Wallbach „Der Unterschied zu Rheinfelden und Laufenburg ist, dass wir nie eine Brücke hatten. Das hat verhindert, dass wir zusammenwuchsen“, sagen Marion Wegner-Hänggi und Fred Thelen unabhängig voneinander. Wegner-Hänggi ist seit vier Jahren Gemeindeammann von Wallbach in der Schweiz, Thelen seit 16 Jahren Ortsvorsteher des deutschen Wallbach.
Während beide Rheinfelden und beide Laufenburg geläufige Begriffe sind und die enge Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Schwesterstädten über die Region hinaus bekannt ist, spricht man kaum über die dritte Geschwistergemeinde am Hochrhein, beide Wallbach, die selbstständige Gemeinde am Schweizer Ufer und der 1972 eingemeindete Ortsteil von Bad Säckingen am deutschen Ufer. Dennoch existieren auch zwischen ihnen jahrzehntelange enge Beziehungen in Politik und Gesellschaft.
Laut der Ortschronik von Schweizer Wallbach muss es schon in der Altsteinzeit vor mehr als 10.000 Jahren an dieser Stelle eine Furt – also eine Flachstelle – gegeben haben, die erst 1932 mit der letzten Rheinstauung durch das Kraftwerk Ryburg-Schwörstadt unpassierbar wurde. Im deutschen Wallbach erinnert die Furtstraße noch daran, im Schweizer Wallbach die Straße Flienenweg, ein altes Wort für Felsen (wie in Flüh).
Ortschroniken schweigen
Der Rhein macht zwischen beiden Wallbach eine Biegung nach Norden, weshalb die Wallbacher (sehr ungewohnt für den Hochrhein) auch vom West- und Ostufer sprechen. Über die Beziehungen der Siedlungen auf beiden Seiten des Rheins in der Vergangenheit ist wenig bekannt. Beide Ortschroniken schweigen darüber merkwürdigerweise; nirgends wird das jeweils andere Wallbach erwähnt. Die Chronik des deutschen Wallbachs erklärt den Namen Walabuk bei der Ersterwähnung 1283 mit keltischem Ursprung in der Bedeutung Welsch-Wald oder Welsch-Dorf. Seit dem 17. Jahrhundert sei die heutige Namensform belegt.
Bis ins Hochmittelalter gehörten beide Wallbach wohl zu unterschiedlichen, wechselnden Herrschaften, darunter die Grafen vom Stein in Rheinfelden, die Herren von Schönau, das Frauenstift Säckingen und das Kloster Olsberg. Es ist davon auszugehen, dass die zeitgenössischen Quellen nicht immer zwischen beiden Wallbach unterscheiden. Das Schweizer Wallbach war unter der Herrschaft Säckingens administrativ mit Niedermumpf vereint. Gemeinsam gehörten beide Wallbach dann seit dem 14. Jahrhundert zum Besitz der Habsburger, später als Vorderösterreich organisiert. Erst im Jahr 1803 legte bekanntlich Napoleon den Rhein als Staatsgrenze fest (und halbierte dabei auch Laufenburg).
Wie auch in Rheinfelden und Laufenburg hängt die Beziehung beider Orte maßgeblich von der persönlichen Beziehung ihrer Oberhäupter ab. So erklärt Thelen, er habe ein gutes Verhältnis zu Wagner-Hänggi: „Gemeinde- und Ortschaftsrat besuchen sich regelmäßig.“ Dazu gehöre auch der gesellige Austausch: Der wichtigste Anlass ist jedes Jahr der Pfingstmontag, wenn die Schweizer Pontoniere (in Deutschland gibt es kein Pendant dazu) einen Fährenverkehr über den Rhein einrichten.
Wegner-Hänggi empfand die Beziehungen bei ihrem Amtsantritt 2021 eine Zeit lang als unterkühlt, obwohl von deutscher Seite immer wieder Einladungen gekommen seien. Der Austausch mit den Nachbarn sei ihr aber sehr wichtig gewesen, sodass wieder eine Schweizer Delegation zum jährlichen Dorffest auf deutscher Seite gehe: „Das wird sehr geschätzt.“ Der nächste gesellige Anlass auf Schweizer Seite sei das Schüürefest am 13. September. Wegner-Hänggi geht nicht davon aus, dass man außerhalb des Fricktals um die Existenz des zweiten Wallbachs weiß: „In der Kantonspolitik spielt das keine Rolle.“ Zwischen den politischen Systemen beider Wallbach liegen ihrer Meinung nach auch Welten.
Feuerwehren erhalten Freundschaft
Das stört die Feuerwehren wenig. Kommandant Daniel Grüter auf der Schweizer Seite erklärt die Tatsache, dass Freundschaften zwischen Orten oft über die Feuerwehr aufrechterhalten werden: „Wir Feuerwehrleute ticken sehr ähnlich. Das ist ein stabiles Fundament.“ Als er vor 25 Jahren in der Feuerwehr angefangen habe, sei die Freundschaft der Wehren beider Wallbach schon gepflegt worden. Am Pfingstsonntag werde abwechselnd auf der deutschen und Schweizer Seite gemeinsam gegrillt, bis die letzte Fähre zurückfährt. Auch im August gebe es einen Grillhock: „Dann müssen wir aber mit dem Auto über die Fridolinsbrücke fahren“, sagt Grüter und lacht.
„Die Beziehungen sind sehr, sehr gut“, bestätigt der Gesamtkommandant der Bad Säckinger Feuerwehr, Christian Siebold, der aus Wallbach stammt und auch dort wohnt: „Schon unsere Eltern hatten Kontakt zueinander.“ Solange die Feuerwehr bis 2019 das Dorffest auf deutscher Seite organisiert habe, hätten die Schweizer Kameraden oft dabei unterstützt. Er schätze auch, wie gut im Alarmfall der kurze Dienstweg funktioniere, betont Christian Siebold.
Bei Hochwassern, die wegen der Flussbiegung auf Schweizer Seite weit häufiger seien, helfen die deutschen Feuerwehrleute regelmäßig aus. Andererseits sei lange der einzige Zugang für das große Rettungsboot der Bad Säckinger Feuerwehr im Schweizer Wallbach gelegen, bis 2023 die Slipstelle im deutschen Warmbach verbreitert worden sei. Laut Ortsvorsteher Fred Thelen war auch die Beziehung der beiden Musikvereine intensiv, bis jener auf Schweizer Seite aufgelöst worden sei.
Der Autor dieses Berichts ist Redakteur bei der „Aargauer Zeitung“, wo der Beitrag zuerst erschienen ist.