Der brombeerfarbene Tiguan, der in Roland Siggs Garage in Jestetten steht, war einmal der ganze Stolz des 51-Jährigen. „Dieses Auto mit der damals angepriesenen Blue-Motion-Technologie war ein Traum von mir“, erzählt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Unter dem Begriff „Blue Motion“ vertrieb der Volkswagen-Konzern Fahrzeug-Modelle, die besonders kraftstoffarm und umweltverträglich sein sollten. Für Roland Sigg, der bei einem Metallverarbeitungsbetrieb in der Schweiz arbeitet und jeden Tag 70 Kilometer fürs Pendeln mit dem eigenen Auto zurücklegt, waren diese Eigenschaften das entscheidende Kriterium, als er sich vor fünf Jahren für ein neues Fahrzeug entschied.

Jestetter Fahrzeughalter bekommt vor Gericht Recht

Doch ausgerechnet der angeblich schadstoffarme VW Tiguan entpuppte sich nur eineinhalb Jahre später als sogenannter Schummeldiesel, als bekannt wurde, dass die Volkswagen AG eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung ihrer Dieselfahrzeuge verwendete, um die US-amerikanischen Abgasnormen zu umgehen. Auch der Motor vom Typ EA 189, der Siggs Auto antreibt, ist mit einer unzulässigen Software ausgerüstet, die bewirkt, dass das Fahrzeug bei einer Untersuchung im Prüfbetrieb niedrigere Stickoxidwerte erzielt als im Echtbetrieb. Roland Sigg klagte gegen VW und gewann in erster Instanz. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Das Landgericht Waldshut-Tiengen verurteilte Ende Juli 2019 den Wolfsburger Konzern zur Rücknahme des Fahrzeugs. Dafür erhält Roland Sigg rund 13.000 Euro. Zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung hatte der Wagen knapp 146.000 Kilometer auf dem Tacho. 2014 hatte der Jestetter den SUV als Jahreswagen für rund 30.000 Euro mit 14.500 Kilometern gekauft. Zusätzlich erhält der Kläger die Finanzierungskosten von 1250 Euro erstattet und darüber hinaus knapp 2500 Euro an Zinsen. Insgesamt würde Sigg nach jetzigem Stand etwa 17.000 Euro von VW zurückbekommen.

Der Volkswagen-Konzern aus Wolfsburg hat manipulierte Software in seine Fahrzeuge eingebaut. Auch der Tiguan von Roland Sigg ist betroffen.
Der Volkswagen-Konzern aus Wolfsburg hat manipulierte Software in seine Fahrzeuge eingebaut. Auch der Tiguan von Roland Sigg ist betroffen. | Bild: Juliane Schlichter

Schummel-Software mindert den Wert des Autos

Noch steht das Auto in Roland Siggs Garage. Am Wagen selbst hat er nichts auszusetzen. „Er hat mich immer gut und sicher ans Ziel gebracht“, sagt er und streicht über den brombeerfarbenen Lack. Ob zur Arbeit oder zu Kurzreisen nach München und Stuttgart, wie Sigg erzählt. Und auch seine Frau Veronika findet: „Wir sind mit dem Auto im Grunde genommen zufrieden.“ Dass der Tiguan mit der Schummel-Software ausgerüstet war, mindert seinen Wert jedoch.

Hintergründe zum Dieselskandal

Auf der Webseite des Volkswagen-Konzerns fand Roland Sigg über die Eingabe seines sogenannten Fahrzeug-Ident-Schlüssels 2016 heraus, dass sein Tiguan vom Dieselskandal betroffen ist. „Ich musste bei meinem Vertragshändler in Tiengen ein Update des Motorsteuergerätes machen lassen, ansonsten hätte mir die Stilllegung des Fahrzeugs drohen können“, erzählt er. Mit dem Update, das das Kraftfahrtbundesamt vorschrieb und das Sigg nicht bezahlen musste, war es jedoch nicht getan.

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Zwar hat das Kraftfahrtbundesamt inzwischen Filter genehmigt, mit denen die betroffenen Dieselmodelle nachgerüstet werden können, um so Fahrverbote zu vermeiden. Allerdings übernimmt der Hersteller die Einbaukosten in Höhe von rund 3000 Euro nur für Fahrzeuge, die in den von der Bundesregierung 2017 festgelegten Intensivstädten wie Stuttgart und München und den direkt angrenzenden Landkreisen zugelassen sind. Für den Bewohner des dünn besiedelten Jestetter Zipfels ein Schlag ins Gesicht: „Warum soll ich Geld in die Hand nehmen für etwas, das ich nicht verursacht habe?“, ärgert sich Roland Sigg.

Den Filter hätte er aus eigener Tasche zahlen müssen

„Diese Meldung war ausschlaggebend dafür, dass ich gesagt habe, ich habe die Schnauze voll“, sagt Roland Sigg. Er entschied sich zu klagen. Eine Rechtsschutzversicherung besaß er. Im Herbst 2018 sah der VW-Fahrer zufällig einen Fernsehbeitrag über den Dieselskandal. „Es ging um das Musterfeststellungsverfahren und wie man sein Geld zurückholen kann“, erinnert sich Roland Sigg. Im Bericht kam ein Rechtsanwalt aus Köln vor. Der Jestetter kontaktierte dessen Kanzlei und übertrug ihr das Mandat für seinen Fall. Vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen vertrat ihn die Kölner Anwaltskanzlei mit den Schwerpunkten im Verbraucher- und Umweltschutz allerdings erfolgreich als Einzelkläger.

Die Kanzlei hat jedoch Berufung eingelegt. Sie beantragt, dass Volkswagen Roland Sigg den vollen Kaufpreis in Höhe von rund 30.000 Euro plus Zinsen erstattet. Das Berufungverfahren würde beim Oberlandesgericht Karlsruhe verhandelt werden. „Wir vermuten allerdings, dass es nicht zu einem Urteil kommen wird, da sich Volkswagen in der Regel in der zweiten Instanz vergleichsbereit zeigt“, teilt Dirk Fuhrhop, Rechtsanwalt bei der Kölner Kanzlei Rogert und Ulbrich, auf Nachfrage dieser Zeitung mit.

„Mir gefällt das Auto weiterhin“, sagt Roland Sigg. „Ich kann nicht ausschließen, dass ich mir nicht wieder einen VW zulegen würde – wenn die Technik stimmt“, fügt der Jestetter schmunzelnd hinzu.

„Er hat mich immer gut und sicher ans Ziel gebracht“, sagt Roland Sigg über seinen VW Tiguan.
„Er hat mich immer gut und sicher ans Ziel gebracht“, sagt Roland Sigg über seinen VW Tiguan. | Bild: Juliane Schlichter
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