erfolgreich, fließen hohe Gewerbesteuereinnahmen und der Stadt geht es gut. Geraten diese Unternehmen in Schwierigkeiten oder gehen deren Erträge zurück, gehen die Gewerbesteuereinnahmen steil nach unten und der Stadt geht es schlechter. Eine einfache Rechnung. In Sachen Gewerbesteuer gebe es ein „sehr breites Mittelfeld“, sagt der Kämmerer. „Aber eben auch sehr viele Betriebe, die nur einen sehr kleinen Beitrag zahlen.“

Die J. Wagner GmbH, ein Spezialist für Oberflächenbeschichtungen, beschäftigt rund 400 Mitarbeiter in Markdorf. Das Unternehmen blickt, ...
Die J. Wagner GmbH, ein Spezialist für Oberflächenbeschichtungen, beschäftigt rund 400 Mitarbeiter in Markdorf. Das Unternehmen blickt, auch in den Corona-Jahren, auf sehr erfolgreiche Geschäftsjahre zurück. Es dürfte einer der größten, wenn nicht der größte Gewerbesteuerzahler der Stadt sein. | Bild: J. Wagner Gmbh

Fünf Millionen unter dem Zehnjahresschnitt

Die Gewerbesteuern sind aber neben der Einkommensteuer die wichtigsten Einnahmen der Stadt: Im Regelfall machen sie knapp ein Drittel der kompletten Jahreseinnahmen aus. Brechen sie ein, fehlen der Stadt auf einen Schlag zehn oder 15 Prozent ihres Jahresbudgets. „Und so schnell kann man ja nirgendwoher mal fünf Millionen Euro hernehmen“, umschreibt Lissner das Dilemma.

Fünf Millionen: Diese Zahl ist keineswegs aus der Luft gegriffen. In den vergangenen zehn Jahren, seit 2013, belief sich der Schnitt der jährlichen Einnahmen bei der Gewerbesteuer auf 13 Millionen Euro. Von diesem Schnitt ist Markdorf, sieht man vom Ausreißer 2021 ab, seit 2019 weit entfernt. Auf der anderen Seite müssen Investitionen gestemmt werden, die sich in den kommenden Jahren auf eine Gesamtsumme von 30 bis 40 Millionen Euro belaufen. Eine heikle Sache.

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Stadt muss hohe Kredite aufnehmen

Deshalb wird die Stadt in diesem Jahr seit langem wieder Kredite in Millionenhöhe aufnehmen müssen. Eine erste Ermächtigung für eine erste Tranche von 1,5 Millionen Euro bei Bedarf hatte sich Lissner im Januar bereits vom Gemeinderat absegnen lassen. Weitere werden bald schon folgen: Denn Lissner rechnet für 2023 und darüber hinaus mit einem mittelfristigen Kreditbedarf von 11,7 Millionen Euro.

„Tatsächlich gehe ich davon aus, dass wir in 2023 ein weiteres Mal auf den Gemeinderat zugehen müssen“, kündigt der Kämmerer vorsorglich an. Je nachdem, ob die Zinsen weiter oder noch deutlicher steigen, ist dann zügiges Handeln angesagt. „Unsere Probleme wären gelöst, wenn wir wieder im langjährigen Mittel wären“, sagt Lissner. Und er sagt auch: „Ich hoffe auf den Sommer.“ Dass bis dahin die Wirtschaft wieder anzieht, die Politik Lösungen findet und sich Märkte und Handel weiter normalisieren. Geht die Rechnung nicht auf, werden die Stadtfinanzen auch übers Jahr hinaus in Schieflage bleiben.