Frau Deinzer, sieht der Folktreff jetzt eine Chance, in naher Zukunft wieder Veranstaltungen anbieten zu können?
Ja, Mitte Mai gab es die ersten Verlautbarungen durch Landeskunstministerin Theresia Bauer und die Rede von einem Stufenkonzept der interministeriellen Arbeitsgruppe. Danach sollten ab Juni kontrollierbare Veranstaltungen mit bis zu 100 Personen stattfinden können und ab Juli bis zu 500 Personen. Ersteres hat unser Ministerpräsident nun bestätigt, von Letzterem war zunächst nicht noch einmal die Rede. Ich bin aber hoffnungsfroh, dass es so kommt – zumal der Kreis Waldshut inzwischen als nahezu „coronafrei“ gilt.
Mit welchen Künstlern wäre ein Auftakt geplant?
Das wäre in dem Fall Rolf Miller am 10. Juli. Die A-Cappella-Popband Medlz aus Dresden hat uns nach ursprünglichen Terminplanungen für den 13. März und dann für den 28. Juni nun für den 25. und 26. Juli zwei mögliche Termine, entweder für ein oder für zwei Konzerte reserviert.
Wie soll das stattfinden? Welcher Vorkehrungen werden getroffen, um ein Infektionsrisiko auszuschließen?
Zusammen mit Bürgermeister Michael Scharf tüfteln wir in der großen Halle einen derzeit corona-gerechten Sitzplan, mit entsprechenden Abständen, aus. Wir bitten dafür die Ticketinhaber, sich bei uns per Mail zu melden, damit wir einen erlaubten Sitzplan erstellen können.
Sie preschen da recht mutig voran. Gibt es da innerhalb der Vorstandsriege keine Bedenken?
Das ist ganz sicher kein Preschen. Seit Monaten beobachten wir und machen uns Gedanken, wie und wann ein Wieder-Start möglich ist. Das war schon vor unserer ersten – übrigens proaktiven Konzertverschiebung, das hätte nämlich rein rechtlich noch stattfinden dürfen – der Fall. Bevor wir uns zur Verschiebung entschlossen haben, hatten wir bereits den Ausweichtermin im Sommer festgelegt. Auch deshalb, weil wir richtiger Weise von sehr solidarischen Fans ausgegangen sind, die ihre Tickets zum größten Teil behalten haben. Die wollten wir so früh wie möglich bedienen. Und ja, bei unserer virtuellen Vorstandssitzung wurde auch gestritten und es war nur die überwiegende Mehrheit des Vorstands dafür, dass wir in dem Augenblick, in dem die Veranstaltungen wieder erlaubt sind, diese nach Vorschrift durchführen werden. Keiner, der sich dabei nicht wohlfühlt, braucht mitzuarbeiten.
Wie würden Sie die Situation der Künstler beschreiben, denen ja durch das Veranstaltungsverbot sämtliche Einnahmen weggebrochen sind?
Sie sagen es – die Maßnahmen vereiteln die Berufsausübung teils sehr, sehr lange. Es ist wirklich zum Heulen. Künstlerkarrieren sind oft sehr dynamisch und sie werden in aller Regel begründet auf dem direkten Draht zum Publikum. Wer da im Fliegen gestoppt wird, droht tief zu fallen. Gerade in der Kleinkunst hat man es zudem geschafft, Kultur aus dem Elfenbeinturm zu holen und einem breiteren Publikum für Herz, Seele, Gemüt, Geist zu öffnen. Das wurde jäh gestoppt. Wenn nicht bald wieder größerer Publikumszulauf möglich ist, werden manche Formate ganz rausfliegen. Das wäre, meiner Ansicht nach, vollkommen unverständlich, wenn man es etwa mit einer Maßnahme wie der Öffnung des Freizeitparks Rust vergleicht.
Die Kultur wurde in Corona-Zeiten komplett ins Abseits geschoben. Sie ist nicht systemrelevant – um diesen häufig gehörten Ausdruck zu benutzen. Hat Sie das geärgert?
Das hat mich unbändig geärgert – übrigens auch als Bürgerin. Systemrelevant ist nach meinem Verständnis jeder Bürger. Und wenn man sich mit solch einem Unwort schon auf Berufe bezieht, hätte ich doch sehr die Hoffnung gehabt, dass jeder Steuerzahler, der mit seiner Arbeit das weltweit gefeierte Gesundheitssystem des Landes ermöglicht hat, für „systemrelevant“ gehalten wird. Kulturschaffende, die auch Steuern zahlen, sind es meinem Verständnis nach doppelt. Nach unserer Arbeit für Lebensunterhalt und System, bewegen sie uns, entspannen, machen Freude. Eine Gesellschaft, die sich keine freien Kulturschaffenden leistet, ist arm und nicht selten totalitär. Sprich – für mich war diese Wortwahl Ausdruck einer Unkultur im Umgang mit den Bürgern, Wählern, dem Souverän. Das hat nichts damit zu tun, dass ich, wie die meisten auch, der Ansicht bin, dass wertvolle Arbeit in Verwaltungen, in der Pflege, für Reinlichkeit, im Verkauf und so weiter, wertgeschätzt und anständig bezahlt gehört.
Glauben Sie, das erzwungen Kulturdefizit beschert Ihnen bei den nächsten Folktreff-Veranstaltungen einen großen Publikumsstrom – und wenn ja, wie wollen sie das angesichts der beschränkten Zuschauerzahlen händeln?
Da bin ich mir gar nicht sicher. Es gibt sicher zunehmend mehr Menschen, die sich nach Normalität sehnen. Es gibt aber auch sehr viele, die in den vergangenen Monaten tatsächlich so etwas wie Angst vor Mitmenschen entwickelt haben. Ob, wann, wie sich das normalisiert und unser Umgang auf allen Ebenen wieder so erfreulich offen und herzlich wird, wie er vorher war, ist schwer abzuschätzen. Ich kann nur sagen, dass wir nach bestem Wissen und Gewissen alles tun, um ein mögliches Restrisiko zu minimieren. Mit beschränkten Zuschauerzahlen, noch dazu solchen, bei denen wir die Identität der Ticketinhaber nachweisen müssen, werden wir vorerst über reinen Onlineverkauf umgehen.
Der Aufwand scheint enorm zu sein und zudem birgt die Sache ja auch ein finanzielles Risiko. Warum warten Sie nicht einfach ab, bis Veranstaltungen wieder ohne Einschränkungen möglich sind?
Weil ich glaube, dass etwas für die Seele, den Menschen gut tut. Weil ich finde, dass unsere überaus verständnisvollen Künstler, die von einem Tag auf den andern nichts mehr verdient haben, unser Engagement verdient haben. Wir haben auch Verträge mit den Künstlern, die nicht auf dem Lust-Prinzip basieren. Und unsere Veranstaltungen stehen fest, bis auf zwei Ausnahmen, auch für 2021. Das heißt, alles was wir verschieben, schieben wir in einen Zeitraum, in dem auch viele andere wieder doppelt und dreifach veranstalten. Damit ist niemandem geholfen.