Der Fall erregte landesweit Aufsehen: Aus Protest über die Entwicklung der Fastnacht bot der Rottweiler Dieter Albrecht zu Beginn des Jahres sein historisches Schantle-Häs auf der Online-Plattform "Ebay" zum Verkauf an. Fünf Generationen war es im Besitz seiner Familie, nun sollte es weg, da sich Albrecht über den Verfall der Traditionen ärgerte.
Plattformen wie Ebay sorgen für Probleme
15.000 Euro wurden ihm bei der Ebay-Auktion für Larve und Kleidle angeboten. Verkauft hat es der 53-Jährige schließlich trotzdem nicht. Dennoch: „Die Fasnet hat für mich ihren Zauber verloren“, sagte Albrecht im Interview mit dem SÜDKURIER, das auch Wolfgang Lechler aufmerksam gelesen hat.
Als Narrenmutter ist er zugleich Vorsitzender der Narrenzunft Überlingen (NZÜ), die sich gemeinsam mit Rottweil, Elzach und Oberndorf zum Viererbund zusammengeschlossen hat – aus Protest gegen die "Verwässerung der Traditionen" durch die nach dem Zweiten Weltkrieg massenhaft entstehenden neuen Narrenzünften.
Ein Stück weit kann Lechler Albrechts Kritikpunkte teilen. Auch bei den Überlinger Hänsele beobachte er, dass alte Traditionen häufig nicht mehr gelten. Dass heutzutage etwa viele Hänsele direkt nach dem Hänselejuck aufgedeckt, also mit hochgeklappter Maske, herumlaufen, störe ihn. Schließlich sollen die Narren, die den Tod darstellen, unerkannt bleiben und mit Schutz der Maske anderen die Meinung zu sagen. "Viele wissen gar nicht mehr, was der Hänsele ist und was sie machen."

Lechler stellt aber auch klar, dass er die Generalkritik Albrechts an der Rottweiler Zunft und der Fastnacht nicht nachvollziehen könne. "Ich weiß, dass sie in Rottweil alles machen, was sie können. Das ist Fasnet auf hohem Niveau."
"Ebay ist eine schlimme Geschichte"
Kritiker sollten lieber sagen, "wie man es in diesen schwierigen Zeiten besser machen kann". Vor allem aber stört die Überlinger Narrenmutter, dass Albrecht sein Häs zum Verkauf anbot, und dort den Markt nach oben trieb. "Ebay", sagt Lechler, "ist eine schlimme Geschichte. Was da teilweise abgeht, gefällt mir gar nicht."

Seit einigen Jahre habe der Handel mit Narrenutensilien und -andenken immer mehr zugenommen – nicht nur im Internet. "Da geht Geld über den Tisch, das glauben Sie gar nicht."
So sei es beispielsweise keine Seltenheit, dass für Orden 50 bis 60 Euro gezahlt werde.
Dabei beschränkt sich der Markt längst nicht mehr auf klassische Fastnachtsartikel. Immer häufiger wird der Überlinger Hänsele auf fastnachtsfremde Produkte gedruckt – besonders geärgert hat die Zunft ein Fußabtreter.
"Wir wollen keinen Hänsele, auf den man draufdappt", sagt Lechler und nennt ein weiteres Beispiel: Im vergangenen Jahr kam ein Kartenspiel mit den vier Zünften des Viererbunds auf den Markt – darunter auch eine Karte mit dem Konterfei Lechlers als Narrenmutter. Verkauft wurde das Spiel für 16,50 Euro. Nur: Eine Erlaubnis hatte die NZÜ nie erteilt. Das ärgert die Narrenmutter: "Jeder guckt, dass er mit der Fasnet Geld macht."
Großes Sortiment mit Hänselebildern
Für die Überlinger Narrenzunft ist das ein großes Problem. Zum einen entsteht ein Wildwuchs, der nicht zur traditionellen Fastnacht passt, zum anderen gehen der Zunft durch die Fremdverkäufe wichtige Einnahmen verloren.
Denn die Zunft verkauft auch eigene Produkte. Anstecker, kleine Figuren und – seit diesem Jahr – auch ein Taschenmesser für die Bearbeitung des Karbatschenbändels. Die Einnahmen werden dringend benötigt, um die ständig wachsenden Kosten für die Fastnacht zu decken. In normalen Jahren rechnet die Zunft mit Kosten von rund 10.000 Euro, im nächsten Jahr beim Narrentag sogar mit rund 120.000 Euro.
Um die Einnahmen zu sichern und Wildwuchs zu verhindern, hat die Narrenzunft Überlingen seit 1998 einen Gebrauchsmusterschutz und Bildmarkenrechte für Zunftlogo, Hänsele und Farbfolge beim Deutschen Patentamt eingetragen. Der Erfolg hält sich jedoch in Grenzen, da die Kontrolle sehr schwierig sei, wie Wolfgang Lechler erklärt: "Wenn wir das ganz streng verfolgen würden, könnten wir den ganzen Tag nichts anderes mehr machen."
Der Preis sollte stimmen
Für Käufer, die die Zunft unterstützen möchten, gilt die Regel: Artikel die von der Narrenzunft stammen, tragen das Emblem der NZÜ.

Auch Häser von Mitgliedern der Hänselezunft, tragen dieses Logo – vor dem Handel schützt sie das aber nicht. Die Narrenmutter erzählt von einem Fall, bei dem kürzlich ein Hänsele aus den 1960er-Jahren für 1500 Euro angeboten werden sollte.
"Das war aber vielleicht noch 200 wert", schätzt Lechler. Dabei sei es völlig in Ordnung, ein Häs weiterzuverkaufen, wenn es nicht mehr gebraucht wird. "Ein Hänsele muss auf die Straße." Nur der Preis sollte eben stimmen.
Schöner sei es, natürlich, wenn das Häs vererbt wird – so wie in der Familie Lechler. Den Hänsele, den sich Wolfgang Lechler 1982 mit Geld, das er während seiner Bundeswehrzeit angespart hatte, bei einer Schneiderin gekauft hat, trägt mittlerweile sein Sohn Martin. Verkaufen würde er es niemals.
Der Hänselejuck
Der Hänsele ist die Hauptfigur der Überlinger Fastnacht. Es ist den Männern vorbehalten, in dieses Häs zu schlüpfen. Frauen sind ausgeschlossen.
Höhepunkt der Überlinger Fastnacht ist der Hänselejuck am Fasnetssamstag, an dem sich jedes Jahr 1500 bis 2000 Hänsele beteiligen. Die Figur des Hänsele, eine Teufelsfigur, blickt auf eine lange Geschichte zurück: In Ratsprotokollen ist der Hänsele im Jahr 1766 zum ersten Mal erwähnt.