Hört man das Wort „Ordnungscoach“, denkt man an große TV-Formate, bei denen Männer oder Frauen mit Atemschutzmasken und in Ganzkörperanzügen mit Putzutensilien bewaffnet einen Messi-Haushalt vorfinden, bei dem es einem die Nackenhaare aufstellt. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Zumindest bei Ordnungscoach Silke Schaubhut aus Schopfheim. Sie trifft tatsächlich recht selten auf sogenannte „Messis“. Erst ein einziges Mal, sagt sie.
Silke Schaubhuts Kunden sind ganz normale Menschen, manche sind nicht einmal besonders unordentlich. Sie haben aber dennoch einen Bereich ihres Haushalts, den sie alleine nicht entrümpeln können. Ihnen steht Schaubhut seit nunmehr zwei Jahren mit hilfreichen Tipps und Tricks zur Seite.
Warum Menschen beim Aufräumen Hilfe brauchen
Schaubhut wird immer dann gerufen, wenn die Kraft und die Willensstärke fehlt, den Haushalt allein anzugehen. Oft käme sie in Haushalte, die sehr chaotisch sind. „Die Leute haben das Gefühl, sie brauchen das alles. Viele sind dann froh, dass da jemand ist, der ihnen hilft und einen anderen Blickwinkel auf ihren Haushalt hat“, sagt Schaubhut. Außerdem:
„Wenn man anfängt Ordnung zu machen, hat man erst einmal das Gefühl, dass das mehr Unordnung ist, als vorher.“Silke Schaubhut, Ordnungscoach
Damit die Menschen dann nicht verzweifeln, steht Schaubhut ihnen zur Seite und gibt Tipps, wie Unordnung künftig vermieden werden kann.

Oft kommt Schaubhut ihre Überzeugungskraft zugute. Sie erklärt ihre Taktik: „Ich frage dann: ‚Das kann weg, oder?‘“ Wenn ein Grund genannt wird, der für Schaubhut nicht ausreicht, um den Gegenstand zu behalten, stellt sie die gleiche Frage noch einmal. Daraus ergebe sich dann ein Dialog, bei dem ihren Klienten klar wird, dass sie viele Dinge gar nicht wirklich brauchen. „Dennoch fließen oft Tränen“, so Schaubhut, denn häufig würden bestimmte Dingen mit emotionalen Geschichten oder alte Erinnerungen verbunden werden.
Wie sieht es bei einem Ordnungscoach daheim aus?
Sich selbst würde Schaubhut nicht als minimalistisch bezeichnen. Dennoch trennt sie sich häufig von alten und verbrauchten Gegenständen. „Wenn ich etwas nicht mehr sehen kann, dann kommt es weg“, erzählt sie. Kauft sie sich etwas neues, muss etwas altes dafür weichen.
Gerade in ihrem Kleiderschrank wird das besonders deutlich. Mit ihrem Mann teilt sie sich eine kleine Gitterkonstrukution – nicht länger als 1,20 Meter. Viel findet man darin nicht. Hosen, T-Shirts, Pullover: Von allem hat die Ordnungsexpertin nicht mehr als sieben Stück – und mehr brauche sie auch nicht, wie sie sagt.
Aufgehängt werden nur Blusen, alles andere wird in Schubfächern verstaut. Wichtig ist ihr dabei, dass T-Shirts und Hosen nicht gefaltet und aufeinander gestapelt werden. Sondern sie wendet eine besondere Falttechnik an und verstaut die Wäsche dann in kleinen Boxen:
Der Vorteil: „Kein T-Shirt liegt im Stapel ganz unten. Will ich eins aus der Box nehmen, muss ich nicht den ganzen restlichen Stapel aus dem Schrank nehmen oder das gewünschte T-Shirt mühsam unten hervorziehen.“
Boxen benutzt Schaubhut besonders gerne, da sie mit der richtigen Technik für eine einfache Ordnung sorgen. Das versucht sie ihren Klienten nahe zu bringen.
So geordnet wie jetzt, war Schaubhut allerdings nicht immer. Auch bei ihr hätten sich Sachen angehäuft. Ein Problem damit auszusortieren hatte sie allerdings nie.
„Als meine Söhne ausgezogen sind, habe ich den Wunsch verspürt, das ganze Haus zu entrümpeln“, erinnert sie sich. Systematisch sei sie von Raum zu Raum gegangen und habe aussortiert. Schaubhut: „Es war erleichternd zu spüren, dass wieder Ordnung ins Haus kommt.“ Unter anderem aus dieser Erleichterung sei die Idee entstanden, einen Ordnungsservice anzubieten.
Warum Ordner Unordnung fördern
Nicht nur bei der Ordnung des Kleiderschranks hilft Schaubhut ihren Klienten. Besonders häufig bräuchten sie Unterstützung bei der Ordnung ihrer Papiere.
„Wenn es irgendwie geht, verbanne ich alle Ordner aus jedem Haushalt. Ordner sind das Schlimmste.“Silke Schaubhut, Ordnungscoach
In Ordnern würde sich unnützer Kram stapeln. Viel besser sei die Arbeit mit einem Sofortordnungssystem: Papierkram wird sofort in einen Hefter eingeordnet und zeitgleich geschaut, ob das, was sich noch im Hefter befindet, weg kann. „Dann stapelt sich auch nichts an, wie in einem Ordner.“

Warum viele Menschen ein Problem damit haben, Geschenke wegzuwerfen
Besonders schlimm sei das Verhandeln um Geschenke. Von denen könnten sich viele nicht trennen, weil sie dann ein schlechtes Gewissen bekommen. „Ihnen hilft es, wenn ich sage, ich verschenke den Gegenstand weiter und er wird nicht einfach weggeworfen.“ Auch sie selbst handhabt das so. Geschenke, mit denen sie nichts anfangen kann, kommen in eine Box. Der Inhalt geht dann an Leute, von denen Schaubhut glaubt, dass sie diese Dinge brauchen können.
Warum aufräumen gesund macht
„Einmal habe ich mit einer Frau gearbeitet, die eine sehr gebückte Haltung hatte. Nach dem ersten Termin lief sie schon viel aufrechter“, erzählt sie.
„Die Leute werden offener, umso leichter es in den Haushalten wird. Das Zuhause ist der Ort, an dem wir uns vom Alltagsstress erholen. Herrscht dort Chaos, fällt das schwer.“Silke Schaubhut, Ordnungscoach
Sie ist überzeugt, dass ein strukturierteres Leben zu einer besseren Gesundheit beiträgt. Das Wichtigste bei ihrer Arbeit sei es, das Bewusstsein dafür zu wecken, was man wirklich braucht. Dann habe sie ihr Ziel erreicht.
Wie lange ein Einsatz dauert
Wie lange sie mit einem Klienten arbeitet, sei sehr unterschiedlich: „Es kommt darauf an, was ich vorfinde, und für welche Art von Projekt ich engagiert werde.“ Zehn Stunden mit einem Klienten brauche sie aber mindestens. Für einen gesamten Haushalt zwischen 30 und 40 Stunden, sagt sie. „Das hängt aber stark von der Mitarbeit der Klienten ab. Wenn ich über jede Büroklammer diskutieren muss, dauert es natürlich länger.“
Immer noch hätten viele ihrer Kunden ein Problem damit zuzugeben, dass sie beim Aufräumen Hilfe brauchen. „Ich habe das Gefühl, dass die Hürde gerade im ländlichen Raum besonders groß ist“, resümiert sie. Auch wenn sie ihren Kunden anbietet, für andere unerkannt bei ihnen aufzutauchen. Dennoch glaubt Schaubhut, dass diese Hürde immer kleiner wird. Gerade in Städten würde das deutlich, denn da werde sie häufig engagiert.
Die wichtigste Frage, die Schaubhut sich selbst und ihren Kunden stellt, lautet: „Was macht mich wirklich glücklich?“ Stelle man sich diese Fragen, falle das Entrümpeln deutlich leichter.