25 Meter unter die Erde reicht der Bohrer. Wo er sich in die Tiefe senkt, soll einmal eine Brücke in die Höhe ragen: Die Wehratalbrücke. Sie soll die Wehramündung, die Bundesstraße 34 sowie die Bahnstrecke überqueren. Noch rauschen hier die Blätter der Pappeln im Spätsommerwind.
In einigen Jahren sollen es Fahrzeuge sein, die an gleicher Stelle über die Hochrheinautobahn rauschen. Noch heißt dieses Ziel jedoch Bauabschnitt 6 und ist Teil der geplanten Erweiterung der Autobahn 98. Um die Bodeneigenschaften auf Standfestigkeit zu überprüfen, wird unter anderem in Wehr, im Ortsteil Öflingen-Brennet, in die Tiefe gebohrt.
60 Bohrungen
Unweit der Badestelle am Rhein bohren Anton Dirr und Fabian Fiedler von der Firma Drillexpert am Straßenrand nahe einer großen Wiese unter die Oberfläche. Seit 6.30 Uhr in der Früh sind sie zugange. Etwa zweieinhalb Tage wird ihre Arbeit dauern, schätzt Bauleiter Ferdinand Strodel, bis sie 25 Meter Tiefe erreicht haben – eine von insgesamt 60 Bohrungen, die im Abstand von etwa 200 Metern vorgenommen werden, beschreibt Vibin Moosa die Baugrunderkundung. Er ist Projektingenieur für die Bauvorbereitung bei der Deges, die den Autobahnbau für Bund und Länder umsetzt. Gemeinsam mit Bauleiter Strodel ist er bei der Bodensondierung mit den geologischen Gutachtern Peter Kordeuter und Ann-Sophie Denu vor Ort.

Das Herz der Maschine
Die fürs Vordringen in den Grund notwendigen Vorrichtungen und Maschinen trägt der Rücken eines Lastwagens: Kabel, Seile, Winden und Hebel wuchern auf der Tragfläche. Wie Efeu an einem Baumstamm wachsen sie an einem riesigen Bohrgerät in die Höhe. Das Herz der Maschinen ist der Kompressor. Er erzeugt die Druckluft, die für die Zu- und Abluft für die Bohrarbeiten benötigt wird. Zwei Schläuche führen die Luft, sodass in der Tiefe eine hämmernde Bewegung stattfinden kann. Sie zucken auf der Wiese.
Im angewandten Rammkernbohrverfahren wird zuerst ein Rohr mit einer Schneidekrone versenkt, erklärt Bauleiter Strodel. „Die Röhren verhindern, dass das Loch einstürzt“, sagt Strodel. Sogenannte Schappen werden durch die Verrohrungen in die Tiefe geschickt. Der Hammer schlägt die Schappe in den Grund, fährt der Truppführer fort. Sie ist innen hohl, sodass sie den Boden, den die Rohre umschließen, an die Oberfläche befördert.

Ohrenschützer fürs Kompressorherz
Bedient werden die Apparate vom Steuerpult. Dort steht Anton Dirr. Er ist Geräteführer der Bohrungen. Vor ihm eine Vielzahl Regler, Anzeigen und Hebel. Er trägt Ohrenschützer. Das Kompressorherz, es schlägt laut.
Der riesige Bohrkopf, der sich über Dirrs Kopf erhebt, kommt seltener zum Einsatz als man beim Begriff Bohren erwarten würde. Er dreht in erster Linie die Rohre in den Boden, durch die die Schappe gerammt wird. Für jeden Meter eine mehr.
Schlagen für die Proben
Die Kompressor dröhnt, der Bohrer ruckelt, die Schläuche atmen. Die luftführenden Schläuche kommen vom Bohrgrund zurück. Sie werden länger und länger. Ferdinand Fiedler hievt sie auf die Wiese, wo sie weiter ihren Atem ausströmen. Schließlich folgt die Schappe mit Bodenproben aus der Tiefe. Sie baumelt vor Ferdinand Fiedler. Mit einem schweren Hammer schlägt er auf den Stahlzylinder. Klonk.
Sein Schlag hinterlässt nichts als eine silberne Kerbe auf dem erdbraunen Stahlrohr. Klonk. Er schlägt erneut gegen das Rohr. Diesmal fällt schlammige Erde in einen darunter stehenden Eimer. Damit verteilt er den geborgenen Boden in eine der leeren Holzkästen, die für die Proben bereitstehen.
Dem Boden werden viele Proben entnommen
„Auf jedem Meter werden Proben genommen“, erklärt Moosa. In den Kästen ist Lehm, Sand, Kies und Stein zu sehen, sortiert nach Tiefe.
„Das Wichtigste sind die Korngrößen“, sagt Geologe Peter Kordeuter. Er wird die Proben gemeinsam mit Geologiestudentin Ann-Sophie Denu begutachten. Kiesel könnten mehr aushalten als etwa Lehm. In Zahlen bedeutet das 500 Kilo-Newton Bodenpressung je Quadratmeter, führt der Gutachter aus.

„Der Brückenbauer weiß, wie schwer die Last wird. Wir sagen ihm, wie er das Gewicht in den Boden ableiten kann“, erklärt Kordeuter den Zweck der Bodenanalyse. Es gehe darum, die Last so zu verteilen, dass der Boden nicht überfordert wird.
Auf die Bohrung folgt das Modell
Auf Basis boden- und felsmachanischer sowie chemischer Untersuchung erstellt der Gutachter ein Schichtenverzeichnis. Die Ergebnisse aus den verschiedenen Laboren kommen nach etwa zwei bis vier Wochen, sagt Kordeuter. Kombiniert mit den Ergebnissen der anderen Bohrungen wird daraus ein digitales Modell erstellt, das als Planungsgrundlage für die nachfolgenden Bauschritte dient, erläutert Vibin Moosa.
Wenn die Brücke einmal steht, soll sie knapp einen Kilometer lang und vierspurig befahrbar sein, skizziert Moosa das Bauprojekt. Der Abschnitt 6 zwischen Schwörstadt und Murg mit der geplanten Überführung ist insgesamt 9,5 Kilometer lang. Erfahrungsgemäß liege die Tiefengründung des Pfeilerfundaments laut Moosa bei einer zwischen 10 und 20 Meter hoch geplanten Brücke bei 20 Metern – doch das hängt vom Boden ab. Unabhängig jedoch wie das Gutachten ausfällt: Bevor es in Höhe geht, geht es in die Tiefe.