Görwihl Der Dienstag im Görwihler Kultursommer hat mit einem exquisiten Matinee-Konzert mit dem Trio El Gabinette des Musica aus Basel in der Görwihler Pfarrkirche aufgewartet. Das Konzert fand in der musikalischen Umrahmung der Präsentation von Adelheid Fuss aus Potsdam am Nachmittag in der Kapelle in Tiefenstein seine Fortsetzung. Lukas Hamberger und Soko Yoshida an der Violine sowie Carlos Leal Cardin am Violoncello hatten am Vormittag Werke aus der Zeit des Sturm und Drang im Gepäck, am Nachmittag kam auch Altmeister Bach zum Zuge. Adelheid Fuss stellte unter dem Titel „Zeitlupe“ eine Büste sowie ihre speziellen Porträts vor.
Feinsinnig, mit Gespür für die musikalischen Zusammenhänge und mit zwanglos scheinender, Akkuratesse interpretierte das Trio Werke von Johann Cramer, Luigi Boccherini und Friedrich Schwindl, von denen heute nur noch Boccherini ein Begriff ist, zu deren Lebzeiten waren ihre Werke populärer als manche von Mozart. Das lag daran, dass in dieser Zeit der Notendruck zu blühen begann und die Kammermusik nicht mehr der höfischen Gesellschaft vorbehalten war.
Mit dynamischen Feinheiten erklang eine dreisätzige Sonate Boccherinis, beginnend wie ein Hauch, gefolgt von einem dynamischen Crescendo, gekrönt mit Trugschlüssen – gefühlt ins Unendliche gedehnte Seufzer. Eine leichte Aufhellung führte zurück in den überwältigenden Ausdruck des Schmerzes. Den zweiten Satz baute das Trio als Kontrast auf, mit fröhlicher Melodie, von einem Triller gekrönt. Der ins Moll changierende Mittelteil ließ Dramatik aufblitzen, die gleich wieder in die Fröhlichkeit des Beginns mündete.
Am Nachmittag in Tiefenstein spielte das Trio Präludium und Fuge von Beethoven, eingerahmt von zwei Bach-Stücken, wobei Lukas Hamberger die Parallele zum Titel „Zeitlupe“ zog: Man würde den zweiten Bachtitel durch die Zeit-Lupe Beethoven auch anders hören als den ersten. Adelheid Fuss fasst ihren Titel nicht in der Bedeutung verlangsamter Bilder auf, sondern als Fokussierung auf die Zeit. Ihre Porträts sind 2024 im Zusammenhang mit einem Aufenthalt in der Schweiz entstanden, wo sie Werke des Schweizer Malers Ernest Biéler kennenlernte. In der Folge hat sie das Zeichnen wiederentdeckt.
Die Porträts, die entstanden sind, schauen quasi mit der Lupe auf eine Zeit im Leben eines Menschen und auf die Rolle, die er spielt. Sie bestehen aus einem fiktiven Porträt im Hintergrund, darüber liegt eine zweite Schicht Papier, auf der Umrisse und Wegmarken sichtbar werden, die zu diesem Menschen in Beziehung stehen. Daneben hat sie eine Büste mitgebracht, die den Titel „Kindheitsmuster“ trägt. Sie entstand über einen längeren Zeitraum und hat mit Adelheid Fuss‘ Thematik der Bewegung, der Wege und Veränderungen zu tun. Auf dem Kopf dieser Skulptur hat die Künstlerin Teile eines Linolschnittes abgebildet, den sie in Form eines Luftbilds von ihrem Heimatdorf in Rumänien angefertigt hat.