Was täten die 1300 Berechtigten in der Region, wenn es die Überlinger Tafel nicht gäbe? Eine Frage, die schwer zu beantworten ist. Denn seit 15 Jahren gibt es die Einrichtung in der Friedhofstraße, die von der Caritas betrieben und von 45 ehrenamtlichen Helfern am Laufen gehalten wird.
Woche für Woche kommen 140 bis 160 Familien und holen sich mit ihren Berechtigungskarten kostenlose Lebensmittel oder für einen kleinen Obolus andere Dinge, die Erzeuger oder Händler zur Verfügung stellen. Was täten die Geschäfte sonst mit den Waren? Auch diese Frage ist berechtigt, denn Kritiker beklagen, dass die Tafel eine Aufgabe übernehme, die eigentlich Angelegenheit des Staates sein sollte.
Ehrenamtliche Tafel-Mitarbeiter holen Lebensmittel ab
Tatsächlich stehen inzwischen an die 30 Lieferanten auf der Liste der Tafel. Dazu gehören Bäcker, Metzger, Landwirte, Supermärkte und Discounter. Die meisten werden von den ehrenamtlichen Helfern regelmäßig angefahren, um die bereitgestellten Lebensmittel abzuholen, wie Koordinator Norbert Sieveking berichtet.
80 Prozent dessen, was der Biohof Stetten an die Tafel gibt, würde sonst auf dem Kompost landen
Dazu gehört schon seit mehr als zehn Jahren auch der Biolandhof von Anton und Christa Müller aus Stetten. „Damals hatte die Tafel noch Probleme, genügend frische Lebensmittel zu bekommen“, erinnert sich Anton Müller. Seitdem gebe man Woche für Woche frisches Gemüse, Salate und ähnliches gerne weiter. Dazu gehörten gute Frischwaren, bei denen man einen großen Überschuss habe, aber auch Gemüse oder Salate, die wegen begrenzter Haltbarkeit nicht mehr verkäuflich seien. „Gerade die Kunden von Biogemüse haben auch höhere Erwartungen an die Haltbarkeit“, erklärt Müller. Mindestens 80 Prozent dessen, was er an die Tafel weitergibt, würde sonst wenige Tage später auf dem Kompost landen, räumt er ein.
Unberechenbare Schwankungen beim Verkauf
Warum gibt es trotz langjähriger Verkaufserfahrungen überhaupt große Überschüsse? Anton Müller schildert dazu ein Szenario: „Der Wetterbericht sagt am Donnerstag noch ein verregnetes Wochenende voraus, dann rechnen wir mit einem überdurchschnittlichen Verkauf und decken uns mit Ware ein“, erklärt er. „Wenn dann am Samstag überraschend die Sonne scheint, gehen alle zum Skilaufen und wir bleiben auf einem Teil der Ware sitzen.“ Auch sonst hätten die Schwankungen beim Absatz einzelner Produkte zugenommen. „Die Leute kaufen heute viel spontaner ein“, beobachtet Müller. Bisweilen hänge die Nachfrage nach dem einen oder anderen Produkt von einer Kochsendung im Fernsehen oder von Rezepten in Werbeprospekten ab.
Supermärkte geben Waren mit kurzem Haltbarkeitsdatum weiter
Laut Wilhelm Mattes, Filialleiter des E-Centers in Überlingen, sind Supermärkte und Discounter, die neben Obst und Gemüse auch Hartwaren wie Nudeln oder Reis zur Verfügung stellen, den gleichen Schwankungen ausgesetzt. Die Läden geben Waren mit großem Bestand oder kurzem Haltbarkeitsdatum an die Tafeln weiter. "Bei uns landet sehr wenig auf dem Kompost", erklärt Mattes.
Tafel-Mitarbeiter prüfen Qualität schon bei der Abholung
Die Entscheidung, welche Lebensmittel die Tafeln mitnehmen, liegt teilweise bei den Mitarbeitern, die die Ware abholen, erzählt Norbert Sieveking. Unter den Frischwaren, die die Supermärkte abgeben, wählen sie aus, was aus ihrer Sicht noch für den kurzfristigen Verzehr geeignet ist. „Wir prüfen beim Abholen die Qualität der Lebensmittel an Ort und Stelle und sortieren aus, was wir nicht guten Gewissens weitergeben können.“ Hier sei auch das Fingerspitzengefühl der Mitarbeiterinnen an der Theke gefragt, damit das Angebot für alle ausreiche.
Fast 30 Lieferanten
Seit 15 Jahren sammelt und verteilt die Überlinger Tafel unter dem Dach der Caritas Lebensmittel für bedürftige Bürger. Insgesamt wird die Tafel inzwischen von nahezu 30 Geschäften unterstützt, dazu kommen noch zahlreiche private Förderer und Spender. Aldi, Lidl, Rewe, Penny, der Nahkauf Jona und mehrere Edeka-Supermärkte gehören ebenso dazu wie der Bio-Großhandel Bodan, das Hofgut Rengoldshausen oder der Biohof Müller in Stetten. Die Bäckereien Baader, Diener, Kränkel und Löwen sind Unterstützer, auch die Konditorei Popp, Metzgerei Zugmantel, Frischdienst Lehn in Owingen, der Frickinger Großhandel Il Gigante und der Kartoffelhof Störkle in Heiligenberg. (hpw)