Nirgendwo knallt die Karbatsche so schön wie in Überlingen. Marco Keiner muss es wissen: Er hat am russischen Baikalsee in den Wäldern über dem Gewässer bei einer Dienstreise geschnellt. Und vor drei Jahren im finnischen Rovaniemi bei minus zehn Grad. „Für mich war es wichtig, während der Fastnacht dieses Feeling zu bekommen“, sagt er. Dieses Jahr braucht der 59-Jährige aber nicht in der Ferne zu schnellen. Er ist zwischen Schmotzigem Dunschtig und Fastnachtsdienstag in Überlingen.
Wenn er nach seinem letzten Arbeitstag vor dem Schmotzigen Laptop und Diensthandy ausschaltet, geht es für Marco Keiner von Genf aus 380 Kilometer nordöstlich in seine Heimatstadt. Es ist zwar keine Weltreise, aber eine Reise in eine andere Welt. Aus einem Arbeitsumfeld voller Ernsthaftigkeit in eine Stadt auf dem Höhepunkt der Fastnacht.
Auf Reise mit Hänseleschal
Marco Keiner ist seit 2008 Direktor der Umweltdivision der Vereinten Nationen in Genf. Zu den Aufgaben seiner 60-köpfigen Abteilung gehören unter anderem die Überwachung von Umweltkonventionen, die Vermeidung von Wasser, Luft und Bodenverschmutzung oder die Erziehung in nachhaltiger Entwicklung. In seinem Berufsleben hat er bereits viele Länder bereist. Oft dabei: der Hänseleschal.
Wenn er nicht auf Reisen ist, arbeitet Keiner im Völkerbundpalast in Genf. „Mein Job ist sehr dynamisch“, sagt er. Viele Konferenzen, Telefonate, Treffen mit Botschaftern oder Ministern, Pressekonferenzen und oft mehr als die vorgesehenen 42 Stunden in der Woche. „Meistens weiß ich am Morgen noch nicht, was ich am Nachmittag zu tun habe.“
Kollegen wissen nicht von seiner Leidenschaft
Marco Keiner erklärt, dass bei der UN Menschen aus vielen unterschiedlichen Ländern arbeiten. Beim Mittag oder in der Kaffeepause rede man auch über Privates, all zu viel Einblick gebe man aber nicht. Dass er so ein passionierter Hänsele sei, wüssten viele beispielsweise gar nicht, sagt der 59-Jährige.

Für Keiner ist das Brauchtum außerordentlich wichtig – auch, um seelisch im Gleichgewicht zu bleiben. Wer sich täglich mit den Herausforderungen in Europa auseinandersetze, der müsse auch mal abschalten können, sagt er. „Hier in der UN herrscht sehr hohe Ernsthaftigkeit, deshalb braucht man diese fünfte Jahreszeit.“
Von der UN zum Frösche sammeln?
Seine Aufgabe an der Fastnacht könnte kein größerer Kontrast zum Alltag sein. Dann wird er für die Hänselezunft Infoposten und Plakettenverkäufer sein und am Rosenmontag Ordner beim Hemdglonker. „Ich bin Überlinger mit Leib und Seele und freue mich einfach darauf, unbeschwert Spaß zu haben mit Gleichgesinnten.“

Langfristig will Marco Keiner auch wieder zurück an den Bodensee. „In etwa zweieinhalb Jahren werde ich bei der UN aufhören“, sagt er. Danach wolle er auf dem Gebiet Umweltschutz weiterhin aktiv bleiben, aber kürzertreten. Ob Frösche über eine Straße heben oder eine andere Form des Umweltschutzes – das wisse er noch nicht genau. „Ich brauche nicht mehr die große Ebene“, sagt er.
Ruhestand in der Nähe vom Galgenhölzle
In Nenzingen hat er vor einigen Jahren ein Haus gekauft, in das er dann dauerhaft einziehen will. Am See sein und den Überlinger Dialekt sprechen – das hat er sich für diese Zeit vorgenommen. Zwar liegt Nenzingen eigentlich bereits im Hegau. Weil Marco Keiner so viel reist, haben die 25 Kilometer nach Überlingen aber kaum Bedeutung für ihn. „Es der gleiche Lebensraum und da gibt es auch viele nette Menschen“, sagt er. „Außerdem bin ich von dort aus in 20 Minuten im Galgenhölzle.“