Mit einer Schubkarre voller Beton wurde der Grundstein gelegt. Voller Überzeugung marschierten die Überlinger Narren im Januar 2010 beim Narrentag in Oberndorf in die dortige Festhalle ein und gossen einen großen Stein mit der Inschrift "Narrentag Überlingen 2020". Mit der Aktion verfolgte die Narrenzunft Überlingen (NZÜ) ein klares Ziel: Im Jubiläumsjahr – Überlingen feiert 2020 sein 1250-jähriges Bestehen – soll auch die Bedeutung der Fastnacht in der ehemaligen Reichsstadt ausgiebig gewürdigt werden. "Die Fastnacht gestaltet immerhin seit mehr als 550 Jahren die Stadtgeschichte mit", sagt Narrenvater Thomas Pross auch heute noch. "Ohne die Fastnacht sehe die Stadt anders aus."
Neun Jahre liegt die Aktion in Oberndorf mittlerweile zurück, bis zum Narrentag in Überlingen ist es heute noch genau ein Jahr. Am 25. und 26. Januar 2020 werden die befreundeten Zünfte des Viererbunds – Überlingen, Rottweil, Oberndorf und Elzach (siehe Infokasten) – gemeinsam am Bodensee feiern – 14 Jahre nach dem letzten Narrentag in Überlingen. 5000 bis 7000 Narren und mehr als 20.000 Besucher werden an diesem Wochenende erwartet. "Für viele beginnt dann eine neue Zeitrechnung", sagt Thomas Pross. Für viele sei es der erste Narrentag in der Heimatstadt "und man rechnet dann, wie alt man dann beim nächsten Narrentag in Überlingen sein wird". Auch für ihn und Wolfgang Lechler wird es der erste Auftritt als Narreneltern bei einem Viererbundtreffen in Überlingen sein. "In den drei anderen Städten haben wir schon gesehen, wie es läuft. Jetzt freuen wir uns auf das Fest bei uns", sagt Pross.

92 Personen mit Planung beschäftigt
Damit dieses Fest auch gelingt, laufen seit mehr als eineinhalb Jahre intensive Vorbereitungen. Derzeit sind 92 Personen mit der Planung beschäftigt, neben den Zunftmitgliedern auch externe Helfer von der Stadtverwaltung, dem Ordnungsamt, der Feuerwehr und der Polizei. "Das ist eine große Teamleistung, auf die wir sehr stolz sind", sagt Narrenmutter Wolfgang Lechler.
Hilfestellung gibt es auch von den drei befreundeten Zünften. "Es wird nicht alles neu erfunden", sagt Thomas Pross. "Wir können auf die Erfahrungen der vorangegangnen Narrentage aufbauen." Das ist auch nötig, denn auf eigene Erfahrungswerte kann die NZÜ nur bedingt zurückgreifen – schließlich liegt der letzte Narrentag in Überlingen mittlerweile 13 Jahre zurück und die Voraussetzung haben sich im Vergleich zu 2006 teilweise stark verändert. Vor allem die Auflagen in Sachen Sicherheit wurden deutlich erhöht, was sich auch bei den Kosten bemerkbar macht. Das Problem dabei: Die NZÜ muss bei den meisten Posten in Vorleistung gehen und generiert erst am Narrentag Einnahme. "Das ist nicht immer einfach", sagt der Narrenvater.

Neben der Finanzierung sind vor allem die Bewirtung und die Unterbringung der auswärtigen Narren von großer Bedeutung. In beiden Bereichen ist die NZÜ mittlerweile gut aufgestellt, wie die Narreneltern betonen. Aufgrund vieler Freundschaften wird ein Großteil der Narren aus Rottweil, Elzach und Oberndorf privat unterkommen. Die Narrenzunft selbst kümmert sich vor allem darum, dass die Kapellen und die Organisatoren der Zünfte einen Schlafplatz bekommen. Frühzeitig wurden deshalb Hotelzimmer und sonstige Unterbringungen gesichert. Hinzu kommen Massenlager in Turnhallen. Insgesamt stellt die Zunft 2200 Plätze zur Verfügung – die Betonung liegt auf Plätze, wie Narrenmutter Wolfgang Lechler klarstellt: "Es kriegt jeder einen Platz, aber nicht unbedingt ein Bett."
Wird auf einem Schiff gefeiert?
Weniger einfach ist die Frage nach Besenwirtschaften. Da in Überlingen in den Wintermonaten viele Lokale, vor allem an der Promenade, geschlossen haben, ist die Narrenzunft auf viele private Wirte angewiesen. "Wir wollen rund 6000 bis 7000 Indoor-Plätze anbieten", sagt Thomas Pross. Hoffnungsfroh, dass dieses Ziel erreicht wird, stimmt ihn eine Informationsveranstaltung aus der vergangenen Woche. "Da waren 69 Personen da. Die Zunftstube war voll", erzählt der Narrenvater, der sich vor allem darüber freut, dass auch drei Rottweiler eine Besenwirtschaft machen wollen.

Von der Zahl der Besenwirtschaften ab, ob die Narrenzunft wie 2006 wieder ein Schiff zum Feiern chartern wird. Damals legte eine Autofähre am Landungsplatz an. Sollten nicht genügend Besenwirtschaften zustandekommen, wäre es im nächsten Jahr das MS München. "Wir sind in Verhandlungen. Noch steht aber nichts endgültig fest", sagt Narrenvater Pross. Auch bei der Größe und dem Pächter des Zelts auf dem Landungsplatz, sei noch keine Entscheidung gefallen.
Ausstellung im "Faulen Pelz"
Deutlich weiter sind die Planungen für die erste Ausstellung über den Viererbund und dessen Geschichte, die am 24. Januar in der Galerie "Fauler Pelz" eröffnet wird. Die Kuratoren Peter Graubach, Reiner Rammelt und Thomas Pross tragen eifrig Ausstellungsstücke zusammen. Zu sehen sein werden Darstellungen der Narrenfiguren der vier Zünfte, Plakate und Plaketten, eine nachgestellte Besenwirtschaftsszene und ein Kuriositätenkabinett. Die Ausstellung wird anschließend während des Stadtjubiläums bis Oktober zu sehen sein und die Bedeutung der Fastnacht beleuchten.
Wolfgang Lechler und Thomas Pross leben die Überlinger Fastnacht. Noch mehr, seit sie 2006 nach dem letzten Treffen des Viererbunds in Überlingen zu den neuen Narreneltern gewählt wurden. Ob auch sie, wie ihre Vorgänger, nach dem Narrentag in Überlingen ihre Ämter abgeben werden, "darüber will ich jetzt noch nicht spekulieren", sagt Thomas Pross. "Zunächst einmal freuen wir uns auf einen schönen Narrentag."
Viererbund und Narrentag
- Entstehung des Viererbundes: Der "Narrentourismus", die inflationär zunehmenden Narrentreffen und die "Verwässerung der Traditionen" durch die nach dem zweiten Weltkrieg massenhaft entstehenden neuen Narrenzünften führten innerhalb der Vereinigung Schwäbisch Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) zu Konflikten. Als 1953 bei einer Mitgliederversammlung in Stockach dann wieder der Beitritt der VSAN zum Bund Deutscher Karneval Thema wurde, der im Dritten Reich als Instrument der Gleichschaltung gegründet worden war, kam es zum Bruch. Rottweil, Elzach und Überlingen traten aus, Oberndorf folgte 1958. Gemeinsam gründeten sie per Handschlag den Viererbund.
- Bisherige Treffen: 1958 Überlingen, 1959 Elzach, 1960 Rottweil, 1963 Überlingen, 1966 Oberndorf, 1969 Elzach, 1973 Rottweil, 1977 Überlingen, 1980 Oberndorf, 1984 Elzach, 1987 Rottweil, 1992 Überlingen, 1995 Oberndorf, 1999 Elzach, 2003 Rottweil, 2006 Überlingen, 2010 Oberndorf, 2013 Elzach, 2017 Rottweil.
- Der 20. Narrentag des Viererbundes findet am 25. und 26. Januar 2020 in Überlingen statt. Es werden rund 6000 Narren und mehr als 20 000 Besucher erwartet. Gefeiert wird am Münster-, Pflummern- und Landungsplatz, im Badgarten und in zahlreichen Besenwirtschaften in der Altstadt. (mba/mde)